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zwei Stückchen; ich selbst werde keinen nehmen.«

      »Sie wollen keinen Zucker nehmen? In Ihrem Alter! Lieber möchte ich Ihnen aus eigener Tasche welchen kaufen!«

      »Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!«

      Trotz des niedrigen Preises für Zucker war letzterer in den Augen des Böttchers die kostbarste der Kolonialwaren; für ihn kostete das Pfund immer noch sechs Francs. Die Notwendigkeit, sparsam damit umzugehen, die zur Zeit des Kaiserreichs geboten gewesen war, war ihm zur bleibenden Gewohnheit geworden.

      Alle Frauen, selbst die einfältigsten, wissen eine List, um ihr Ziel zu erreichen. Nanon ließ die Sache mit dem Zucker fallen, um den Brotkuchen zu erlangen.

      »Mademoiselle«, rief sie durchs Fenster, »Sie möchten doch gern einen Brotkuchen haben?«

      »Nein, nein!« erwiderte Eugénie.

      »Komm her, Nanon«, sagte Grandet, als er die Stimme seiner Tochter vernahm, »da, nimm!« – Er öffnete die Speisekammer, in der das Mehl aufbewahrt wurde, gab der Magd ein wenig davon und fügte dem Stück Butter, das er schon vorher abgeteilt hatte, noch einige Unzen hinzu.

      »Ich brauche Holz, um den Backofen zu heizen«, sagte die unerbittliche Nanon.

      »So nimm dir, soviel du brauchst«, entgegnete er melancholisch; »aber dann machst du uns eine Obsttorte und bereitest das ganze Essen im Backofen; auf diese Weise brauchst du keine zwei Feuer zu machen.«

      »Na!« rief Nanon, »Sie haben nicht nötig, mir das aufzutragen.«

      Grandet warf seinem treuen Minister einen fast väterlichen Blick zu.

      »Mademoiselle!« rief die Köchin zum Fenster hinaus, »wir bekommen unsern Kuchen.«

      Vater Grandet wandte sich wieder seinen Früchten zu und stellte ein erstes Tellerchen voll auf den Küchentisch. »Sehen Sie doch, Monsieur«, sagte Nanon, »was für hübsche Stiefel Ihr Neffe hat! Was für feines Leder, und wie gut es riecht! Womit wird denn das geputzt? Soll ich Ihre Eierwichse dazu nehmen?«

      »Ich fürchte, Nanon, das Ei schadet dem Leder da. Übrigens sag ihm, du wüßtest nicht, wie man Saffianleder behandelt. Ja, es ist Saffian. Dann wird er selbst in der Stadt etwas kaufen, womit du seine Schuhe behandeln kannst. Ich habe gehört, daß man für Saffianleder eine Wichse nimmt, der Zucker beigemischt ist.«

      »So, dann ist das ja gut zu essen?« sagte die Magd und führte die Schuhe an die Nase.

      »Sieh, sieh! Es riecht wie das Kölnische Wasser der Madame. Ach, ist das spaßig!«

      »Spaßig!« wiederholte Grandet. »Ist das spaßig, wenn einer für seine Stiefel mehr Geld ausgibt, als er selber wert ist?«

      »Monsieur«, sagte sie, als ihr Gebieter die Obstkammer abgeschlossen hatte, »werden Sie nicht ein oder zweimal in der Woche eine Suppe haben für Ihren . . .?«

      »Ja.«

      »Da soll ich zum Metzger gehen?«

      »Keineswegs. Du wirst uns Geflügelsuppe machen; die Pächter werden dich ausreichend mit Geflügel versorgen. Doch ich werde Cornoiller sagen, daß er mir ein paar Raben schießt. Dieses Wildgeflügel gibt die prächtigste Fleischbrühe von der Welt.«

      »Ist es wahr, Monsieur, daß dies Viehzeug sich von Leichen nährt?«

      »Du bist albern, Nanon! Sie fressen wie jedermann das, was sich ihnen bietet. Leben wir denn nicht auch von den Toten? Was ist denn die Erbfolge anderes?«

      Vater Grandet hatte nun keine Anordnung mehr zu treffen; er zog also seine Uhr, und da er sah, daß ihm bis zum Frühstück noch eine halbe Stunde Zeit blieb, nahm er seinen Hut, ging und begrüßte seine Tochter und sagte zu ihr: »Willst du ein wenig mit mir auf meinen Wiesen am Loireufer spazierengehen? Ich habe dort zu tun.«

      Eugénie holte ihren mit rosa Taft garnierten Strohhut, und Vater und Tochter schritten die gewundene Straße bis zum Platz hinunter.

      »Wohin so früh am Morgen?« sagte der Notar Cruchot, der Grandet begegnete.

      »Etwas anschauen«, erwiderte der Biedermann, der sich selbst von seinem Freund nicht aushorchen ließ.

