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mach ihm einen recht starken Kaffee. Ich hörte gestern, wie er zu Monsieur des Grassins sagte, daß man in Paris sehr starken Kaffee trinkt. Nimm also recht viel.«

      »Und woher soll ich ihn denn nehmen?«

      »Kaufe welchen!«

      »Und wenn ich Monsieur Grandet begegne?«

      »Er ist auf seinen Wiesen.«

      »Gut; ich laufe. Aber Monsieur Fessard hat mich schon gefragt – gestern, als ich das Wachslicht kaufte –, ob wir die drei Heiligen aus dem Morgenlande zu Besuch haben. Die ganze Stadt wird unsern Übermut erfahren.«

      »Wenn dein Vater etwas merkt«, sagte Madame Grandet, »so ist er imstande, uns zu schlagen.«

      »Gut, so wird er uns schlagen. Wir werden auf den Knien seine Schläge hinnehmen.«

      Madame Grandet hob statt aller Antwort die Augen gen Himmel.

      Nanon nahm ihre Haube und ging.

      Eugénie deckte den Tisch mit einem frischen Leintuch und stieg dann hinauf in die Bodenkammer, um einige Weintrauben zu holen, die sie unlängst in kindlicher Freude auf Schnüre gereiht und hier aufgehängt hatte. Leichtfüßig schritt sie den Gang entlang, um ihren Cousin nicht zu wecken; doch konnte sie sich nicht enthalten, vor seiner Tür stehenzubleiben und seinen regelmäßigen Atemzügen zu lauschen.

      ›Er schläft, das Unglück aber wacht‹, sagte sie zu sich. Sie legte die allergrünsten Blätter einer Rebe auf einen mitgebrachten Teller, ordnete einige Trauben so zierlich darauf, wie ein ausgelernter Küchenchef es nicht besser gekonnt haben würde, und trug sie triumphierend hinunter auf den Tisch. Sie plünderte in der Küche die von ihrem Vater bereitgestellte Obstschüssel und ordnete auch diese Früchte auf einen blätterbelegten Teller. Sie kam und ging, lief und hüpfte. Sie hätte am liebsten das ganze Haus ausgeraubt; aber ihr Vater hatte zu allem die Schlüssel.

      Nanon kehrte mit zwei frischen Eiern zurück. Als Eugénie die Eier erblickte, hatte sie Lust, ihr an den Hals zu fliegen.

      »Der Heidepächter hatte welche in seinem Korb; ich bat ihn darum, und er hat sie mir gegeben, um mir gefällig zu sein, der Gute.«

      Nach zwei eifrigen Stunden, in denen Eugénie wohl zwanzigmal von ihrer Näharbeit fortgelaufen war, um den Kaffee kochen zu sehen oder um auf die Geräusche zu hören, die ihr Cousin beim Aufstehen machte, war es ihr gelungen, ein Frühstück herzustellen, das sehr einfach und billig war, das aber im schrecklichsten Gegensatz zu den patriarchalischen Gewohnheiten des Hauses stand.

      Das zweite Frühstück pflegte man stehend einzunehmen. Jeder nahm ein wenig Brot und Butter, oder statt der Butter etwas Obst, und ein Glas Wein.

      Eugénie betrachtete den ans Feuer gerückten Tisch, den für den Cousin hingeschobenen Lehnstuhl, die Fruchtteller, den Eierbecher, die Flasche Weißwein, das Brot, den in einer Untertasse aufgehäuften Zucker – und zitterte am ganzen Körper, wenn sie nur an den Blick dachte, den ihr Vater ihr zuwerfen würde, wenn er jetzt heimkäme. Sie blickte häufig nach der Uhr, um zu berechnen, ob der Cousin wohl vor der Rückkehr des Biedermanns gefrühstückt haben könne.

      »Sei nur ruhig, Eugénie, wenn dein Vater kommt, nehme ich alles auf mich«, sagte Madame Grandet.

      Eugénie konnte eine Träne nicht zurückhalten. »O meine gute Mutter«, rief sie, »ich habe dich lange nicht lieb genug gehabt!«

      Charles, der schon geraume Zeit in seinem Zimmer singend hin und her gegangen war, kam endlich herunter. Glücklicherweise war es erst elf Uhr. Dieser Pariser! Er hatte soviel Koketterie auf seine Toilette verwendet, als befände er sich im Schloß der vornehmen Dame, die jetzt Schottland bereiste. Er trat mit der freundlich-heitern Miene ein, die der Jugend so gut steht und die Eugénie mit trauriger Freude erfüllte. Er hatte den Zusammenbruch seiner Luftschlösser, die er beim Onkel zu finden gehofft hatte, von der heitern Seite zu nehmen gewußt und begrüßte seine Tante fröhlich: »Haben Sie eine gute Nacht gehabt, liebe Tante? – Und Sie, liebe Cousine?«

