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Glauben zu schenken. Aber ich kann nicht glauben; daß eine neue chinesische Regierung nicht die von der alten unterzeichneten Verträge halten sollte. – Der Spruch des Schiedsgerichts ist bestimmt in kurzer Zeit zu erwarten. Wir müssen ihn abwarten, bis dahin die Grenzen respektieren. Ich bitte die Herren, die meiner Meinung sind, aufzustehen.«

      Die bei weitem größere Anzahl der Anwesenden erhob sich. Isenbrandt war überstimmt.

      »Cowards!« murmelte der Engländer, der sitzengeblieben war. »Auf die Manier hätten wir das englische Weltreich nie zusammengebracht.«

      Der Basar in Wierny zeigte unter dem Einfluß der Festlichkeiten ein besonders lebensvolles Bild. Seit Menschengedenken hatten die Kaufleute, die hier mit den Erzeugnissen Asiens handelten, nicht solchen Umsatz gehabt. Fast jeder Bewohner glaubte, von hier ein Andenken mitnehmen zu müssen.

      In buntem Strom zogen Fremde und Einheimische durch die schmale Basargasse.

      Vor einer Auslage mit seinem chinesischen Porzellan stand Helen Garvin mit ihrer Freundin Florence.

      »O sieh, Florence, da, die wundervollen, zarten Muster! Noch schöner als die von Kaschgar, die mir Pa in einer bösen Laune verdarb.«

      »Noch nicht genug, Helen? Du kaufst ja, als ob du eine Ausstattung kaufen müßtest. Dein armer Diener keucht bereits unter seiner Last. Kann dein Vater so böse werden, daß er … das Eigentum seines Lieblings zerschlägt?«

      »Ach, Florence, nur dann, wenn der Name Wellington Fox fällt. Dann kann er sehr, sehr böse werden.«

      »Wer ruft hier Wellington Fox?« klang es hinter ihnen.

      »Ach … du? … Sie?« … Mit einem kleinen Schrei drehte Helen Garvin sich um.

      »Sie? … Herr Fox! … Wenn man den Fuchs ruft, sitzt er hinter der Hecke.«

      Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte Florence Dewey den Journalisten.

      »Es bedarf wohl keiner Vorstellung mehr, meine Gnädige. Miß Helen wird Ihnen von mir erzählt haben, wie sie mir von Ihnen sprach. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich die Gelegenheit benutze, einige Worte mit Miß Helen zu sprechen. Über das Prekäre unserer Lage dürften Sie wohl genügend unterrichtet sein.«

      »Oh, sehr wohl, Mr. Fox. Meine Sympathien sind ganz bei Ihnen beiden. Doch ich glaube, aus den paar Worten werden viele werden. Du wirst verzeihen, liebe Helen, wenn ich mich eine Weile entferne. Am Ende der Straße sahen wir einen kleinen stillen Park. Dort kannst du mich später wiedertreffen.«

      Mit flüchtigen Schritten eilte Florence ihrem Ziele zu. Tief aufatmend trat sie in das kühle Grün. Die Stille, die in dem parkartigen Garten herrschte, legte sich beruhigend auf ihr erregtes Herz. Das Liebesglück der Freundin hatte die alten Wunden ihrer Seele schmerzlich berührt.

      In einem stillen Seitenweg fand sie eine Bank, auf der sie sich niederließ. Seltsame Schauer liefen über ihr Herz.

      Kämpfen um das Glück? fragte sie sich bang. Ein leises, aufschluchzendes Stöhnen kam aus ihrer Brust.

      War’s nicht auch der tiefverwundete Stolz der Florence Dewey gewesen, der ihr den letzten Brief an Averil Lowdale diktierte? Sie suchte in den verstecktesten Falten ihres Herzens.

      Nein! Der Spiegel ihrer Seele war rein. Die Liebe zu Averil war größer als alles gewesen.

      Sie schloß die Augen und versank in unruhiges Träumen … Plötzlich war’s ihr, als sei ein Schatten vor sie getreten. Noch zögerte sie, die Augen zu erheben, da klang das Wort »Florence« an ihr Ohr.

      Mit einem leichten Aufschrei taumelte sie empor. Ihre Hände griffen an die Schläfen.

      »Averil!«

      Halb ohnmächtig sank sie auf die Bank zurück, die Arme wie zur Abwehr von sich gestreckt.

