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verneinend den Kopf.

      »Und Fräulein Witthusen?«

      Das Gesicht des Gelben sagte mehr als Worte.

      »Wo sind sie hin?«

      Isenbrandt war auf den Gelben zugetreten. Der schüttelte nur den Kopf und machte ratlose Gebärden mit den Händen.

      Wellington Fox schob sich zwischen Georg Isenbrandt und den Boy. Eine Note von hohem Gepräge raschelte in der Faust des Gelben und verschwand zauberhaft schnell in der faltigen Kleidung.

      »Wo sind sie hin?« wiederholte Fox. »Wann sind sie abgereist?«

      Der Gelbe krümmte sich verlegen. Seine Hände tasteten nach der Stelle, wo der Schein knisterte.

      »Wohin sie sind, hoher Herr … Hui-Fang weiß es nicht … Vorgestern abend in der zehnten Stunde kam ein Auto vorgefahren. Zwei Offiziere stiegen aus und gingen zu dem Herrn … Und dann … Dann kamen sie wieder heraus … Mit ihnen der Herr und Fräulein Maria Feodorowna und … stiegen zusammen in das Auto … und fuhren fort.«

      »Wohin sind sie?«

      Georg Isenbrandt hatte Fox beiseite geschoben und stand vor dem Chinesen, der sich unter seinem Blick zusammenkrümmte.

      »Wohin? … Bei den Geistern deiner Ahnen!«

      Das gelbe Gesicht nahm einen grauen Schein an. Seine Augen hingen an denen Georg Isenbrandts und konnten nicht los davon. Dann sank er in die Knie und hob beschwörend die Hände.

      »Ich weiß es … nicht … hoher Herr! Ich weiß es nicht.«

      Georg Isenbrandt taumelte zurück. Tiefaufatmend bedeckte er die Augen mit der Rechten. Wellington Fox fragte: »Hat der Herr etwas hinterlassen? … Befehle?«

      »Nein! Nichts …« Nach einer Weile kam es zögernd von den Lippen des Gelben.

      »Gestern in der Frühe war Mr. Cameron hier. Der sagte, der Herr ist verreist und kommt vorläufig nicht wieder. Jeder Arm, der etwas aus dem Hause nimmt, wird abgehackt. Mr. Cameron hat alles verschlossen … hat alle Schlüssel mit sich genommen …«

      Als der Name »Cameron« fiel, zuckte Wellington Fox zusammen.

      »Ist Mr. Cameron noch in Kaschgar?«

      »Ich weiß nicht … Sicher … Ich glaube …«

      Der Gelbe wand sich unter der Frage, während ihm Wellington Fox Wort für Wort abrang.

      Georg Isenbrandt fuhr dazwischen. Mit der Rechten hatte er das Gewand des Gelben an der Brust gepackt und schüttelte ihn wie ein Bund Flicken.

      »Wo ist Mr. Cameron?«

      »Der Diener sagte, sein Herr wäre …«

      »Wo ist Mr. Cameron?«

      »… in Peking.«

      Mit jähem Ruck warf Georg Isenbrandt das taumelnde Etwas in einen Winkel.

      »Komm, Fox, wir haben hier nichts mehr zu tun!«

      Fast mechanisch schlugen sie den Weg zum Bahnhof ein. Minuten hindurch gingen sie stumm nebeneinander her. Dann brach Wellington Fox das Schweigen.

      »Was tun?«

      Er erhielt keine Antwort. So sprach er selbst weiter:

      »Also nach Peking!«

      »Wer?«

      »Ich! … Mit dem nächsten Postschiff!«

      »Du wolltest?«

      »Selbstverständlich, Georg! An der Quelle ist am meisten zu holen. Der selige Pinkerton soll sich vor Neid über meine Erfolge noch im Grabe umdrehen! Collin Cameron ist jetzt ein doppeltes Jagdobjekt für mich. Ich werde ihn finden … und ihm das Handwerk legen … Was wirst du tun?«

      Georg Isenbrandt schwieg.

      »Ich würde dir raten, eine vertraute Person auf die Spuren der Vermißten zu setzen. Hast du nähere Bekannte in Kaschgar?«

      Isenbrandt schüttelte den Kopf.

