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avisiert. Das gibt für die ersten Wochen eine reichliche Dosis Arbeit. Instruktionen für die Schmelzmeister … neue Pläne für die ganze Schmelzstrecke … die Pläne sind zum größten Teil fertig … Die Instruktionen beginnen heute. Beeile dich, damit wir bald aufbrechen können.«

      Wellington Fox ließ sich das nicht zweimal sagen. Noch einen Schluck und einen Bissen, und er war fertig. Beim Schlage der neunten Morgenstunde erhob sich die kleine schnelle Flugmaschine des Oberingenieurs. Isenbrandt selbst führte das Steuer und setzte den Kurs nach Süden.

      Erst Ebene, dann Berge und dann weiter tiefgrüner See. Der mächtige Issikul breitete seine Fluten unter ihnen aus. Dann wieder Berge. Hoch und immer höher, bis sie den Kamm des Himmelsgebirges erreicht hatten, das hier die Grenze zwischen Rußland und China bildet.

      Den Gebirgsgrat entlang in nordöstlicher Richtung führte Georg Isenbrandt jetzt die Maschine. In brodelndem, wogendem Nebel lag das Alpenmassiv unter ihnen. Nur selten einmal brach ein Sonnenstrahl durch diese milchweißen Massen und erreichte schneebedeckte Hänge und glasige Gletscher. Gletscher, aus denen breite Ströme entsprangen und nach Norden hin in den Issi stürzten.

      Vom Dynotherm getrieben, arbeiteten die Turbinen der Flugmaschine vollkommen geräuschlos, und mühelos konnten die Freunde ihr Gespräch führen.

      Jetzt warf Isenbrandt das Steuer herum und setzte das Schiff auf Nordwestkurs. Wellington Fox sah, wie die Nebelmassen hier wie abgehackt aufhörten und der Alpenkamm sich scharf und klar weiterhin nach Osten erstreckte.

      »Warum, Georg … warum geht es hier nicht weiter?«

      »Weil wir am kritischen Punkt sind. Du siehst die natürliche Grenze, das Gebirge weiter nach Osten ziehen. Die politische Grenze biegt scharf nach Norden um. Was da halbrechts vor uns liegt, ist das Ilidreieck, seit 150 Jahren ein strittiges Gebiet, bald unter chinesischer, bald unter russischer Herrschaft. Heute wieder chinesisch.«

      Das Flugzeug folgte der Grenze nach Norden. Ein mächtiger Strom wälzte unter den Reisenden seine Wogen nach Westen. Georg Isenbrandt senkte die Maschine so tief, daß sie den Boden fast zu berühren schien. Und dann stand sie doch plötzlich wieder hoch über dem Grunde; denn in jähem Abfall senkte sich das Gebirge. Ein breites, tiefes Tal, auf beiden Seiten von schroffen Felsmauern umsäumt, durch das der Ilistrom seinen Weg nahm. Von den Felsen her ein riesenhafter Staudamm, im Bau begriffen. Dort stand der von Menschenhand gefügte Wall schon mehrere hundert Meter hoch. Im mittleren Teil aber waren die Arbeiten noch bei den Fundamenten.

      Georg Isenbrandt runzelte die Brauen, während das Flugschiff langsam über der Dammkrone dahinzog.

      »Verdammt! Wir kommen hier nicht so schnell vorwärts, wie ich möchte … Ich werde MacClure ablösen lassen … Mag er auch zehnmal ein Protektionskind sein!«

      Wellington Fox sah, wie die Fäuste Isenbrandts sich bei diesen Worten um das Steuer krampften.

      »Ist der Dammbau so eilig, Georg?«

      »Aber sehr eilig! … Die Gelben besitzen ebenfalls Dynotherm und schmelzen damit in ihrem Lande. Fällt es ihnen eines Tages ein, hier im Ilidreieck plötzlich und allzu stark zu schmelzen, so vernichtet das Hochwasser unsere Siedlungen im Siebenstromland … Bei der gespannten Lage zwischen Gelb und Weiß ist eine Überraschung nicht ausgeschlossen. Der Damm muß schnellstens fertig werden.«

      In steilen Kreisen ließ Isenbrandt die Maschine steigen. Kilometer um Kilometer ging sie in die Höhe, und immer weiter dehnte sich die Landschaft. Jetzt dämmerte am Osthorizont Kuldscha herauf. Die Hauptstadt des soviel umstrittenen Gebietes. Jetzt lag das ganze Dreieck wie ein offener Kessel unter ihnen.

      Isenbrandt deutete mit der Rechten dorthin.

      »Begreifst du es wohl, daß wir das Ilidreieck haben müssen? … Siehst du es ein? … Die Siedlungsgesellschaft sieht es freilich auch ein, hat es längst begriffen … Aber die Furcht, die feige Furcht vor den Gelben ist zu groß …«

      Wellington Fox umfaßte mit prüfendem Auge die riesenhafte Talmulde. Ein sarkastisches Lächeln glitt über seine Züge.

