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hier vorbeizukommen. Glücklicherweise waren Mann und Frau alt. Eines schönen Tages hatte der Ziegelbrenner einen Paralyseanfall, und ich ließ ihn sofort im Grenobler Hospital unterbringen. Der Besitzer der Ziegelei willigte ein, sie ohne Widerrede in dem Zustande, in dem sie sich befand, zurückzunehmen, und ich suchte neue Mieter, die an den Verbesserungen, die ich in allen Industrien des Bezirks einführen wollte, sich beteiligen konnten. Der Gatte einer Kammerfrau Madame Graviers, ein armer Arbeiter, der sehr wenig Geld bei einem Töpfer, wo er arbeitete, verdiente, und seine Familie nicht erhalten konnte, hörte von meinen Absichten. Der Mann besaß Mut genug, unsere Ziegelei in Pacht zu nehmen, ohne einen roten Heller zu haben. Er richtete sich hier ein, lehrte seine Frau, die alte Mutter seiner Frau und seine eigene Dachziegel formen und machte sie zu seinen Arbeitern. Bei meiner Ehre, ich weiß nicht, wie sie sich einrichteten. Wahrscheinlich borgte sich Vigneau das Holz, um seinen Ofen zu heizen, zweifelsohne holte er seine Materialien nachts tragkorbweise und verarbeitete sie tagsüber. Kurz, er entfaltete heimlich eine grenzenlose Energie, und die beiden alten Mütter in Lumpen arbeiteten wie Neger. Vigneau wußte so einige Oefen voll zu brennen und verbrachte das erste Jahr, indem er durch die Schweißtropfen seines Haushalts teuer bezahltes Brot aß; aber er hielt durch. Sein Mut, seine Geduld, seine guten Eigenschaften erweckten die Anteilnahme vieler Leute für ihn, und er wurde bekannt. Unermüdlich lief er des Morgens nach Grenoble, verkaufte dort seine Ziegel und Backsteine; dann kehrte er um Mittag nach Hause zurück und kam in der Nacht wieder in die Stadt; er schien sich zu vervielfachen. Gegen Ende des ersten Jahres stellte er zwei kleine Jungen als Helfer ein. Als ich das sah, lieh ich ihm einiges Geld. Nun verbesserte sich das Los dieser Familie von Jahr zu Jahr. Seit dem zweiten Jahre machten die beiden alten Mütter keine Ziegel, zerstießen keine Steine mehr; sie bearbeiteten die kleinen Gärten, kochten Suppe, flickten Kleider, spannen des Abends und gingen tagsüber ins Holz. Die junge Frau, die lesen und schreiben kann, führte die Bücher. Vigneau hatte ein kleines Pferd, um in die Umgegend zu fahren und dort Kunden zu suchen; dann studierte er die Kunst des Ziegelbrenners, fand das Mittel, schöne weiße Fliesen herzustellen und verkaufte sie unter dem üblichen Preise. Im dritten Jahre hatte er einen Karren und zwei Pferde. Als er seinen ersten Wagen bestieg, wurde seine Frau beinahe elegant. Alles in seinem Haushalte hielt sich mit seinen Gewinsten im Einklang, und stets hielt er dort Ordnung, Sparsamkeit und Sauberkeit aufrecht, die Quellen seines kleinen Vermögens. Endlich konnte er sich sechs Arbeiter halten und bezahlte sie gut. Er nahm einen Wagenführer und setzte alles bei sich auf sehr guten Fuß, kurz, nach und nach ist er, indem er seinen Verstand anstrengte und seine Arbeiten und seinen Handel ausdehnte, zu Wohlstand gelangt. Im letzten Jahre hat er sich die Ziegelei gekauft; im nächsten Jahre wird er sein Haus erneuern. Jetzt befinden sich alle diese guten Leute wohl und sind gut gekleidet. Die magere und blasse Frau, die anfangs die Sorgen und Unruhen des Herrn teilte, ist wieder rund, frisch und hübsch geworden. Die beiden alten Mütter sind sehr glücklich und sorgen für die kleinen Einzelheiten in Haus und Handel. Die Arbeit hat Geld hervorgebracht, und das Geld hat, indem es Ruhe schuf, Gesundheit, Ueberfluß und Freude wiedergebracht. Wahrlich, dieser Haushalt ist für mich die lebende Geschichte meiner Gemeinde und junger Handelsstaaten. Diese Ziegelei, die ich einst düster, leer, unsauber und unproduktiv sah, ist jetzt in voller Tätigkeit, voller Menschen, reich und gut versorgt. Da liegt für ein gutes Stück Geld Holz und alle Materialien, die für die Saisonarbeit nötig sind: denn, wie Sie wissen, stellt man Ziegel nur während einer bestimmten Jahreszeit zwischen Juni und September her. Macht diese Betriebsamkeit nicht Vergnügen? Mein Ziegelbrenner hat zu allen Bauten des Fleckens mit beigetragen. Stets munter, immer unterwegs, immer tätig, wird er von den Leuten des Bezirks ›der Fresser‹ genannt.«

      Kaum hatte Benassis diese Worte beendigt, als eine junge, gut gekleidete Frau mit einer hübschen Haube, in weißen Strümpfen, einer seidenen Schürze, einem rosa Kleide – ein Anzug, der ein bißchen an ihren ehemaligen Kammerfrauenberuf erinnerte – die leichtvergitterte Tür, die in den Garten führte, öffnete und, so schnell es ihr Zustand erlauben mochte, herbeieilte; doch die beiden Reiter gingen ihr entgegen. Madame Vigneau war tatsächlich eine hübsche, ziemlich rundliche Frau mit gebräuntem Gesicht, dessen Haut aber weiß sein mußte. Obwohl ihre Stirn einige Falten bewahrte, Spuren ihrer früheren Not, hatte sie einen glücklichen und einnehmenden Gesichtsausdruck.

