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vorüber. Mit bewundernswerter Kraft hatte er die Gewalt über sein Mienenspiel zurückgewonnen.

      »Nach der Stichprobe zu urteilen, Mr. Fox, trifft Ihr Bericht auch in dieser Beziehung zu.«

      Wellington Fox wußte nichts anderes zu tun: Er ergriff die Hand des Adjutanten und drückte sie stark.

      »Ihr Dienst ruft Sie jetzt zu anderer Stelle. Ich hoffe, wir haben uns nicht das letztemal gesehen. Meinen herzlichsten Dank für Ihre besonderen Bemühungen um mich. Wenn die Chikago-Preß bei dieser Gelegenheit in der schnellen Berichterstattung den Vogel abschießt, so dankt sie das Ihnen.«

      Mit federnden Schritten, den eben gehörten Kompagniemarsch pfeifend, ging Wellington Fox der Tribüne zu, während Averil Lowdale die entgegengesetzte Richtung einschlug.

      Der Höhepunkt der Festlichkeiten war überschritten. Eine Reihe von rauschenden Tagen, während der kochende See unaufhörlich unendliche Wolkenmengen nach Nordwesten entsandte.

      Die offiziellen Gäste waren abgereist, die Siedler zu ihren Farmen zurückgekehrt. Das sportliebende Reisepublikum benutzte die Gelegenheit, Hochgebirgstouren zu unternehmen und Schneesport an den Hängen der Kogartberge zu treiben.

      Die Mitglieder des Direktoriums der E. S. C. und die diplomatischen Vertreter der europäischen Staaten weilten noch in Wierny. In den letzten Maitagen traten die Direktoren hier zusammen. Es war ein besonderer Wunsch Isenbrandts gewesen.

      Isenbrandt sprach in dieser Sitzung. Er knüpfte an die Salzung des Balkaschsees an. Überzeugend wies er nach, daß dies Unternehmen nur teilweise Wirkung haben könne, solange die politische Grenze die Schmelzungen im oberen Ilitale unmöglich mache.

      Georg Isenbrandt sprach weiter:

      »Die Dämpfe, die der See jetzt hergibt, reichen eben aus, um ein Gebiet von zehntausend Quadratmeilen dauernd zu befruchten. Ganz anders wäre es, wenn wir im ganzen Quellgebiet des Ili schmelzen könnten. Viele tausend Quadratmeilen Landes würden dann für Siedlungen neu gewonnen werden.

      Ich berühre damit ein Ihnen wenig angenehmes Thema … Die Besitzfrage des Ilidreieckes …«

      Ein nervöses Summen ging beim Fallen dieser Worte durch die Versammlung. Einen Augenblick war es still. Dann sprang der französische Direktor mit romanischer Lebhaftigkeit auf:

      »Ich begreife nicht, wie diese Frage gerade jetzt aufs Tapet gebracht werden kann, da sie doch dem Schiedsgericht unterliegt, das in nächster Zeit seinen Spruch fällt. Nach meinen Informationen ist ein für uns günstiges Ergebnis zu erwarten.«

      »Letzteres ist mir neu«, sagte Isenbrandt. »Wäre es wahr, würde die Frage noch viel dringender sein.«

      Mit unverhohlenem Erstaunen blickten die Teilnehmer auf Georg Isenbrandt. Wie war das gemeint?

      »Sie sehen mich fragend an, meine Herren. Wie der Schiedsspruch auch ausfallen mag, gutwillig wird China diese starke Position nicht aus den Händen lassen.«

      »Aber der feierlich beschworene Vertrag?«

      Von verschiedenen Seiten klang der Einwurf.

      »Der Schiedsgerichtsvertrag wurde zwischen Europa und dem Kaiser Schitsu geschlossen.«

      »Und weiter?« schallte es ihm entgegen.

      »Er wird keine Geltung haben … für des Kaisers Nachfolger!«

      Einen Augenblick herrschte absolute Stille. Dann kamen die Fragen von allen Seiten.

      »Was? … Was? … Was geht uns des Kaisers Nachfolger an, da er selbst lebt … in voller Gesundheit lebt?«

      »Der Kaiser Schitsu ist tot. Schanti … Toghon-Khan von Dobraja ist Regent!«

      Der Eindruck der Worte auf die Versammlung war nicht zu beschreiben. Einige fuhren überrascht auf. Ein anderer und nicht der kleinste Teil gab seinem Unwillen, ja seiner Entrüstung über die Äußerung Isenbrandts lebhaften Ausdruck.

