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nie erreichte Tiefe von 6.Meter anfahren wird.«

      Nachdrängendes Publikum nötigte Walter Uhlenkort, seine Blicke wieder dem Boden zuzuwenden. Er schritt den Rundgang weiter entlang zu seiner Loge. Ein Schließer überreichte ihm Theaterglas und Programm. Zwischen zwei schwarzen Gentlemen hindurch, welche die beiden hinteren Plätze der Loge einnahmen, trat er zu dem freien Platz vorn rechts, grüßte mit leichtem Kopfnicken den weißen Nachbarn zur Linken und vertiefte sich mit Interesse in das Programm …

      »Grand Circus Webster Brothers

       Timbuktu, den 18. März Große Gala- und Eröffnungsvorstellung Auftreten sämtlicher Künstler und Spezialitäten Die berühmtesten Artisten der Welt! Erstklassiges Pferdematerial. Großartige Raubtierdressuren in nie gesehener Vollendung …«

      Uhlenkorts Blick zuckte über die einzelnen Nummern des Programms und blieb bei der vierten haften: »Miss Arabella Simson, die beste Schulreiterin der Welt, auf ihrem englischen Vollbluthengst Cohinor …«

      Er ließ das Blatt sinken und starrte sinnend in die leere Manege. Die rauschenden Klänge der eben einsetzenden Zirkusmusik rissen ihn aus seinem Nachdenken. Noch einmal wanderten seine Augen über das exotische Publikum des Zuschauerraums. Dann betrachtete er seinen Nachbarn zur Linken. Ein hageres, bartloses Gesicht, tief gebräunt von der afrikanischen Sonne.

      Walter Uhlenkort schaute auf seine Uhr und warf einen Blick auf die leere Hofloge.

      »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige … aber hierzulande sind sie noch nicht soweit«, klang es leise in englischer Sprache aus dem Mund seines Nachbarn. »Es scheint so«, gab Uhlenkort mit leisem Lächeln zurück.

      »Wird aber wohl nicht mehr lange dauern, taxiere ich, die Diplomatenlogen beginnen sich zu füllen. Da drüben links … der Botschafter des Europäischen Staatenbundes … da tritt er eben ein …

      Seine Exzellenz Dührsen, wenn Sie’s interessiert … oder kommen Sie nicht aus dem alten Europa?«

      »Richtig geraten …«

      Jäh brach die Musik ab, und ebenso jäh verstummte das lebhafte, schwatzende Publikum. Alle Blicke richteten sich auf die Hofloge, in die soeben der Oberhofmarschall getreten war.

      Dreimaliges Aufstoßen seines Stabes. Aufpeitschende Rhythmen der afrikanischen Nationalhymne …

      Mit einem Ruck erhob sich das Publikum und stimmten die Melodie ein.

      Die Türen im Hintergrund der Hofloge flogen auf. Inmitten eines glänzenden militärischen Gefolges trat der Kaiser in die Loge. Schritt nach vorn, blieb an der Brüstung stehen und dankte mit leichtem Kopfneigen für die Ovationen des Publikums. Erst als die Nationalhymne verklungen war, ließ er sich nieder, und das Publikum folgte seinem Beispiel.

      »Sankt Pauli is gor nix dagegen«, brummelte Uhlenkorts Nachbar beim Niedersetzen vor sich hin. Diese Worte, die in unverfälschtem Hamburger Dialekt sein Ohr trafen, ließen Uhlenkort den Kopf wenden.

      »Auch von Hamburg?«

      »… auch?«

      Der drehte sich nun voll um und sah Uhlenkort prüfend an. »… auch Hamburg … freut mich riesig. Waterkant hatte ich ungefähr taxiert.

      Trifft man sich nicht am Jungfernstieg, dann sieht man sich in Timbuktu.«

      Mit freudig blitzenden Augen reichte er Uhlenkort die Rechte, und vergnügt lachend schlug der ein.

      »Das nenne ich Glück. Kommt Klaus Tredrup mit drei Tagen Urlaub von dem Höllenschacht am Tschadsee und trifft gleich am ersten Tag einen Landsmann.«

      »Meine Freude ist nicht minder groß, einen Hamburger zu treffen, der hier Bescheid zu wissen scheint.«

      »So etwas, Herr Nachbar …«

      »Uhlenkort.«

      »Uhlenkort? Jacob Jeremias Uhlenkort & Söhne? Ah … !«

      Lebhafter Beifall unterbrach ihr Gespräch. Sie sahen noch eben eine blonde Panneaureiterin in den Sand springen und mit lächelndem Gesicht und Kußhänden für den Beifall danken.