      »Nein, Fox!«

      »Glaubst du deinem Dienet Ahmed trauen zu können? Er ist doch Dschungane.

      »Ahmed? Er ist treu. Ja! Ihn werde ich schicken. Gut, Fox! Wann willst du fahren?«

      »Sofort!«

      »Dein Gepäck? … Deine Sachen?«

      »Die liegen gut im Kogarthaus. Mit dem nächsten Postschiff.«

      »Fox … du guter Freund … du weißt immer Rat … du wirst mir Nachricht geben … auch von der kleinsten Spur.«

      Einen Moment standen sie sich Hand in Hand gegenüber.

      »Frisch auf, Georg!«

      »Halt! Noch eins!«

      Georg Isenbrandt griff in seine Tasche und holte eine kleine Glasröhre hervor.

      »Du kommst nach Peking. Du wirst morgen früh dort sein. Um die Mittagsstunde wirf dies hier von irgendeiner Brücke ins Wasser!«

      Wellington Fox ließ das Röhrchen in die Tasche gleiten.

      »Noch etwas?«

      »Ja! Bevor du es wirfst, mußt du den Korken öffnen. Aber auch keine Sekunde früher. Vergiß das nicht. Denke an deine Erfahrungen mit der Lawine!«

      »All right, Georg!«

      »Der Himmel hat seinem erlauchten Sohn die Gesundheit wiedergegeben. Die vollendete Weisheit ist genesen. Schitsu, der Hwangti, der Herr und Kaiser, kehrt in seine Residenz zurück.«

      Seit 24 Stunden hielt diese Nachricht die Bewohner Pekings in Atem. Seit den frühen Morgenstunden begannen die Volksmassen aus dem Stadtinneren hinauszuströmen und die Straße zu umlagern, die von Schehol nach Peking führt. Zu Hunderttausenden umsäumten sie die breite Landstraße, lagerten hier und dort in Gruppen, begannen die mitgebrachten Lebensmittel zu verzehren und beschwatzten auf ihre Art das bevorstehende Ereignis, den Einzug des wiedergenesenen Kaisers.

      Die Stunden verstrichen darüber. Höher stieg die Sonne und näherte sich ihrem höchsten Stande. Drückend heiß wurde der Maitag, und die Händler, die mit Erfrischungen erschienen, fanden reißenden Absatz für ihre Ware.

      Um die zwölfte Stunde marschierten von Peking her auf der Landstraße die Garden des Schanti heran. Nach Ausbildung und Ausrüstung Elitetruppen. Die anmarschierenden Regimenter schwenkten mit der Präzision eines Uhrwerkes noch rechts und links gegen die Straßenränder aus, drängten die Menge, soweit sie die Straße noch besetzt hielt, über die Gräben zu beiden Seiten zurück und bildeten einen zusammenhängenden, von Bajonetten starrenden Kordon.

      Die Straße war jetzt hermetisch abgesperrt. Die Menge, zur Seite gedrängt, breitete sich über die Felder aus und suchte erhöhte Punkte, von denen aus über die Köpfe der absperrenden Garden hinweg möglichst viel von dem kommenden Schauspiel zu sehen sein mußte.

      Es waren nur sehr wenige Weiße in der Menge zu sehen, und auch diese Wenigen hielten sich stark zurück. Es war nicht angebracht, in dieser fanatisch erregten Menge Aufsehen zu erregen, denn nur allzu leicht konnten die Volksleidenschaften explodieren.

      Auf einer kleinen Erhöhung in einer gelben Gruppe hatte Wellington Fox seinen Platz gefunden. Dort stand er, wartete und sah, wie plötzlich Bewegung in die Menge kam. Wie diese Tausende von Köpfen sich nach einer Richtung drehten, wie ein Murmeln und Rauschen durch die Massen ging.

      Der Wagen des Kaisers kam. Eine der alten, schwervergoldeten Staatskarossen mit großen Glasscheiben. Von acht Pferden gezogen. Im Schritt, die Pferde von den Bedienten des Marstalls an Kopfhalftern geführt.

      Der Kaiser aufrecht auf dem Rücksitz, allein im Wagen.

      Wellington Fox verschlang das Bild mit den Augen. Er sah, sah viel, doch er wollte noch mehr sehen.

      Als

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