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einer Übung im Gebirge kehrten die Truppen zurück.

      Vielleicht hatte Wellington Fox doch in einer Beziehung recht, als er einmal die European Settlements Company mit der südafrikanischen Chartered Company des neunzehnten Jahrhunderts verglich. Wie diese einst in den großen afrikanischen Gebieten, so unterhielt die E. S. C. hier im Herzen Asiens, in den östlichen Teilen der Siedlungsgebiete, ein kleines, aber ausgesuchtes und schlagfertiges Heer. Normalerweise nur für die Aufrechterhaltung der Ordnung und den Schutz der Siedler gegen zufällige Räubereien bestimmt. Im Notfall aber auch der erste Prellbock gegen einen offenen Angriff, bis die reguläre europäische Waffenmacht zur Stelle war.

      Die wirtschaftliche Autonomie der Siedlungsgebiete bedingte auch den Selbstschutz. Im Innern der Gebiete, soweit sie nicht unter russischer Hoheit geblieben waren, durch eine Siedlermiliz. An den Grenzen durch jene Berufstruppe.

      Nachdem die europäischen Bürgerkriege, wie man jetzt die früheren Streitigkeiten der europäischen Nationen ironisch nannte, aufgehört hatten, war nur hier noch eine der wenigen Möglichkeiten, gelegentlich Pulver zu riechen. So traf sich unter den Fahnen der Kompagnie viel von dem alten guten Soldatenblut Europas. Kameradschaftlich dienten hier die Urenkel berühmter europäischer Heerführer, die einst schwere Schlachten gegeneinander geschlagen hatten.

      Das Flugzeug Isenbrandts landete auf dem Flugplatz des Lagers. Das Kompagniewappen, das groß und weithin sichtbar seine Flanken zierte, erlaubte es ihm, die Lagergrenzen zu überfliegen und hier niederzugehen. Auf die Meldung des Wachthabenden am Lagertor erschien ein Adjutant des Generals Effingham, des Oberstkommandierenden der Kompagnietruppen. In seiner Begleitung gingen sie zur Wohnung des Generals.

      Wellington Fox blieb mit dem Adjutanten auf dem Vorplatz vor dem Hause zurück. Georg Isenbrandt trat ein und traf im Vorzimmer den Obersten von Bülow, der dem Kommandierenden als Generalstabschef beigegeben war.

      Mit herzlichem Händedruck begrüßte Isenbrandt den ihm seit langen Jahren bekannten Offizier. Er wußte, daß der lieber heute als morgen gegen die Gelben vom Leder gezogen hätte. Aber die Entscheidung darüber lag nicht in den Händen des Obersten.

      »Sie wünschen den Herrn General zu sprechen, Herr Isenbrandt?«

      Isenbrandt nickte. Der Oberst fuhr fort:

      »Schlecht Wetter heute! Der hat sich auf seine alten Tage noch ein paar Skier angeschnallt … Den Knöchel verrenkt. Können Sie Ihren Besuch nicht verschieben?«

      »Nein! Die Sache ist von Wichtigkeit!«

      »Na, dann Hals- und Beinbruch! Wollen Sie mir, bitte, folgen.«

      Wellington Fox und der Adjutant Averil Lowdale saßen in der warmen Frühlingssonne auf ein paar Feldstühlen vor der Baracke des Generals. Die Unterhaltung der beiden schleppte sich nur mühselig weiter. Mochte es sein, daß der Berichterstatter der Chikago-Preß allerlei fragte, was der Adjutant aus militärischen Gründen besser unbeantwortet ließ … oder mochte Averil Lowdale selbst wenig sprechlustig sein?

      Schließlich kam das Gespräch ganz ins Stocken. Wellington Fox betrachtete von der Seite her das verschlossene Gesicht seines Partners. Es verriet ihm noch mancherlei zu dem, was er bereits wußte. Die Affäre Lowdale-Dewey hatte nicht allein für die Upper ten der Union Wochen hindurch den Gesprächsstoff gebildet. Die schwarze Presse hatte das Vorkommnis weidlich ausgeschlachtet. Die gelbe Presse hatte die Affäre mit der älteren ähnlichen Geschichte desselben weißen Adelshauses zusammen behandelt. So waren Wellington Fox alle Einzelheiten dieser Affäre natürlich genau bekannt. Aber jetzt erst hatte er Gelegenheit, den Hauptbeteiligten zu sehen … kennenzulernen.

      Averil Lowdale saß immer noch in tiefe Gedanken versunken und starrte in die Ferne, während die scharfen Ohren des Journalisten bereits Bruchstücke der Unterhaltung aus dem Generalszimmer auffingen. Dort war der Wortwechsel inzwischen recht lebhaft geworden.

