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bist es wirklich … Ein unerwarteter Besuch.«

      »Ich denke wohl, Helen dear.«

      Ein größerer Gegensatz als zwischen diesen beiden Freundinnen war kaum denkbar. Helen Garvin … das Köpfchen von goldig schimmernden Locken umgeben, große blaue Augen, ein Stumpfnäschen mit rosigen Flügeln … Das Ganze eine Nippesfigur aus Meißner Porzellan.

      Daneben Florence Dewey, schlank und stolz. Schwarzes Haar um ein bleiches Antlitz, dessen Alabaster durch einen kreolenartigen Hauch gefärbt wurde. Trotz ihrer Jugend lag Ernst, ja Trauer in den schönen Zügen des Mädchens.

      Von Jugend an waren Helen Garvin und Florence Dewey, die Töchter der beiden reichsten Leute von Frisko, eng befreundet.

      Helen Garvin fragte:

      »Du bist noch hier? Ich glaubte, du hättest die geplante große Reise längst angetreten?«

      »Es war mehr der Plan meines Vaters als meiner. Ich habe ihn wohl erwogen … aber verworfen. Es hätte ausgesehen wie eine Flucht …«

      Eine glühende Röte bedeckte ihr Gesicht, und ihre Stimme nahm einen leidenschaftlichen Klang an.

      »Ich fliehen? … Und wovor? … Vor häßlichem Klatsch?! Nein … niemals.«

      »Und doch waren es sicherlich schwere Tage, die du damals durchlebt hast.«

      Helen legte den Arm teilnahmvoll um die Schulter der Freundin. Florence duldete die Umarmung mehr, als sie sie erwiderte.

      »Was weißt du, Kleines, von den Kämpfen, die mir das Herz zerrissen! Danke dem Himmel, daß du nicht den tausendsten Teil davon kennengelernt hast.

      Wäre es nur das eine gewesen … daß der schwarze Blutstropfen, der von Vaters Seiten in meinen Adern rollt, mir in einer rein weißen Gesellschaft Schwierigkeiten macht … gelacht hätte ich darüber. Aber daß ich deshalb auch meine Liebe lassen mußte … daß ich …«

      Die Kehle schien ihr zugeschnürt. Die Stimme versagte. Sie richtete das Gesicht empor, um die Tränen mit den langen Wimpern zurückzuhalten.

      »Quäle dich nicht, Florence … versuche Averil Lowdale zu vergessen! Ein Mann, der dich um solch Vorurteil lassen konnte, ist deiner nicht würdig, hat dich nie wahrhaft geliebt.«

      »Averil? … Averil mich verlassen?! … Nein. Er tat es nicht!«

      »Wie … du sagst? … Ich verstehe dich nicht. Schicktest du ihn von dir?«

      Florence hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ihre Schultern zuckten krampfhaft. Ein Lachen, das wie ein Schluchzen klang, kam aus ihrem Munde. Jetzt ließ sie die Hände sinken. Ihre großen, unnatürlich weit geöffneten Augen blickten starr in die Ferne. Eine steinerne Ruhe lag auf den blassen Zügen. Wie eine blutrote Wunde zuckte der Mund in dem schneeweißen Gesicht.

      »Florence! … Florence …«

      Zweimal … dreimal rief Helen die Freundin an. Langsam lösten sich deren verkrampfte Hände. Mit einer müden Handbewegung strich sie über die Stirn, als wolle sie die quälenden Gedanken hinwegwischen. Dann begann sie mit ruhiger tonloser Stimme zu erzählen: »Du weißt, Helen, wie ich Averil Lowdale kennen- und liebenlernte. Er hielt bei meinem Vater um meine Hand an, der sie ihm nicht verweigerte. Auch der alte Lord Lowdale war mit unserem Bund einverstanden … Warum auch nicht? … Das Vermögen der Lowdale war nie groß gewesen. Ein langjähriger Prozeß um die Lordschaft hatte den größten Teil der Revenuen verschlungen. Die Millionen meines Vaters kamen sehr erwünscht. Daß er ein Selfmademan war, wurde mit in den Kauf genommen.

      Da erhielt mein Verlobter plötzlich ein Telegramm, umgehend nach England zurückzukehren. Wenige Tage später hatte mein Vater einen Brief des alten Lords in den Händen: ›Seine Lordschaft zieht ihr Einverständnis mit dem Ehebunde von Deweys Tochter mit seinem Sohn zurück. Weil … weil ich nicht rein weißer Abstammung sei. Der Vater meines Vaters habe eine Quadronin zur Frau gehabt …‹«

      »Unmöglich, Florence … und wäre die Behauptung wahr, so wäre es doch nur ein vorgeschobener Grund!«

      »Du irrst, Helen …«

      Ein Zug von Verachtung und Bitterkeit prägte sich um die Mundwinkel der Sprecherin aus.