      »Ich vermute, mein lieber Georg, hier wird es eines Tages gehen wie im Erlkönig … Und folgst du nicht willig, dann brauch’ ich Gewalt …«

      Georg Isenbrandt antwortete nicht. Seine Züge blieben unbeweglich, nur in seinen Augen flammte ein stählerner Glanz auf. Jetzt stellte et die Maschine ab und ließ das Schiff im gestreckten Gleitflug wieder in die Tiefe schießen. Und dann setzte es leicht und sicher auf einer Bergwiese auf. Sie waren vor einem Bezirkshaus des Abschnittes gelandet. Etwa ein Dutzend Ingenieure war hier versammelt, durch Fernruf benachrichtigt, und erwartete ihren Chef.

      Isenbrandt wandte sich an einen jungen Menschen, der in der Nähe stand.

      »He! Sie da! Franke, führen Sie den Herrn hier zu Ihrem Großvater. Er soll ihm alles zeigen, was er zu sehen wünscht … Lieber Fox! Du hast drei Stunden Zeit, einen unserer interessantesten Schmelzpunkte zu besuchen. Um vier Uhr bitte pünktlich wieder hier!«

      An der Seite des jungen Mannes machte Wellington Fox sich auf den Weg. Er war ein tüchtiger, trainierter Bergsteiger, aber er mußte sich anstrengen, um mit dem hier vorgelegten Tempo Tritt zu halten. Auf dem Wege erfuhr er, daß der alte Schmelzmeister aus Deutschland aus dem Merseburgischen stammte. Jetzt war er seit langen Jahren im Dienste der Dynothermkompagnie tätig. Sein Sohn bewirtschaftete eine der neuen Siedlungen im Siebenstromland. Der Enkel, der Wellington Fox jetzt den Berg hinaufführte, war gleichfalls in den Diensten der Gesellschaft und hegte den Ehrgeiz, ein so tüchtiger Schmelzmeister wie der Alte zu werden.

      Jetzt wurde der Weg weniger steil, und dann standen sie auf einer Alm vor einer rohgezimmerten Blockhütte. Mißtrauisch begrüßte der alte Schmelzmeister den Ankömmling. Auch jetzt, nach beinahe zwanzigjährigem Aufenthalt in Asien, sprach er noch unverkennbar den sächsischen Dialekt der Halleschen Gegend.

      »Was sind Sie denn? … So! Zeitungsschreiber sind Sie? … Na, gerade für die haben wir hier sehr wenig Verwendung … Nee, nee, da kann ich Ihnen nichts zeigen …«

      Der junge Franke mußte sich nochmals energisch ins Mittel legen und den Auftrag Isenbrandts wiederholen, bevor der Alte sich endlich bereitfinden ließ. Aber auch dann brummelte er noch allerlei vor sich hin.

      »Zeitungsschreiber … Professionelle Neugierige … Ich kenne die Brüder noch von damals … damals, als der Kessel kochte … Sind mir damals Tag und Nacht nicht von der Pelle gegangen … Und ich wußte doch nichts … Konnte doch nur sagen: Er kocht eben! … Er kocht eben … kocht, ohne daß ich Feuer drunter habe …«

      Wellington Fox horchte auf. »Als der Kessel kochte …« Hatte nicht Isenbrandt die Worte erst vor kurzem gebraucht … Hatte nicht der alte Professor Müller ihnen schon in der Schule eine Erzählung unter diesem Titel vorgetragen?

      Wie ein Jäger auf seine Beute, stürzte er sich auf den Alten, und in zwei Minuten hatte er ihn so weit, daß er zu erzählen begann:

      »Ja, also damals war’s …« Er zählte an seinen Fingern ab.

      »Zweiundvierzig, nein, dreiundvierzig Jahre ist es jetzt her. Im Leunawerk bei Merseburg war’s. Der Betriebsingenieur hatte mir den Auftrag gegeben, einen großen Reservekessel für den nächsten Tag anzuheizen. Früh um vier kam ich in das Kesselhaus. Bitterkalt war es und natürlich noch stockdunkel. Der Kessel hatte eine Reparatur hinter sich und war leer.

      Ich also … als erstes, was ich tue … ich drehe natürlich zuallererst den Wasserleitungshahn auf, um den Kessel erst mal voll Wasser laufen zu lassen. Derweil das Wasser läuft, suche ich mir Holz zum Feueranmachen zusammen, und so allmählich kommen auch meine Kollegen … Sie müssen wissen, Herr, ich war damals der jüngste und mußte zuallererst da sein.

      Wie ich so mein Holz zusammentrage, wird mir warm und immer wärmer, und dabei hatten wir doch 15 Grad Kälte im Freien. Im Kesselraum war’s fast ebenso kalt … denn Sie müssen wissen, Herr, besondere Öfen stellt man nicht in die Kesselhäuser. Die Kessel heizen selber ganz schön, wenn sie in Betrieb sind.

      Wie

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