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im eigenen egoistischen Interesse zu lenken.

      Seine Kontore sind Generalstabszimmer geworden. Seine Wirtschaftsschlachten sind opferreicher als die blutigsten Kämpfe vergangener Zeiten, wenn auch keine amtliche Verlustliste die Zahl der Opfer meldet. Aber er ist blind! Er sieht nicht die Grenzen, die jeder Macht gezogen sind. Der Rückschlag muß kommen … der Zeitpunkt ist nicht fern.

      Neues Geld durch Macht! Größere Macht durch Geld! Das ist seine Devise. Ebenso falsch und schädlich wie jene andere: Krieg durch Macht! Neue Macht durch Krieg … Meine Feinde nennen mich den ›Schwarzen Napoleon‹ den gefürchteten und gehaßten. Wie wenige sind es, die mir gerecht werden!

      Was war sein Ziel? Was ist meins?

      In unersättlicher Machtgier verschlang Napoleon ein Land nach dem anderen, bis er an Rußland erstickte. Was tat ich? Ich kämpfte den Kampf meines Volkes gegen die weißen Beherrscher. Den Kampf um die Freiheit nach jahrhundertelanger Bedrückung. Das war die erste Tat!

      Die befreiten Länder habe ich zu einem Reich zusammengerafft, denn nur ein geeintes Volk kann sich behaupten. Das war die zweite Tat!

      Die dritte … gleichberechtigt in der ganzen Welt sollen die Schwarzen mit den Weißen sein! Das, das allein veranlaßt den Konflikt mit Südafrika. Die Weißen aus Südafrika vertreiben? Es meinem Reich angliedern? Ich denke nicht daran. Aber die Gleichberechtigung will ich … gutwillig … oder mit Gewalt.

      Das ist mein letztes Ziel. Mit ihm stehe oder falle ich. Meine Feinde mögen mich verleumden, wenn nur die Geschichte mir eines Tages gerecht wird.«

      Er drückte auf einen Knopf. Der Adjutant erschien. »Den Kriegsminister!«

      Am Morgen des folgenden Tages saß Uhlenkort in seinem Hotelzimmer beim Lunch und überflog die ersten Ausgaben der Lokalblätter. Den größten Teil der Spalten beanspruchten die Nachrichten über die bevorstehende Feier am Tschadsee. Jetzt blieb sein Auge auf einer kurzen, gesperrt gedruckte Notiz am Schluß des Blattes hängen:

      »Spitzbergen, den 18. März. Amtlich wird bekannt gegeben: Die Insel Black Island, auf 77 Grad 14 Minuten nördlicher Breite, 12 Grad 23 Minuten östlicher Länge, ist am 17. März, morgens gegen 5 Uhr, in aufsteigende Bewegung geraten. In der folgenden Stunde hat sich das Eiland um das Zehnfache vergrößert. Ein in geringer Entfernung vorüberfahrendes Schiff hat den Vorgang zum größten Teil beobachten können. Vulkanausbrüche und Seebeben wurden nicht bemerkt. Die Regierung beabsichtigt, eine Gelehrtenkommission zur Ergründung der rätselhaften Vorgänge dorthin zu entsenden.«

      Uhlenkort ließ die Zeitung sinken. Seine Gedanken wanderten. Er wußte wohl, daß Black Island nur fünfzig Kilometer westlich von Spitzbergen lag. Er sah das kleine, unbedeutende Eiland. Er sah ein neues, viel Größeres aus den Eingeweiden der Erde nach oben getrieben werden … Seine Gedanken liefen weiter. Er sah Spitzbergen. Er sah die großen Kohlengruben. Er sah die Schächte wie Nadelstiche, wie Kapillarröhren in den Leib der Erde eindringen, sah sie zerdrückt zusammenbrechen. Alles verschüttend, was Menschenhand in zwei Jahrzehnten dort geschaffen hatte.

      Er sprang auf und durchmaß mit großen Schritten das Zimmer.

      Seine Gedanken hetzten sich. Bald glaubte er sich durch die Worte »ohne vulkanische Ausbrüche und Seebeben« über die Sorgen hinwegtäuschen zu können. Bald wieder sah er im Geiste die schlimmsten Dinge. Konnte sich nicht, was bei Black Island geschehen, in jeder Stunde mit Spitzbergen wiederholen? Katastrophen von kaum auszudenkender, unbeschreiblicher Größe malten sich vor seinen Augen. Das Gefühl, den kommenden Dingen ohnmächtig gegenüberstehen zu müssen, drückte ihn zu Boden.

      Wie hatte die Nachricht in Spitzbergen gewirkt? Wie sah es dort aus?

      War der Minenbetrieb eingestellt?