      »… Es ist wahr … leider ist es wahr. Wirst du mich auch verachten, weil ein paar schwarze Tropfen in meinen Adern rollen?«

      »Florence! … Die Unbill, die dir widerfahren ist, macht dich grausam. Ich hoffe es nicht …«

      »Du wirst es vielleicht besser verstehen, Helen, wenn ich dir die Vorgeschichte erzähle. Als der Vorgänger des jetzigen Lords Lowdale starb, trat sein Neffe als nächster Erbberechtigter auf. Seine Ansprüche, an sich unanfechtbar, wurden ihm von dem jetzigen Lord streitig gemacht, weil er Halbblut sei. Seine Mutter war eine Gelbe. Ein jahrelanger Prozeß entspann sich um die Erbschaft. Eine besondere Parlamentsbill entschied schließlich zuungunsten des Halbblutes. Seit jener Zeit ist Lord Lowdale ein eifriger Verfechter der Bestrebungen für Reinhaltung der weißen Rasse.«

      »Und darum …«

      »Darum durfte Averil keine Herrin in die Halle von Lowdalehouse bringen, unter deren Ahnfrauen eine ist, deren Wiege einmal in einem Negerdorf gestanden hatte.«

      »Und Averil? Fügte er sich widerspruchslos dem Verbot des alten Lords?«

      Florence blickte traumverloren ins Weite. Der abweisende Zug auf ihren Mienen wich einem weichen, glückverlorenen Lächeln.

      »Nein, Helen … Averil trat mutig an meine Seite. Er war bereit, das Vaterhaus zu verlassen, mit seinem Vater zu brechen. Er kündigte mir seine Abreise von London an. Da … da gab ich ihm sein Wort zurück.«

      »Du … Florence … du tatest das?«

      »Ich tat es … nach langem, schwerem Kampf.«

      »Warum, Florence? … Zweifeltest du doch an Averil … an seiner Treue?«

      Tief atmend lehnte sich Florence zurück und bedeckte mit der Hand ihre Augen.

      »Warum? … Weil ich ihn liebte … mehr liebte als mein Glück. Averils Entschluß war eine Tat, die mich beseligte … mich beglückte. Wer England und seine Institutionen kennt, weiß, was er meinetwegen aufgeben wollte. Sein Opfer war groß. So groß, daß ich es nicht annehmen durfte …

      Laß die Vergangenheit. Es ist nutzlos, davon zu sprechen. Weg mit den Erinnerungen an jene Tage und Nächte der Verzweiflung …«

      Sie erhob sich und ging ein paarmal mit starken Schritten durch das Gemach.

      »Deine Erzählungen von den wunderbaren Arbeiten in Asien reizen meine Neugier, Helen. Du sprachst davon, daß du vielleicht mit deinem Vater zur Einweihung des Balkaschsees dorthin zurückgehen würdest. Wäre dir meine Begleitung angenehm?«

      »Du fragst, Florence?! … Mit tausend Freuden begrüße ich deine Begleitung. Aber … es ist noch zweifelhaft, ob ich selbst gehe. Ich muß …«

      Ein Lächeln stand in ihrem Gesicht. »Ich muß erst noch eine Wette gegen Pa gewinnen.«

      »Eine Wette? … Und warum … worüber?«

      »Nicht jetzt fragen, Florence. Später werde ich dir den Scherz erzählen. Ich glaube bestimmt, die Wette zu gewinnen. Sonst würde deine Helen sehr traurig sein … Aber nicht der verlorenen Wette halber.«

      John Dewey, der reiche John Dewey saß in seinem Palast in Nob Hill zu Frisko in seinem Arbeitzimmer. Ihm gegenüber Melan Fang, einer der reichsten chinesischen Großkaufleute Friskos.

      Seit Jahren waren sie bekannt. In letzter Zeit schienen die lockeren Verbindungen enger geworden zu sein. Enorme Summen waren von Deweys Konten auf das chinesische Handelshaus überwiesen worden. Es verlautete, daß John Dewey, der die meisten Silbergruben des amerikanischen Kontinents in seiner Hand vereinigte, große Konzessionen im südlichen Altai erhalten habe. Man sprach auch davon, daß er sie zusammen mit der chinesischen Firma ausbeuten wolle.

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