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schön! Sehr gut! Der Mann hat meine volle Hochachtung! Die Kohlenzeit damals muß schauderhaft gewesen sein. Ich erinnere mich noch an Bilder, wo Städte, in denen Menschen wohnten, mit Schornsteinen besteckt waren wie der Igel mit Stacheln. Aber du! Was hast du nun jetzt daran verbessert?«

      Isenbrandt kniff die Lippen zusammen. Über seine eigenen Leistungen sprach er wenig und ungern. Aus seiner Tasche zog er zwei kleine Zinntuben.

      »Da sind je zehn Gramm des neuen, nach meinem Verfahren hergestellten Dynotherms. Sie wirken wie zwei Zentner des älteren Präparates …«

      Begierig griff Wellington Fox nach den winzigen Röhrchen.

      »Alle Achtung, Georg! Soviel mein dummer Schädel im Augenblick überschlagen kann, muß das ja kolossale Bedeutung haben. Ich kann mir jetzt schon Fälle denken, wo man das Pülverchen gut verwenden kann, ohne gerade Schnee zu schmelzen.«

      Isenbrandt sah ihn nachdenklich an.

      »Du könntest recht haben, Fox! Behalte sie, wenn du willst. Aber vergiß nicht, daß in jeder dieser winzigen Röhren ein Vulkan schlummert, der, von wenigen Tropfen Wasser geweckt, seinem Träger Lebensgefahr bedeutet. Bewahre sie wohl. Wer weiß … wann du sie brauchen wirst!«

      Sorgsam barg Wellington Fox die Tuben in seiner Brieftasche.

      »Herzlichen Dank, Georg! Leider muß ich das meiste, was ich bei dir sah, den Lesern der Chikago-Preß vorenthalten. Um sie zu entschädigen, werde ich einen hinreißenden Bericht über das internationale Highlife im asiatischen Davos im Kogarthaus bringen. Da oben am Paß ist ja der Schneesport noch in vollem Gange.

      Um die sechste Abendstunde stand Wellington Fox allein auf der Westveranda des Kogarthauses. Nur gedämpft drang die Musik aus den Gesellschaftsräumen des großen Luxushotels bis hierher. Ungestört konnte er Ausschau halten. Seine Augen umfaßten ein Landschaftsbild von majestätischer Schönheit.

      Zweitausend Meter unter ihm strömten im Süden die Fluten des Sirflusses durch das Paradies der Ferghanaebene. In allen Tönen spielten die Strahlen der sinkenden Sonne mit den Dampfwolken der heißen Quellen von Andischan. Doch diesen Schönheiten widmete Wellington Fox nur geringes Interesse. Sein Blick haftete auf den Abhängen der Kogartberge, die das Panorama nach Norden zu begrenzten. Prüfend und witternd sog er die Luft mit leicht vibrierenden Nasenflügeln ein, während die Falte auf seiner Stirn sich vertiefte. Mit einem guten Glas durchforschte er die Schneehänge der Kogartberge, die jetzt in den Strahlen der scheidenden Sonne rosig aufzuglühen begannen. Mit einem Ruck ließ er das Glas wieder in die Riemen fallen. Seine Mienen verrieten Ärger und Besorgnis.

      »Verfluchter Leichtsinn! Bei solchem Firnwind eine Skitour zu unternehmen. Nicht einmal einen vernünftigen Führer haben sie mitgenommen … Auf die Renommierereien dieses MacGornick sind sie reingefallen. Aus purem Trotz mit dem alten Trottel losgegangen. Möchte er nur das Genick brechen … und die edle Gräfin Toresani meinetwegen auch. Aber Helen Garvin …«

      Daß sie mit bei der Tour war, das verursachte seine Unruhe. Wäre er doch so vernünftig gewesen und auch mitgegangen. Jetzt waren sie irgendwo auf den unsicheren Schneefeldern, und er stand hier und machte sich Vorwürfe.

      Helen Garvin, dieser kleine Trotzkopf! Vor der Tour und vor der Komtesse di Toresani hatte er sie gewarnt …

      Er ließ sich in einen Sessel fallen. Sein Auge haftete auf den Abhängen der Kogartberge. Ihm selbst kaum merklich verschwammen die schneeigen Konturen allmählich und nahmen die Gestalt der Sierra Nevada bei Frisko an. Garvins Park auf San Matteo tauchte vor ihm auf.

      Wie er damals Helen Garvin zum erstenmal sah …

      Mißmutig war er durch den prächtigen Park geschlendert, in dem die Launen des Besitzers neben den herrlichen Gartenanlagen auch allerlei Merkwürdigkeiten geschaffen hatten. Das Labyrinth wollte er sehen, jenes wunderliche Bauwerk, das der Milliardär dort in die Felsen von San Matteo sprengen ließ.