      »Ja, danke«, sagte Madame Grandet; »aber Sie?«

      »Oh, ich habe prächtig geschlafen.«

      »Sie werden hungrig sein, lieber Cousin«, sagte Eugénie; »setzen Sie sich zu Tisch.«

      »Aber ich frühstücke nie vor zwölf, das ist sonst meine Aufstehzeit. Ich habe jedoch auf der Reise so schlecht gelebt, daß ich mich fügen will. Übrigens . . .« Er zog die entzückendste Uhr hervor, die Bréguet jemals gemacht hat. »Da, es ist erst elf Uhr; ich bin ja heute ein Frühaufsteher.«

      »Frühaufsteher? . . .« sagte Madame Grandet.

      »Ja; aber ich wollte ja auch meine Sachen auspacken. Also, ich würde ganz gern etwas genießen . . . eine Kleinigkeit, etwas Geflügel . . . ein Rebhuhn!«

      »Heilige Jungfrau!« rief Nanon, als sie diese Worte hörte.

      ›Ein Rebhuhn‹, überlegte Eugénie, die gar zu gern von ihrem Taschengeld ein Rebhuhn beschafft hätte.

      »Kommen Sie, nehmen Sie Platz«, forderte seine Tante ihn auf.

      Der Dandy ließ sich in den Fauteuil gleiten, graziös, wie eine schöne Frau sich auf den Diwan bettet. Eugénie und ihre Mutter nahmen ihre Stühle und setzten sich zu ihm ans Feuer.

      »Sie leben immer hier?« fragte Charles, der den Saal jetzt bei Tag noch häßlicher fand als gestern beim Kerzenlicht.

      »Immer«, antwortete Eugénie, ihn anblickend; »ausgenommen zur Weinlese. Dann gehen wir Nanon helfen und wohnen alle in der Abtei von Noyers.«

      »Sie gehen nie spazieren?«

      »Manchmal des Sonntags nach der Vesper, wenn es schön ist«, sagte Madame Grandet. »Dann gehen wir bis zur Brücke oder zu den Wiesen und sehen zu, wie das Heu gemacht wird.«

      »Haben Sie hier ein Theater?«

      »Ins Schauspiel gehen!« rief Madame Grandet, »Komödie sehen! Aber wissen Sie denn nicht, daß das – eine Todsünde ist?«

      »Hier, mein lieber junger Monsieur«, sagte jetzt Nanon, die Eier herbeibringend, »wir bringen Ihnen die Hühner in der Schale.«

      »Oh, frische Eier!« sagte Charles, der mit der Gleichgültigkeit des Reichen seine Rebhühner schon wieder vergessen hatte. »Aber das ist köstlich! Wenn Sie etwas Butter hätten, wie, liebes Kind?«

      »Ah! Butter!« sagte die Magd; »da wollen Sie also keinen Kuchen?«

      »So gib doch die Butter, Nanon«, rief Eugénie.

      Das junge Mädchen sah zu, wie ihr Cousin sich das Brot schnitt, und hatte daran ebensoviel Freude, wie die empfindsamste Grisette von Paris haben mag, wenn sie ein Melodrama sieht, das den Triumph der Unschuld verherrlicht.

      Wahrlich, Charles, dessen Erziehung eine anmutige Mutter begonnen und eine Dame von Welt vollendet hatte, hatte kokette, elegante, zierliche Bewegungen wie ein kleines Modedämchen.

      Das Mitgefühl und die zärtlichen Gedanken eines jungen Mädchens haben eine magnetische Kraft. So konnte auch Charles, der sich als der Gegenstand der Aufmerksamkeiten von Cousine und Tante sah, sich der Macht der Gefühle, die zu ihm strömten und ihn überfluteten, nicht entziehen. Er warf Eugénie einen von Liebenswürdigkeit strahlenden Blick zu, einen Blick, der streichelte, der süß war wie ein Lächeln. Er betrachtete Eugénie und gewahrte in diesem reinen Antlitz eine seltene Harmonie der Züge und Unschuld des Ausdrucks, gewahrte die wundervolle Klarheit ihrer Augen, aus denen die allererste Liebe leuchtete, Augen, deren Wünschen nichts von Wollust wußte.

      »Mein Wort, liebe Cousine, wenn Sie in großer Toilette in einer Loge der Oper sitzen würden – ich garantiere, daß meine Tante sehr recht haben würde, denn Sie würden in den Männern die Sünde der Eifersucht und in den Frauen die Sünde des Neides erwecken.«

      Dieses Kompliment ließ Eugénies Herz erzittern und heftig klopfen, obgleich sie nichts verstanden hatte.

      »O lieber Cousin, Sie wollen sich über ein armes kleines Provinzmädchen lustig machen.«

      »Wenn Sie mich kennen würden, liebe Cousine, so würden

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