      »Schweinerei, verdammte! Man möchte am liebsten dem ganzen Dreck den Rücken kehren. Müssen die armen Luder hier ihr weißes Fleisch zur Schau stellen … und dann noch mit Kußhänden dafür danken, daß sie Gefallen gefunden haben in den Augen der …«

      »Pst! Nicht so laut, Landsmann«, unterbrach ihn Uhlenkort.

      Unwillkürlich zuckte Klaus Tredrup zusammen. »Verdammt! Sie haben Recht! Die deutsche Sprache ist hier nicht so unbekannt, wie mancher denkt – und Spione gibt es mehr als genug.«

      Ein paar Clowns kugelten in die Arena und entfesselten ein Freudengewieher der schwarzen Zuschauer.

      »Noch ein Wort, Herr Uhlenkort. Bleiben Sie noch etwas in Timbuktu?«

      Uhlenkort nickte.

      »Heute Abend frei?«

      Abermals ein zustimmendes Nicken.

      »Ausgezeichnet! Verschieben wir unser Palaver bis nach Schluß der Vorstellung.«

      »Meinetwegen schon nach der ersten Pause.«

      »Recht so! Ich schlage vor beim Obermoser. Da gibt’s ein Pschorr, gut gekühlt und frisch vom Fass.«

      Die vierte Nummer des Programms war jetzt an der Reihe. Die Schulreiterin Miss Arabella Simson auf einem wundervollen Vollblut, das ein Stallmeister am Zügel in die Manege führte.

      Klaus Tredrup schien von der Reitkunst dieser Dame nicht über die Maßen begeistert zu sein. Mit einer Bemerkung auf den Lippen wandte er sich an seinen Nachbarn und sah, daß dieser seine Brieftasche auf den Knien entfaltet hatte, daß seine Augen zwischen einer kleinen Fotografie und der Schulreiterin hin- und hergingen. Er unterdrückte, was er sagen wollte, und wartete.

      Mit jähem Ruck schob Uhlenkort das Bild in die Brieftasche zurück.

      »All right, mir soll es recht sein!«

      Gerade als die beiden Hamburger sich von ihren Plätzen erhoben, trat ein anderes weißes Paar in eine schräg gegenüberliegende Loge ein. Ein Herr und eine Dame, beide in großer Abendtoilette.

      Der Herr, Ende der Dreißiger, eine hoch gewachsene Gestalt, groß und mager, mit einem schmalen, langen Gesicht. Die dünnen, rotblonden Augenbrauen wölbten sich über hellgrauen Augen. Ein nervöses Blinzeln ließ die Augen sich häufig schließen. Um die schmalen, dünnen Lippen lag ein leises Lächeln.

      An den Börsen von New York und Chikago kannte man dieses stete Lächeln, und man fürchtete es. Auch Klaus Tredrup wäre nicht so seelenruhig, wie er es jetzt tat, aus dem Zirkus geschritten, wenn er diese Züge noch erkannt, seinen alten Widersacher und Rivalen Guy Rouse hier gesehen hätte.

      Aber Guy Rouse sah den Hamburger, drehte sich blitzschnell um und flüsterte dem Logendiener ein Wort zu. Dann eilte er zu seiner Dame, die, unbeirrt von den vielen Gläsern und Blicken, die sich auf sie richteten, an der Brüstung stand, und half ihr aus dem Abendcape. Das Aufsehen, das sie erregte, war wohl berechtigt. Juanita Alameda war in der Tat eine blendende, eine vollkommene Schönheit. Die tadellose Figur mit höchster Eleganz gekleidet.

      Als Guy Rouse sich eben setzen wollte, trat ein schwarzer Gentleman in unauffälliger Kleidung an ihn heran. Ein paar geflüsterte Worte von Seiten des Amerikaners, ein kurzes Nicken des Schwarzen, der sich daraufhin sofort wieder entfernte.

      Guy Rouse ließ sich nieder und nahm das Opernglas vor die Augen. Er richtete es auf die Vorgänge in der Manege. Aber hinter den Okularen des Glases wandten sich seine Augen scharf zur Seite zu seiner Nachbarin hin. Die schien interessiert den Jockeikünsten dort unten zu folgen.

      »Findest du nicht auch, Juanita, daß der Besuch hier außerordentlich lohnt? Man sieht doch recht Interessantes!«

      »Wie meinst du das?«

      »Nun! Ist

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