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Isenbrandt nahm das Wort:

      »Ihre Besorgnis ist unbegründet. Mr. Garvin. Die wirtschaftliche Entwicklung wird auf Grund der neuen Entdeckungen einen derartigen Lauf nehmen, daß Europa einen bedeutenden Bevölkerungsüberschuß abgeben kann. Wir müssen in Turkestan viel Neuland für die Nachkommen unserer Siedler in Reserve halten. Australien als weiteres Siedlungsland ist uns erwünscht, muß uns willkommen sein. Die Patenstelle, die Freund Fox dort übernimmt, gibt ihm eine Aufgabe von größter Bedeutung. Ich weiß, daß seine Worte über das große australische Geschäft Scherze à la Wellington waren. Hier gilt es mehr. Australien soll ein Jungbrunnen der weißen Rasse werden.«

      Atlantis

       Inhaltsverzeichnis

      Das Kohlenschiff »Christian Harlessen« lag fünf Kilometer südlich von Black Island vor Anker. Fünftausend Pferde Maschinenkraft, viertausend Tonnen Wasserverdrängung. Heimathafen Hamburg, Reeder Jacob Jeremias Uhlenkort & Söhne.

      Fröstelnd schob sich der Wachtmann, die einzige lebendige Seele auf Deck, an der Reling entlang. Mechanisch ließ er den Blick bisweilen über das Meer gleiten, gelegentlich war Treibeis zu sehen. Noch verwehrte ein dünner Nebelschleier die Sicht.

      Ein lichter Schimmer von Osten her kündete das aufsteigende Tagesgestirn. Schärfer blickten seine Augen. Von Minute zu Minute wurde die Luft sichtiger.

      Am Vordersteven machte er halt. Sein Blick war nach Norden gerichtet, wo Black Island liegen mußte. Da … er stand … und stand.

      Langsam löste er seine Hände aus den Taschen und fuhr sich über die Augen. Dann packten seine Fäuste die Reling. Sie umklammerten sie, als ob sie das starke Stahlrohr zerquetschen wollten. Black Island? … War das die Insel Black Island? Land … das war Land … ja, das war Land … was sich vor ihm ausbreitete.

      Seine Lippen bewegten sich, als wollten sie schreien. Die weit geöffneten Augen stierten geradeaus. Doch! Da war Black Island … Da war es ja … aber … aber viel näher! Viel größer … und es wurde … immer größer … immer höher.

      Die zerklüfteten Felsspitzen der Insel, im hellen Sonnenschein gegen die schwarzen Wolken im Hintergrund … schienen taumelnd in die Höhe zu streben. Das Vorland, nach allen Seiten wuchs es mit. In immer weiteren Kreisen dehnte sich der Strand, schien auf das Schiff hinzulaufen. Da lösten sich seine Hände … Sie schlugen sich vor das Gesicht, das sich wie zur Flucht abwandte. Er stürzte fort. Ein Schrei wie der eines Menschen aus tiefster, verzweifelter Not gellte über Deck.

      »Land! … Land! … Land kommt! Land ahoi!« Der Wachtmeister riß die Luke zum Quartier auf. »Land ahoi!« brüllte er in den Raum.

      Die Gestalt des Ersten Steuermanns schob sich die Treppe hinauf.

      Bevor er die oberste Stufe erreichte, krallten sich zwei Hände in seine Schultern. Der Schrei gellte ihm in die Ohren.

      »Land voraus … Land ahoi! … Land kommt über uns.« Mit einem Ruck schüttelte der Steuermann ihn von sich. »Was? … Was schreist du … Land? … Land ahoi? … Bist du verrückt geworden?«

      Seine Augen folgten dem ausgestreckten Arm, der nach Norden zeigte.

      »Land ahoi, Steuermann!«

      Der Steuermann taumelte zurück.

      »Land ahoi!« schrie es von seinen Lippen. »Anker auf! … Anker auf! … Motoren klar!«

      Die Deckleute stürzten nach oben.

      »Anker auf!« brüllte der Steuermann und lief zur Brücke. Knatternd setzte sich die Motorwinde in Bewegung. Klirrend und rasselnd fuhr die Ankerkette durch die Klüse. Der Maschinentelegraf klang schrillend.

      Die Schiffsmotoren sprangen an.

      »He, Steuermann! Was ist? … Was soll’s?« Der Kapitän stand auf der Brücke und riß den Steuermann am Arm. Der fuhr herum. »Land!

      Kapitän … Land kommt …«

      »Land kommt?« murmelten die Lippen des Kapitäns. Sein tief gebräuntes Gesicht war erblaßt. Mit unruhigen Händen hob er das Glas.

