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Verneigung verließ der Beamte den Raum. Verwundert betrachtete Tredrup den zusammengefalteten Zettel. Ein Zirkusprogramm? Er trat unter die Lampe, entfaltete das Papier und begann zu lesen, was auf der Rückseite geschrieben stand. Es war eine kurze Notiz, in spanischer Sprache geschrieben.

      Tredrup wendete das Blatt hin und her. Es zitterte in seiner Hand. Er besah es von allen Seiten, und seine Augen kehrten zu den wenigen Zeilen zurück. Wieder glitten seine Blicke über den Text. Dann ließ er das Blatt sinken und stand starr, wie geistesabwesend. Bilder schienen an ihm vorüber zuziehen. Der Kanal … der Kanal von Panama … das kleine Montegna … Juanita … und da war Guy Rouse … Guy Rouse …

      Seine Rechte ballte sich zur Faust. Ein tiefes Atemholen, dann gab er sich einen Ruck. Mit langsamen Schritten kehrte er an seinen Platz zurück.

      Uhlenkort hatte mit Staunen und Teilnahme die kurze Szene beobachtet.

      »Bekamen Sie eine unangenehme Nachricht, Herr Tredrup?«

      Tredrup schob ihm das Blatt zu. Die wenigen auf der Rückseite des Programms gekritzelten Worte lauteten: »Hüte dich! Denke an Montegna!« Ein einfaches J war die Unterschrift.

      »Ihnen droht eine Gefahr, Herr Tredrup. Kann ich Ihnen nützlich sein?

      Soweit es in meinen Kräften steht, stelle ich mich Ihnen zur Verfügung.«

      Tredrup richtete sich auf, wie aus einem schweren Traum erwachend.

      »Eine kurze Geschichte … wie sie in der Welt tausendmal passiert. Ich war bei den Arbeiten am Panamakanal tätig. Ich war wie hier Ingenieur … Mineningenieur bei den großen Bohrungen.«

      Uhlenkort merkte auf und sah ihn mit gesteigertem Interesse an.

      »Sie waren auch bei den großen Bohrungen am Panamakanal mit tätig?«

      Tredrup nickte.

      »Zwei Jahre war ich da unten und wäre heute noch da, wenn nicht eben diese kleine Geschichte seinerzeit passiert wäre.«

      Er schob seinen Krug beiseite und rückte näher an den Tisch heran.

      »Ja, da war ich … und da war ein alter Mann, ein Mexikaner … ein Bohrmeister aus meiner Abteilung, und da war dessen Tochter …

      Juanita. Auch außerhalb der Arbeitsstunden kam ich häufig mit dem alten Alameda zusammen. Kam auch in sein Häuschen, das ein paar Kilometer von der Kanalstrecke landeinwärts lag und das er mit seiner Tochter Juanita zusammen bewohnte.

      Juanita war damals achtzehn Jahre … Was soll ich Ihnen weiter sagen … Schön und rein wie der junge Morgen. Wir liebten uns! … Ja, wir liebten uns …«

      Ein kurzes ironisches Lachen verzerrte seinen Mund.

      »Liebten uns, bis er kam … er … dieser Rouse. Der große Rouse! … Sie kennen ihn …«

      »Mr. Guy Rouse!« Walter Uhlenkort beugte sich weit vornüber …

      »Rouse, der Präsident der neuen Kanalgesellschaft?«

      »Derselbe … Seine Leidenschaft beschränkt sich nicht auf seine Milliarden allein. Sie kennen ihn? … Seine faszinierende Person! Seine Gabe, sich jedes Wesen gefügig zu machen, das er irgendwie zu gebrauchen gedenkt, versagte auch hier nicht. Wie er es fertig brachte … ? Er brachte es fertig … eines Tages war Juanita verschwunden, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen. Alle, die sie kannten, waren ratlos. Ihr Vater, der alte Pedro Alameda, war verzweifelt. Man dachte an einen Unglücksfall. Es bot sich damals in den Sprengfeldern des Kanalgebietes mehr als eine Gelegenheit dazu.

      Ich allein ahnte sofort, was geschehen war! Die Nachforschungen, die ich im geheimen anstellte, bestätigten es. Sie war ein Opfer von Guy Rouse geworden. Ich versuchte, zu ihm vorzudringen. Es gelang nicht.

      Ich stellte ihn auf der Straße, als er in seinen Kraftwagen steigen wollte.

      Ich sagte ihm die Wahrheit ins Gesicht. Er leugnete … lächelnd.