      Der Notar wußte aus Erfahrung: wenn Vater Grandet etwas anschauen ging, gab es immer etwas zu profitieren. Er begleitete ihn also.

      »Kommen Sie, Cruchot«, sagte Grandet zum Notar. »Sie gehören zu meinen Freunden; ich werde Ihnen zeigen, daß es ein Unsinn ist, Pappeln in gute Erde zu setzen.«

      »Sind denn die sechzigtausend Francs nichts, die Sie für Ihre Pappeln auf den Loirewiesen eingeheimst haben?« sagte der Notar Cruchot und riß seine blöden Augen auf. »Was Sie für Glück hatten! Da fällen Sie die Bäume gerade zu der Zeit, als in Nantes Mangel an weichem Holz ist, und verkaufen sie für dreißig Francs das Stück.«

      Eugénie hörte zu, ohne zu ahnen, daß sie dem ernstesten Augenblick ihres Lebens nahe war und daß der Notar ein gebieterisches Verbot ihres Vaters auf sie herabzitieren würde.

      Grandet war bei den prächtigen Wiesen, die er am Ufer der Loire besaß, angekommen. Dreißig Arbeiter waren hier beschäftigt, die bislang von den Pappeln besetzt gewesenen Erdlöcher aufzufüllen und zu ebnen.

      »Sehen Sie nur, Cruchot, wieviel Platz eine Pappel beansprucht«, sagte Grandet zum Notar. »Jean«, rief er einem Arbeiter zu, »nimm einmal den Zollstock und miß das Loch nach allen Seiten aus!«

      »Vier mal acht Fuß«, rief der Arbeiter, als er gemessen hatte.

      »Zweiunddreißig Fuß Verlust«, sagte Grandet zu Cruchot.

      »Ich hatte in dieser mittleren Reihe dreihundert Pappeln, nicht wahr? Also: dreihun . . hun . . hundert mal zweiunddrei . . drei . . dreißig Fu . . Fuß ver . . ver . . ver . . verschlangen mir fünfhundert Bund Heu; nehmen Sie zweimal das gleiche für die beiden Seitenreihen hinzu, macht fünfzehnhundert.«

      »Weiter«, sagte Cruchot, um seinem Freund vorwärts zu helfen; »tausend Bund von dem Heu da haben einen Wert von sechshundert Francs.«

      »Sa . . sagen Sie zwölfhun . . hun . . hundert, da auch das Grummet noch drei- bis vierhundert Francs bringt. Nun also, be . . be . . berechnen Sie mal, was zwöl . . zwölfhundert Francs im Jahr im L . . L . . Lauf von vierzig Jahren bringen, mit den Zinseszinsen, die . . die . . die Sie kennen.«

      »So etwa sechzigtausend Francs«, sagte der Notar.

      »M . . M . . Meinetwegen! Mögen es also nicht mehr als ssssechzigtausend Francs sein.« Und der Winzer fuhr nun ohne zu stottern fort: »Gut; zweitausend vierzigjährige Pappeln würden mir keine fünfzigtausend Francs einbringen. Das ist ein Verlust. Ich habe das herausgefunden, ich!« sagte Grandet zänkisch. »Jean«, fuhr er fort, »du wirst die Löcher alle zuschaufeln, ausgenommen drunten an der Loire entlang; dort wirst du die Pappeln einsetzen, die ich gekauft habe. – Wenn ich sie dort am Ufer einsetze, nähren sie sich auf Kosten der Stadt«, fügte er, zu Cruchot gewendet, hinzu, indem er das Gewächs auf seiner Nase schwenkte – eine Bewegung, die ebenso bedeutungsvoll war wie das ironischste Lächeln.

      »Das ist klar: die Pappeln gedeihen nur auf magerem Boden«, sagte Cruchot, verblüfft von Grandets Berechnungen. »Jaaa, Monsieur«, erwiderte der Böttcher spöttisch.

      Eugénie, die die entzückende Landschaft der Loire betrachtete, ohne den Kalkulationen ihres Vaters Gehör zu schenken, horchte auf, als sie jetzt Cruchot zu ihrem Vater sagen hörte:

      »Nun, Sie haben sich einen Eidam aus Paris kommen lassen? In ganz Saumur spricht man nur von Ihrem Neffen. Ich werde bald einen Ehevertrag aufsetzen müssen, wie, Vater Grandet?«

      »Ssssind Sie d . . d . . darum so früh aufgestanden, um m . . m . . mir das zu sagen?« fragte Grandet und schwang sein Gewächs. »N . . n . . n . . nun, mein alter Kamer . . r . . rad, ich will offen sein, ich w . . w . . will Ihnen sagen, w . . was Sie wiss . . wiss . . wissen wollen. Sehen Sie, ich würde lieber mei . . mei . . meine Tochter in die Loire werfen, als sie ihrem C . . C . . Cousin geben; Sie können d . . d . . das verkünden. Doch nein, lassen Sie die L . . L . . Leute schwatzen.«

      Eugénie

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