      Sah, wie das Land da vor ihm wuchs – Black Island … in die Höhe … in die Breite … sah, wie es auf sie zukam … näher … und immer näher.

      »Ruder backbord! Hart backbord! Volle Fahrt voraus!«

      Der Steuermann schrie es.

      »Volle Fahrt voraus!«, der Kapitän rief es nach. Der Schiffsrumpf erzitterte, das Schiff kam in Bewegung. Es gehorchte dem Steuer und floh … floh vor dem wachsenden Land. Voll Grauen hingen die Blicke der Mannschaft an den steigenden Felsen, an dem Land, das sie zu verfolgen schien, das ihre Augen und Sinne verrückt machte.

      Bis die Entfernung immer größer wurde, bis das Phantom im Nebel entschwand. Bis die Kehlen wieder frei wurden, die Lippen sich wieder zu bewegen vermochten … zu flüstern, zu sprechen über das Niegesehene … Nieerlebte. »Volle Fahrt voraus!« so fuhren sie … und fuhren, bis sie an der Mole von Wibehafen festmachten. Der Hafenkommandeur sah die verstörten Gesichter und nahm die Mannschaften der Reihe nach vor. Die sahen mit Augen, die in die Ewigkeit blickten. Erzählten von dem gespenstischen Land, das vor ihren Augen aus der See wuchs … und wie sie vor dem flohen. Da ließ er sie. Wandte sich ab und schickte das Regierungsschiff. Das fuhr und kam nach Black Island. Und sie sahen es daliegen. Wie ein Turm über dem Kirchdach lag die alte Insel auf einer neuen, viel größeren, die hier aus den Fluten gestiegen war.

      In langsamer Fahrt, immer wieder lotend, umsteuerte das Schiff das neue Land. Tausend Quadratkilometer waren, wo vordem hundert Quadratkilometer aus der See ragten. Sie kamen nach Wibehafen zurück und berichteten, was sie gesehen hauen. Und dann begannen Radiosender und Telegraf zu spielen und meldeten der Welt, was geschehen war.

      Überraschend war das Bild, das sich den Augen Walter Uhlenkorts bot, als er in das Riesenrund des Zirkus trat. So überraschend, daß er stehen blieb, ohne den harrenden Logenschließer zu beachten.

      Wohl war es in der Sache das gleiche, was er schon in so manchem anderen großen Zirkus der Welt gesehen hatte. In den Logen die beste Gesellschaft, stark durchsetzt mit Offizieren in glänzender Uniform. Im ersten Rang das bessere Bürgerpublikum, in den weiteren Reihen nach oben hin abstufend Mittelstand und schließlich die Galerie zum Brechen überladen …

      Wären nur nicht die schwarzen Gesichter des Publikums gewesen.

      Eine vieltausendköpfige schwarze Menge, in der die wenigen Weißen fast völlig verschwanden. Gewiß … er konnte hier in Timbuktu, der Haupt- und Residenzstadt des schwarzen Kaisers Augustus Salvator von Zentralafrika, kaum ein anderes Publikum erwarten. Immerhin blieb ein Eindruck, der für sein Europäerauge ans Groteske grenzte. Diese Hypereleganz der nach neuestem amerikanischen Schnitt gekleideten Logenbesucher … die gold- und silberstrotzenden Uniformen der Offiziere … die kostbaren Abendtoiletten der ebenholzfarbenen Damen in den Logen … und dann mit zunehmender Sitzhöhe abnehmende Bekleidung, die schließlich an der Galerie beim Lendenschurz endete … das alles gab ein Bild, das gleichzeitig verblüffend und erheiternd auf ihn wirkte. Minuten verstrichen, bevor er sein Auge von dieser Szenerie lösen konnte.

      Die plötzlich einsetzende Lichtflut des Pressedienstes gab seinen Augen eine andere Richtung. An der Decke über der mächtigen Arena erschienen in feurigen Buchstaben die neuesten Nachrichten aus aller Welt. Automatisch las er die leuchtenden Texte.

      »Spitzbergen, den 18. März. Jubiläum des zwanzigjährigen Bestandes der Vereinigten Arktischen Kohlengruben. Seit der Eröffnung verzehnfachte Ausbeute. Förderung in der ersten Hälfte des März zum ersten Mal fünfundzwanzig Millionen Tonnen …«

      »London, den 18. März, 6 Uhr abends. Aus Anlaß der von Amerika beabsichtigten Großsprengung einer neuen Kanalroute in Panama ist es in mehreren schottischen Städten zu Demonstrationen gekommen …«

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