      Dies Lächeln brachte mich zur Raserei. Ich schlug zu, mitten in das Lächeln hinein. Er taumelte. Ich floh! … Nicht aus Furcht … Juanita wollte ich suchen … Ich fand sie bald, er hatte sie nicht versteckt, wie ich glaubte … nein! Ich fand sie an seiner Seite als große Weltdame.

      Seine Geldmacht genügte auch hier, um alle Mäuler verstummen zu lassen. Ich sah sie als seine Begleiterin bei Festen, umschwärmt von einer Schar von Verehrern aus den besten Kreisen … lachend und froh …

      Ich gab sie auf … Weg von allem, was an Juanita erinnern konnte … Am Tschadsee konnte man Leute wie mich gebrauchen, und mir kam es gelegen. Ich war der Welt reichlich müde. Die Enttäuschung war zu niederschmetternd gewesen.

      Seit drei Jahren sitze ich nun an dem verteufelten Schacht, komme selten mal weg von da, nach Timbuktu meistenteils … glaubte vergessen zu haben, glaubte auch mich vergessen … und jetzt. Da!«

      Er schlug auf das Blatt.

      Uhlenkort antwortete: »Wenn ich richtig vermute, sind Juanita und Guy Rouse hier in Timbuktu. Sie haben Sie gesehen. Die Warnung kommt von Juanita. Was werden Sie tun?«

      »Ich werde … Ich weiß noch nicht! … Erst klaren Kopf … den werde ich morgen früh haben … Gehen wir jetzt?«

      »Ich bin bereit! Ich wohne im Hotel Astoria. Und Sie?«

      »Nicht weit davon … In dem Millerschen Boardinghouse. Wir haben denselben Weg.«

      Draußen empfing sie die Kühle der Nacht. Tredrup zog seinen Hut und strich sich durch das volle Blondhaar. Ihr Weg führte über die breite Esplanade, die sich vom kaiserlichen Schloss nach dem Augustus-Park hinzog. Neue Nachrichten des Pressedienstes. Die Riesenfront des Astoria-Hotels schien in Flammen zu stehen. In allen wichtigen Weltsprachen flackerten die Nachrichten in Leuchtschrift über die Fassade.

      »Paris, den 18. März, 8 Uhr abends. Krawalle vor der amerikanischen Botschaft. Polizei vermochte nur mit Mühe die erregte Menge am Eindringen zu verhindern. Deputierte aus der Normandie und der Bretagne halten aufreizende Reden an die Massen. Verlangen Übersendung scharfer Protestnote an die USA wegen der geplanten Sprengungen.«

      »Bern, den 18. März, 8 Uhr 25 Min. abends. Die Sitzung des europäischen Parlaments beginnt morgen Vormittag um 9 Uhr.«

      »New York, 2 Uhr 30 Min. amerikanischer Zeit. Die Aktien der New Canal Company. fielen an der Nachtbörse um zehn Punkte.«

      Das Licht erlosch.

      »Na, allerhand Neues.«

      »Aber wenig Schönes.«

      »Jedenfalls nichts vom Augustus-Schacht. Vielleicht war es eine Ente mit der Feier des sechsten Kilometers. Gute Nacht, Herr Uhlenkort. Es bleibt bei unserer Verabredung.«

      »Jawohl, hier oder in Mineapolis!«

      Im Arbeitskabinett des Kaisers saßen der amerikanische Botschafter Mr. Bowden und Guy Rouse am Teetisch. Augustus Salvator stand am Schreibtisch, über eine Karte gebeugt, einen kleinen Zirkel in der Hand.

      »Der Plan Ihrer Admiralität wäre nicht übel, wenn nicht …«

      Bei diesen Worten richtete er sich auf und ging auf die beiden Amerikaner zu.

      »… wenn nicht ein Faktor außer acht gelassen wäre, den ich allein und der Chef meines Stabes kennen … immerhin ist der Plan der Beachtung wert. Auch liegt mir an dem guten Willen, den Ihre Regierung meinen Absichten entgegenbringt. Der Krieg mit Südafrika ist unvermeidlich, wird unvermeidlich, meine Herren, wenn – beachten Sie –, ich sage wenn, denn – ich werde ihn zu vermeiden suchen.

      Wenn die Südafrikanische Union mir in der Eingeborenenfrage jedoch nicht nachgibt, ich will sagen, nicht entgegenkommt … Die Unterstützung Ihrerseits durch Kaper-U-Boote ist zweifellos nicht bedeutungslos. Die wenigen und leider noch wenig bewehrten Seehäfen meines Landes werden durch euro … feindliche …«

      Mit leichtem Hüsteln unterbrach er die Rede »… Blockade lahm gelegt.«

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