      »Ich bin’s, Florence.«

      »Nein! … Nein, Averil! Laß mich gehen, gehe fort!«

      Ein tödlicher Schrecken klang aus ihren Worten.

      »Oh, sei nicht so grausam, Florence. Höre mich an … was tat ich, daß du meine Liebe zurückwiesest? … Soll ich büßen, was mein Vater dir antat? Florence, bei der Erinnerung an die seligen Stunden unseres Glücks … war es Wahrheit, was du in deinem Brief schriebst … oder war es gekränkter Stolz, der dich so schreiben ließ? Sprich, Florence! Antworte mit!«

      Er beugte sich nieder und berührte ihre Hand. Sie zuckte vom Kopf bis zu den Fußspitzen. Sie sah ihn an mit weitgeöffneten Augen. Dann senkte sie die Lider.

      »Averil!«

      Sie hatte den Namen kaum hörbar geflüstert, und doch lag in diesem sterbenden Hauch aus den bleichen Lippen mehr als in dem lautesten Schrei.

      Mit der Berührung ihrer Hände schien sie sich umgewandelt zu haben. Jedes Hemmnis sank auf den Grund, verschwand in endlosem Dunkel. Eine Vorstellung des Glücks glitt durch ihre Seele, ein unbeschreibliches Lächeln ging über ihre Züge. Rückhaltlos gab sie sich in diesem einen hingehauchten Wort.

      »Florence!«

      Averil kniete nieder und küßte die Hände, die sie ihm willenlos überließ.

      »Kann Liebe so grausam sein?«

      Ein Wunsch schien sich in ihr zu regen, den sie nicht ausdrücken konnte. Mit zager Bewegung nahm sie seinen Arm und legte ihn um ihren Hals … schlang ihre Arme um seinen Nacken. Da zog er sie an sich und küßte sie auf ihren Mund.

      »Alles ist versunken … alles ist verschwunden. Nur unsere Liebe ist geblieben … Daß ich ihn je wieder küssen würde, deinen süßen, reinen Mund!«

      Ein Schauer rann durch ihre Glieder.

      »Das ist er nicht mehr … der reine Mund«, sagte sie mit leisem Klagelaut.

      »Florence! Du …«

      Averil war aufgesprungen. Keuchend kamen die Worte aus seiner Brust.

      »Willst du mich wieder aus dem höchsten Himmel in die tiefste Hölle stürzen?«

      Er stand da … in dem gebrochenen Schatten des Baumes, jeder Kraft beraubt … verirrt wie in einer Wüste.

      Florence hatte das Gesicht in den Händen vergraben …

      Der Kies knirschte unter einem Schritt.

      Mit jähem Ruck blickte sie auf.

      »Du willst gehen? … Ja, gehe … gehe. Es ist zu spät, zu spät. Ich bin einem anderen versprochen!«

      Sie taumelte und wäre zu Boden gestürzt, hätte er sie nicht in seinen Armen aufgefangen.

      »Florence! Es ist nicht wahr. Ich bitte dich, sprich!«

      Er schrie es fast. Zitternd lag Florence an seiner Brust. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Ihr war, als versänke sie in einem eisigen Strom.

      Da fühlte er die Wahrheit. Es war kein leeres Wort, das in sein Ohr geklungen.

      Regungslos stand er, sog mit bebenden Atemzügen den Luftstrom ein und starrte in den weiten Raum. Zerbrochen, zerschellt lag alles am Boden.

      »Du liebst ihn … den anderen? … Nein! Du liebst ihn nicht … Kannst ihn nicht lieben. Und doch willst du ihm folgen! … Und ich?«

      Er löste ihre Arme und drängte sie zurück.

      »Und ich? … Ich soll zugrunde gehen?!«

      »Averil!«

      Flehend kam es von ihren Lippen. Alle Kraft schien von ihr gewichen. Schwach und gebrochen sank sie auf der Bank zusammen.

      Unendliches Mitleid wogte im Herzen Averils. Er hätte sie in seine Arme nehmen, sie trösten, sie hegen mögen. Und trotzdem bewegte er sich nicht, sprach er nicht, machte er keinen Versuch, diese Qual zu kürzen, an der sie beide litten.

      Der Klang einer Glocke, der aus weiter

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