      »Wie können Sie es wagen, uns solche Märchen aufzutischen?«

      Über das Stimmengewirr erhob sich die schneidende Stimme des Franzosen:

      »Wie können Sie ableugnen, was tausend Augen gesehen haben?«

      Wieder trat Stille ein. Man wartete auf die Rechtfertigung Isenbrandts.

      »Tausend Augen haben gesehen, daß ein Mann von Schehol in einem Glaswagen nach dem Kaiserpalast in Peking gefahren wurde.«

      Isenbrandt hielt einen Augenblick inne. Mit einem Lächeln sah er auf die Gesichter, die gespannt zu ihm aufblickten.

      »Ich leugne nicht, daß dieser Mann der Kaiser Schitsu war … aber …«

      Hier vertiefte sich der lachende Zug um seinen Mund.

      »Der Mann war tot! … Komödie war alles!«

      Wie eine Bombe wirkten die Worte Isenbrandts. Keiner blieb auf seinem Platz. Von allen Seiten umströmten sie den Sprecher und bestürmten ihn mit Fragen.

      »Meine Herren,« begann Isenbrandt nach einer kleinen Weile, »die Zeichen Ihrer Verwunderung kommen mir nicht überraschend. Was die Welt, was ganz China geglaubt hat, weshalb sollten Sie es nicht auch geglaubt haben?«

      Wieder die schneidende Stimme des Franzosen:

      »Unmöglich! Eine derartige Blasphemie! Das wäre der gröbste Betrug, den die Welt je gesehen!«

      »By Jove!« kam es lachend aus dem Munde des Engländers. »Eine Komödie der Weltgeschichte, die ich den gerissensten aller Schauspieler, den Gelben, wahrhaftig zutraue … ha ha … das Stückchen wäre nicht übel!«

      Er schlug sich behaglich lachend auf seine prallen Schenkel und brachte auch einen Teil der Gesellschaft zum Lachen.

      »Meine Herren« – die Stimme des Präsidenten durchbrach das Stimmengewirr – »ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen. Herr Isenbrandt wird seine Behauptungen begründen.«

      Der stand einen Augenblick sinnend da.

      »Begründen? … Wie soll ich das begründen? Den toten Kaiser kann ich Ihnen nicht vorführen. Ich kann Ihnen nur folgendes versichern. Bei meiner Ehre … Meine Gewährsleute zu nennen ist unmöglich …

      Am 5. Mai um die sechste Abendstunde ist Kaiser Schitsu in Schehol an seiner Schußwunde gestorben. Am 4. Mai ernannte er den Herzog von Dobraja, den Schanti, zum Regenten. Der ominöse Ring des Dschingis-Khan ist am Finger des Schanti.

      Glauben Sie mir … ober glauben Sie mir nicht! Für mich stehen diese Tatsachen fest.«

      »Für mich auch!« bekräftigte der Engländer. »Nur noch eine Frage, Mr. Isenbrandt. Zu welchem Zweck wurde diese göttlichste aller Komödien in Szene gesetzt?«

      »Die Erklärung ist einfach. China ist schweren inneren Erschütterungen ausgesetzt, wenn der Tod des Kaisers bekannt wird, bevor eine kräftige Faust die Zügel der Regierung fest in den Händen hat. Vergessen Sie nicht, der todbringende Schuß wurde von der Hand eines Republikaners, eines Südchinesen, abgefeuert. Die Herrschaft des Kaisers war zu jung, der Einheitsgedanke noch nicht allgemein genug geworden. Ehrgeizige Machthaber der früheren Zeit sind noch am Leben, ihre Hoffnungen nicht begraben. Alles dessen ist sich der Schanti bewußt. Ich kenne den Mann! Sein Ehrgeiz ist unermeßlich. Er war in jeder Beziehung die rechte Hand des verstorbenen Kaisers. Mein Interesse hat sich ihm deshalb besonders zugewandt, weil er gerade unseren Unternehmungen vom Kaiser als Gegenpart an der chinesischen Westgrenze entgegengestellt war. In mancher Beziehung ist der Schanti vielleicht sogar vorausschauender und großzügiger, als es der tote Kaiser gewesen. Mit Entsetzen wird einst die weiße Welt seine furchtbare Gegnerschaft erkennen.«

      Georg Isenbrandt schwieg. Zum Zeichen, daß er nicht gewillt sei, noch weitere Erklärungen zu geben, nahm er auf seinem Stuhl Platz. Wie in Erz gegossen lehnte er ruhig in seinem Sessel, unbewegt von den vielen fragend auf ihn gerichteten Blicken.

      Wieder ein Durcheinander von Reden und Gegenreden. Dann der Präsident:

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