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den ihren. Erst nach geraumer Weile klang die Stimme Wellingtons wieder:

      »Glaubst du wirklich, meine liebe kleine Helen, Wellington Fox ließe sich das Glück seines Lebens entgehen, weil ein alter, harter Mann ihn seines schmalen Beutels halber nicht für würdig hält? Ihn und alle seine Schätze mag der Teufel …«

      »Wellington, es ist mein Vater.«

      »Leider, Helen! Doch Geduld. Wir wollen sehen, wessen Schädel auf die Dauer der härtere ist.«

      »Ach Wellington, du hoffst ihn zu zwingen? Dann werde ich nie im Leben die Deine werden. Ach, wenn du wüßtest, wie grenzenlos unglücklich ich bin.«

      Tränen erstickten Helens Stimme. Weinend barg sie ihr Gesicht an Wellingtons Brust.

      »Geduld, Geduld, kleine Helen! Ich weiß, wie man Leute vom Schlage deines Vaters auf seine Seite zwingt. Man muß etwas tun, was ihnen imponiert, was ihnen Respekt beibringt. Und warum sollte das nicht auch deinem Wellington gelingen? Noch einige Wochen. Dann ist die Saat reif, dann …«

      Die weiteren Worte gingen in einem unverständlichen Gemurmel unter.

      »Du sprichst so geheimnisvoll, Wellington, was meinst du?«

      »Nichts, nichts, kleine Helen. Doch noch eins, Liebste. Es könnte sein, daß du mich in den nächsten Tagen vergeblich erwartest. Vielleicht kann ich sogar vor eurer Abreise nach Asien überhaupt nicht mehr hierherkommen.«

      »Warum nicht, Wellington? Was sollen diese Andeutungen? Was hast du vor?«

      Helen drängte sich ungestüm an Wellingtons Brust.

      »Nichts Besonderes, liebe Helen. Mein Beruf zwingt mich häufig zu unvorhergesehenen Reisen … Es könnte sein, daß ich morgen … wichtige Geschäfte … auf ein paar Tage verreisen müßte. Das ist alles. Wünsche mit mir, daß diese Reise guten Erfolg hat. Sie wird uns auch unserem Glück näherbringen. Am Balkaschsee treffen wir uns bestimmt wieder.«

      Es war eine kleine, gut bürgerliche Teestube, die Tschung Fu in der China town von Frisko hielt. Keine Hafenarbeiter, keine Wäscher, Köche oder dergleichen Volk verkehrte hier. Nur das bessere Publikum, Kaufleute, Händler und jene gelben Künstler, die mit unendlichem Geschick und noch größerer Ausdauer die Erzeugnisse chinesischen Gewerbefleißes, die wunderbaren Lack- und Filigranarbeiten herstellten, die in der Hauptstraße von China town in den Basaren verkauft wurden.

      Aber diese solide Teestube war nur der Vorhang vor schlimmeren Dingen. Die gelben und weißen Gäste Tschung Fus konsumierten nicht nur den duftigen Trank der Pekkoblüte. Sie huldigten auch dem Genusse des Opiums. Diesem Zweck dienten die hinteren Räume des Teehauses.

      Eine kaum sichtbare Tür an der Wand der Teestube … Ein langer, winkliger Gang … Ein Vorhang … Noch einmal ein Stück Gang … Ein zweiter Vorhang, und man war in dem Raum, in welchem Tschung Fu seinen Gästen, aber nur wohleingeführten und unbedingt zuverlässigen Gästen, das verbotene Narkotikum verabreichte.

      Ein großer, nur durch künstliche Beleuchtung erhellter Raum. An den Wänden kleine, durch Vorhänge verschließbare Nischen. Im Raume selbst noch zahlreich jene niedrigen, weichgepolsterten Lager, auf denen die Opiumraucher den Genuß ihres Rausches mit gelösten Gliedern auskosten konnten.

      In den Vorhängen, im Holzwerk der Wände, ja im ganzen Raume haftete unvertilgbar der süßliche, für den Ungewohnten widerliche Duft des kalten Opiumrauches.

      Es war um die dritte Nachmittagsstunde. Schon hatte das Lokal Tschung Fus reichlichen Zuspruch gehabt. Alle Nischen des hinteren Raumes waren belegt, alle Polster und Kissen im Raume selbst besetzt. Gelbe und auch einzelne Weiße lagen hier. Die meisten bereits im tiefen Rausch. Nur einige wenige noch fähig, die Pfeife zum Mund zu führen … die letzten Züge zu tun, die sie in das Land glücklicher Träume bringen sollten. Tschung Fu war zufrieden. Jede hier gerauchte Pfeife brachte ihm ein blankes Goldstück von den bewährten alten Gästen … viel größere Beträge von denen, die zum ersten Male kamen, die erst eingeführt wurden oder sich selbst einführen wollten.