      Ein junges Mädel, das er um den Weg fragte, hatte ihn dorthin geführt. Als er ihr, hingerissen von ihrer jugendlichen Schönheit und ihrem natürlichen Plaudern, allzu lebhaft seinen Dank ausdrücken wollte, da hatte das Mädel überraschend plötzlich die Allüren einer großen Dame angenommen, die ihn mit gespielter Hoheit darauf aufmerksam machte, daß er sich im Parke ihres Vaters befände … Und sie würde gleich die Diener rufen … und ihn hinausspedieren lassen.

      Der Schalk, der dabei aus ihren Augen blitzte, verriet ihm zwar, daß das nicht bitterer Ernst war, aber …

      Seitdem kannte er Helen Garvin.

      Allein war er damals in das Labyrinth gegangen. Durch Kreuz- und Quergänge, bis er den Mittelbau erreichte. Ein mächtiges, elliptisches Gewölbe. Eine reiche Sammlung aztekischer Altertümer war hier aufgestellt. Interessiert hatte er die Sachen betrachtet, ohne auf andere Besucher zu achten.

      Da hatten auf einer Bank zwei Männer gesessen und leise miteinander gesprochen. Als er weit von ihnen entfernt vor einer Maske des Mexiki stand und vergnügt die scheußlichen Züge des alten Götzen musterte, waren plötzlich gut verständliche Worte an sein Ohr gedrungen. Worte, die ihn lange und gespannt lauschen ließen.

      »Das Ohr des Dionysos!« … Eine halbvergessene Schulerinnerung kam ihm wieder. Das elliptische Gewölbe, das die Laune des Milliardärs hier in den Fels getrieben hatte, ließ ihn in einem Brennpunkte verblüffend deutlich hören, was in der Nähe des anderen viele Meter von ihm entfernt geflüstert wurde. So hatte er hier durch den Zufall mit Leichtigkeit alles das gehört, um dessentwillen er schon seit Wochen in Frisko suchte.

      Dort stand er. Mit dem Fleiß eines Forschungsreisenden zeichnete er die greuliche Maske des Mexiki in sein Notizbuch und hörte … von Plänen … Verschwörungen … Organisationen …

      Hörte, bis das Flüstern erstarb … sah dann … und sah zwei Gesichter.

      Seitdem kannte er Collin Cameron.

      Das ferne Donnern einer zu Tal gehenden Lawine riß ihn aus seinen Träumen.

      Mit einem Satz stand er auf beiden Beinen.

      »Verdammt! Sagt ich’s nicht? … Lawinenwetter …«

      Er schickte sich an, die Veranda zu verlassen. An der großen Flügeltür stieß er auf Wilhelm Knöpfle, den Leiter des Kogarthauses. Der hatte die Schneeberge vor Davos mit denen von Ferghana vertauscht, als der Wintersport hier oben in Mittelasien Mode wurde. Die Begegnung gab Wellington Fox Veranlassung, seinem Herzen Luft zu machen.

      »Schlechtes Wetter, Herr! Die Luft gefällt mir nicht. Ich fürchte, es wird nach Sonnenuntergang noch mehr Lawinenschläge geben. Einige Leute hier hätten ihre Unternehmungslust zügeln und besser zu Hause bleiben sollen.«

      Der Direktor zuckte kaum merklich mit den Achseln.

      »Drinnen ist die Luft auch nicht besonders. Gewitterspannung. Eine Atmosphäre, geladen mit allerlei Mißtrauen und verborgener Feindschaft …«

      Wellington Fox warf ihm einen fragenden Blick zu.

      »Sind neue Nachrichten aus Peking da?«

      »Immer noch das alte Lied. Die verhüllte Weisheit befindet sich auf dem Wege zur vollen Genesung …«

      Jetzt war es an Wellington Fox, mit den Achseln zu zucken.

      »Der Weg scheint sich in die Länge zu ziehen … Ich mache mir meinen Vers auf die Sache …«

      »Gehen Sie in den Gesellschaftssaal, Mr. Fox. Sie werden einen interessanten Fünfuhrtee finden!«

      Wellington Fox betrat den großen, prunkvoll ausgestatteten Saal, in dem eine kaukasische Kapelle ihre Weisen ertönen ließ. Man war hier im asiatischen Davos. In zweitausend Meter Höhe an den Hängen der Kogartberge gelegen, bot das Haus seinen Gästen bis tief in den Frühling hinein Gelegenheit zu allem alpinen Sport. Während unten bei Andischan schon die Wiesen geschnitten wurden und die Obstbäume abgeblüht hatten, lag hier oben noch die dichte weiße Decke über den Hängen und bot den Skiläufern gute Wege.

      Aus

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