      »Monsieur Benassis,« sagte sie in schmeichelndem Tone, als sie ihn stehenbleiben sah, »wollen Sie mir nicht die Ehre erweisen und sich einen Augenblick bei mir ausruhen?«

      »Sehr gern,« antwortete er, »kommen Sie, Rittmeister.«

      »Die Herren müssen's recht warm haben! Wollen Sie ein bißchen Milch oder Wein? – Monsieur Benassis, kosten Sie doch den Wein, den mein Mann so lieb gewesen ist, für meine Niederkunft zu besorgen! Sie sollen mir sagen, ob er gut ist.«

      »Sie haben einen braven Mann zum Gatten.«

      »Ja, mein Herr,« antwortete sie ruhig, indem sie sich umdrehte, »ich hab' es sehr gut getroffen.«

      »Wir wollen nichts genießen, Madame Vigneau; ich wollte nur sehen, ob Ihnen kein böser Zufall begegnet ist.«

      »Nichts,« sagte sie. »Sie sehen, ich war im Garten mit Krauten beschäftigt, um etwas zu tun zu haben.«

      In diesem Augenblicke kamen die beiden Mütter, um Benassis zu sehen, und der Karrenführer blieb unbeweglich im Hofe stehen, an einer Stelle, die ihm den Arzt zu sehen erlaubte.

      »Lassen Sie sehn, geben Sie mir Ihre Hand,« sagte Benassis zu Madame Vigneau.

      Er fühlte der jungen Frau mit gewissenhafter Aufmerksamkeit den Puls, indem er sich sammelte und in Schweigsamkeit verharrte. Während dieser Zeit studierten die drei Frauen den Major mit jener naiven Neugierde, die zu zeigen Landleute sich durchaus nicht schämen.

      »Sehr gut,« rief der Arzt fröhlich.

      »Wird sie bald niederkommen?« riefen die beiden Mütter.

      »Zweifelsohne diese Woche. – Ist Vigneau unterwegs?« fragte er nach einer Pause.

      »Ja, mein Herr,« antwortete die junge Frau, »er beeilt sich, seine Geschäfte zu erledigen, um während meiner Niederkunft zu Hause bleiben zu können, der liebe Mann!«

      »Auf, meine Kinder, frohes Gedeihen! Fahrt fort, Vermögen zu erwerben und Kinder zu kriegen.«

      Genestas war voller Bewunderung für die Sauberkeit, die im Innern dieses fast verfallenen Hauses herrschte. Als er des Offiziers Erstaunen sah, sagte Benassis zu ihm:

      »Nur Madame Vigneau versteht einen Haushalt so sauber zu halten. Ich wollte, daß manche Leute aus dem Flecken kämen und hier Unterricht nähmen.«

      Die Frau des Ziegelbrenners wandte den Kopf errötend weg; die beiden Mütter aber ließen auf ihren Gesichtern all das Vergnügen strahlen, das ihnen des Arztes Lobsprüche bereiteten, und alle drei begleiteten ihn bis zu dem Platze, wo die Pferde standen.

      »Nun,« sagte Benassis, sich an die beiden Alten wendend, »Sie sind jetzt wohl recht glücklich! Möchten Sie nicht Großmütter sein?«

      »Ach, reden Sie mir nicht davon,« sagte die junge Frau. »Sie machen mich ganz wild. Meine beiden Mütter wollen einen Jungen, mein Mann wünscht sich ein kleines Mädchen: ich glaube, es wird mir recht schwer werden, sie alle zu befriedigen.«

      »Doch Sie, was wünschen Sie sich?« fragte lachend Benassis.

      »Ach ich, Monsieur, ich will ein Kind haben.«

      »Sehen Sie, sie ist schon Mutter,« sagte der Arzt zu dem Offizier, indem er sein Pferd beim Zügel nahm.

      »Leben Sie wohl, Monsieur Benassis,« sagte die junge Frau. »Meinen Mann wird es recht betrüben, nicht dagewesen zu sein, wenn er erfährt, daß Sie hier waren.«

      »Hat er nicht vergessen, mir meine tausend Ziegel nach der Grange-aux-Belles zu schicken?«

      »Sie wissen doch, daß er alle Aufträge aus dem Bezirke hintansetzen würde, um Ihnen zu dienen. Ach, sein größter Kummer ist's, Ihnen Ihr Geld abnehmen zu sollen; doch ich sag' ihm, daß Ihre Taler Glück bringen, und das stimmt.«

      »Auf Wiedersehn!« sagte Benassis.

      Die drei Frauen, der Fuhrknecht und die beiden Arbeiter, die aus den Werkstätten herausgekommen

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