      Jetzt begleitete der Wirt dienernd und kriechend Collin Cameron und dessen Begleiter, ein gelbschwarzes Halbblut, in den Raum.

      »Es tut mir sehr leid, Mr. Cameron … alle Kojen sind besetzt …«

      Collin Cameron blieb zögernd mitten im Raume stehen. Ein halbunterdrückter Fluch kam über seine Lippen. Sein Blick glitt über die Gäste, die hier als die willenlosen Sklaven einer Droge und einer Leidenschaft auf den Kissen lagen.

      »… Verdammtes Pack! … Versoffenes Lumpengesindel …«

      Er machte eine Bewegung, als ob er den nächsten mit einem Fußtritt von seinem Lager hinabschleudern wolle.

      Der Wirt deutete einladend auf einen unbesetzten Tisch in der Mitte des Raumes. Collin Cameron fragte: »Wer ist hier?«

      »Nur alte Bekannte! Sichere Leute! … Sie schlafen alle. Sind im siebenten Paradiese. Man könnte sie hinaustragen, ohne daß sie es merken.«

      Noch einmal ein kurzes Überlegen. Dann ließ sich Collin Cameron an dem Mitteltisch nieder und lud seinen Begleiter durch eine Handbewegung ein, das gleiche zu tun. Der Wirt brachte ihnen selbst den frischen Tee. Dann zog er sich scheu zurück.

      Collin Cameron schwieg. Mit verächtlichem Lächeln beobachtete er einen der Raucher, der es noch einmal versuchte, die Pfeife an die Lippen zu bringen. Die Kräfte des Mannes reichten nicht mehr aus. Seine Augen, groß und glasig, starrten empfindungslos in den Raum. Jetzt ließ er die Pfeife fallen und sank der Länge nach auf den Diwan zurück. Die Augen schlossen sich, und ein glückliches Lächeln nistete sich in den ausgemergelten Zügen des Rauchers ein.

      Collin Cameron wartete geduldig, bis auch dieser letzte Raucher sicher in dem Hafen der Bewußtlosigkeit gelandet war. Dann eröffnete er die Unterhaltung.

      »Was Neues?«

      »Nein, Mr. Cameron. Sie haben die letzten Artikel in meinem Blatt gelesen. Waren sie nicht gut?«

      »Sie waren gut. Aber von nun ab muß ein anderer Ton angeschlagen werden.«

      »Noch schärfer? Vergessen Sie nicht, daß mein Blatt schon jetzt in Gefahr stand, unterdrückt zu werden.«

      »Die Wahl Josua Bordens ist verschoben!«

      »Verschoben! Warum? … Ein böses Zeichen … Verrat?«

      »Es kann nicht anders sein.«

      Ein schwerer Fluch kam aus dem Munde des anderen. Danach seine Frage:

      »Was nun?«

      »Das frage ich Sie.«

      »Dann muß eben alles andere auch verschoben werden.«

      »Ausgeschlossen!«

      Der andere pfiff leise durch die Zähne und kniff die schmalen Schlitzaugen noch enger zusammen. Prüfend blickte er in das Gesicht Collin Camerons, in dem sich starke Erregung malte.

      »Ihre Worte sind dunkel, Mr. Cameron. Das eine fällt mit dem anderen.«

      »Nein! Das darf es nicht!«

      »Ah! … Weht der Wind daher? … Aber unsere Führer werden nicht mitmachen.«

      »Dann werden andere die Führer sein! … Einer davon Sie!«

      Der andere sank in seinen Sessel zurück. Die kleine Figur verschwand fast in den Polstern, während er die Hand an die Stirn legte.

      »Es wird nicht gehen, Mr. Cameron. Die Massen werden uns nicht folgen.«

      »Zugegeben! Die große Masse der Schwarzen nicht … das heißt nicht sogleich … Aber sind Sie sich der Hafenarbeiter sicher? … Auf alle Fälle?«

      Ein übles Grinsen ließ die Züge des schwarzgelben Halbblutes noch abstoßender als gewöhnlich erscheinen.

      »Mit genügend … so etwas …«, seine Hände machten die Bewegung des Geldzählens, »und dem nötigen

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