      »Zum Teufel mit Ihrer Gespensterseherei! … Das traurige Kirgisengesindel halten unsere Gendarmen in Ordnung …«

      »Sie weigern sich also, Herr General, meinem Ersuchen zu willfahren?«

      Bisher hatte Wellington Fox nur das Poltern des Generals gehört. Jetzt klangen auch die Worte Isenbrandts scharf und schneidend an sein Ohr.

      Einen kurzen Moment schien auch Averil Lowdale aufzuhorchen. Aber er war das Poltern des Generals gewohnt und sank wieder in sein Sinnen zurück.

      »Selbstverständlich weigere ich mich! … Ich denke gar nicht daran, die Milizen aus den Kolonien zu mobilisieren. Wohin sollten wir kommen, wenn ich jedem Abschnittsingenieur einen besonderen Schutz stellen muß … Kirgisenaufstände … Humbug … Macht auf mich keinen Eindruck …«

      »Dann bitte ich Sie, Herr General, dies hier zu lesen … Es wird hoffentlich Eindruck auf Sie machen.«

      »Was soll mir das?! … Was? … Vollmacht!? … Vollmacht?! … Den Wünschen des Ingenieurs Isenbrandt ist unbedingt Folge zu leisten … Folge leisten!?«

      Die Stimme des Generals war im Begriff, sich zu überschlagen.

      »Ich … Der General Effingham! … Folge leisten …«

      Das stiermäßige Gebrüll hatte auch Averil Lowdale aus seiner Apathie aufgerüttelt. Er hielt es für geboten, den Berichterstatter der Chikago-Preß aus der Hörweite der Unterhaltung heranzubringen. Aber seine indirekten Versuche stießen auf außergewöhnliches Nichtverstehen. Wellington Fox hatte viel zuviel zu tun, um noch mit gespitzten Ohren die Antwort Isenbrandts zu erhaschen.

      »Wie Sie denken, Herr General! Wenn Sie es nicht können oder wollen, wird es ein anderer an Ihrer Stelle machen.«

      »Denjenigen meiner Untergebenen möchte ich sehen, der das wagt?!«

      »Herr General, ich ersuche Sie, Ihr Kommando an Herrn Oberst von Bülow abzugeben!«

      »Sind Sie verrückt, Herr?«

      Man hörte, wie zwei Fäuste dröhnend auf die Tischplatte krachten.

      »Ich denke nicht! Bitte, hier! Lesen Sie auch diese Vollmacht!«

      Averil Lowdale hielt es jetzt für angebracht, seinen schwerhörigen Gast mit sanfter Gewalt aus der Reichweite dieses Dialogs zu entfernen.

      Als Erster sprang Georg Isenbrandt aus dem Coupé, als der Zug in den Bahnhof von Kaschgar einfuhr. Mit größtmöglicher Schnelligkeit folgte ihm Wellington Fox. Durch das Gewühl der Passagiere suchten sie den Weg ins Freie.

      »Noch einmal, Georg … Zum letzten Male. Es ist ein bodenloser Leichtsinn, daß du dich hier geradeswegs in die Höhle des Löwen wagst. Kann ich das nicht allein ebensogut ausrichten?«

      »Nein!«

      Während Georg Isenbrandt gleichmäßig weiterschritt, traf ein entschlossener Blick den Freund.

      »Nein! Ich habe es versprochen … Ich halte, was ich versprach.«

      Wellington Fox gab es auf, weiter in ihn zu dringen. Aber seine Hand tastete nervös nach der kleinen wirksamen Waffe in der Rocktasche.

      »All right, Georg! Die Kühnheit ist zu groß, um zu mißlingen. Georg Isenbrandt am hellichten Tage in den Straßen Kaschgars, am Sitze des chinesischen Generalkommandos … Das Stückchen ist nicht übel.«

      Sie durchwanderten Straßen und Gassen und standen vor dem Gartentor des Witthusenschen Hauses. Sie zögerten betroffen, noch ehe sie die Glocke zogen.

      Die Vorhänge herabgelassen … Alle Fenster verhängt. Schon von außen ein totes Bild der Verlassenheit.

      Mit einem energischen Ruck riß Fox an der Klingel. Lange Zeit schien niemand zu hören. Endlich öffnete sich ein Spalt in dem massiven Tor. Das Gesicht des alten chinesischen Boys kam zum Vorschein.

      »Herr Witthusen?!«

      Wellington Fox stellte die Frage, während er gleichzeitig den Fuß in die Türspalte schob und mit einem kräftigen Schulterdruck den Flügel so weit zurückdrängte, daß sie eintreten konnten.

      »Herr

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