      Er nahm die Zeitung wieder auf und las noch einmal die Zeitangabe dieser Nachricht. Also vor sechsunddreißig Stunden war das. Noch keine direkte persönliche Nachricht von der Grubenleitung.

      Keine Nachricht von ihm? Ich verstehe nicht. Bleibt nur die Erklärung, daß es gut steht. Er trat zum Tisch und ergriff das Telefon.

      »Keine Post für mich?«

      »Soeben, Herr Uhlenkort, zwei Telegramme.«

      Noch bevor er den Hörer ablegte, warf das pneumatische Rohr zwei Telegramme auf den Schreibtisch. Er riß das Erste auf, warf es zur Seite.

      »Nichts!«

      Er öffnete das Zweite:

      »Spitzbergen, den 18.3. Uhlenkort, Timbuktu. Keine Gefahr. 89.«

      Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ er sich in den Schreibtischsessel fallen. Von ihm selbst. Von J. H.! Gott sei Dank! Er ließ das Telegramm fallen und griff nach dem anderen:

       »New York, den 17.3. Zentralbüro Pinkerton. Erste Auskunft überholt.

       Angefragte nicht Timbuktu, sondern Kapstadt, Zirkus Briggs.«

      Er faltete das Telegramm zusammen und zog seine Brieftasche. Dabei fiel sein Auge auf zwei Schriftstücke, die ebenfalls den Kopf »Pinkerton« trugen.

      Ein Telegramm: »Angefragte mit Zirkus Webster, Timbuktu.«

      Er ließ es fallen. Das zweite Schreiben in engster Typenschrift:

      »Angefragte Miss Christie Harlessen kam von Colon am Kanal mittellos nach Milwaukee. Verwandte mütterlicherseits, die sie dort aufsuchen wollte, waren gestorben. Traf dort einen Reiter des Zirkus Webster, der früher auf der Hazienda ihres Vaters am Kanal Cowboy war. Rat- und mittellos, nahm sie dessen Vorschlag an und trat in das Ensemble von Zirkus Webster ein. Ihre außerordentliche Reitkunst, auf der Hazienda des Vaters von Jugend auf erworben, bot die geeignete Grundlage für ihren neuen Beruf. Ihre großartigen Leistungen machten sie in kurzer Zeit zu einer ersten Attraktion des Zirkus. Zirkus Webster ging von Milwaukee nach Philadelphia. Weiter nach Boston. Hat die Absicht, nach Afrika überzusetzen.«

      Walter Uhlenkort öffnete ein anderes Fach seiner Brieftasche und entnahm ihm eine kleine Fotografie. Mit einer Miene des Bedauerns und der Teilnahme betrachtete er das Bild.

      Ein junges und doch ausdrucksvolles Gesicht. Echter Harlessen-Typ.

      Dem Bild der Urahne Harlessen, der schönen Christiane, wie aus dem Gesicht geschnitten.

      Armes Mädel! Schlimmes Schicksal für eine Harlessen …

      Zirkusreiterin! Eine Tochter des Hauses Harlessen, dessen Chef zurzeit europäischer Staatspräsident ist. Wie konnte das geschehen? Alte Erinnerungen, alte Familiengeschichten gingen Walter Uhlenkort durch den Kopf.

      Mit einer Handbewegung verjagte er die Gedanken, werden sehen. Sie ist in Kapstadt. Dort werde ich sie sehen und sprechen, in Kapstadt … aber erst – er warf einen Blick auf die Wanduhr –, erst die Feier in Mineapolis. Es ist Zeit, zu unserem Gesandten zu gehen.

      Bern hatte einen großen Tag. Außer den Mitgliedern des europäischen Parlaments und einer Unzahl von Journalisten waren zahlreiche Deputationen aus den nordischen Ländern Europas eingetroffen und überfüllten die Stadt.

      Seit elf Uhr vormittags drängte sich eine immer noch wachsende Menge um den Parlamentspalast. Seit gestern nachmittag war das amerikanische Botschaftsgebäude von einem starken Polizeikordon umgeben. Der große Sitzungssaal war vollzählig besetzt, die Tribünen überfüllt. Unter allgemeiner Unaufmerksamkeit der Deputierten und wachsender Ungeduld der Tribünen waren die reichlich gleichgültigen ersten drei Punkte der Tagesordnung erledigt worden.

      Die Pause war vorüber, und die Deputierten strömten wieder in den Saal. Unter lautloser Stille und gewaltiger Spannung aller Besucher verkündete der Präsident des Parlaments die Beratung des vierten Punktes der Tagesordnung.

      Der Sprecher des Parlaments erhielt danach das Wort.

      »Meine Herren! Es liegt folgender Antrag der skandinavischen Staaten und der großbritannischen Inseln vor. Der Antrag wird von allen europäischen Staaten unterstützt. Die unterzeichneten Staaten erheben einmütigen Protest gegen die Art und

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