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den Zähnen faßte Wellington Fox die Fackel. An seiner linken Brust ruhte Helen. Mit dem rechten Arm umklammerte er den Körper der Toresani. Mit der doppelten Last mußte er sich an dem schmelzenden und weichenden Abhang in die Höhe arbeiten. Bis an den Leib sank er dabei in die wässerigen Massen. Schritt um Schritt kämpfte er sich empor, alle Muskeln und Sehnen bis zum äußersten gespannt. Knirschend gruben sich seine kräftigen Zähne bei der gewaltsamen Anstrengung tief in den hölzernen Griff der Fackel.

      Bis endlich die Steigung geringer, der Schnee unter seinen Füßen fester wurde. Bis das Licht einer anderen Fackel in seine Augen fiel.

      MacGornick hatte sich endlich zur Tat aufgerafft, hatte sich der eigenen Fackel erinnert. Mit ihr war er jetzt in das Nebelmeer eingedrungen und auf Wellington Fox gestoßen. Mit einer letzten Anstrengung legte ihm Wellington Fox den regungslosen Körper der Marchesa di Toresani in die Arme.

      »Zurück, Sir … auf trocknen Schnee …«

      Mit pfeifenden Lungen stieß er die wenigen Worte hervor.

      Zwei Minuten später traten sie aus dem wallenden Nebelmeer in die klare Luft und sahen das Mondlicht wieder. Ohne ein Wort zu verlieren, ohne einen Blick auf seinen Begleiter zu werfen, bettete Wellington Fox Helen Garvin auf den Schnee und versuchte durch Reiben und Massieren das Leben in den regungslosen Körper zurückzuzwingen. Die Fackel, die er neben sich in den Schnee gestoßen hatte, überflutete die bleichen Züge des jungen Mädchens mit blendendem Licht, ließ sie noch blasser und lebloser erscheinen.

      Lange schien Wellington Fox sich um eine Gestorbene zu mühen. Bis endlich eine Spur von Leben zurückkehrte, bis ein leichter Atemzug die Brust erschütterte. Ein kurzer Freudenschrei kam von seinen Lippen. Jetzt galt es, das Werk zu vollenden, die Geretteten in die Wärme und Trockenheit des Kogarthauses zu schaffen.

      Das war noch ein langer und steiler Weg über Schnee und Felsen dreihundert Meter in die Höhe. Auch für einen Mann, der ihn unbelastet ging, keine geringe Anstrengung. Wellington Fox hob Helen Garvin mit starken Armen empor und begann den Weg zu schreiten, als ob sie federleicht wöge. Und wäre gern so mit ihr weitergegangen bis in alle Ewigkeit.

      Der Lichtschein von Fackeln erreichte sein Auge. Stimmen drangen an sein Ohr. Eine Rettungskolonne kam ihm entgegen. Träger und Führer umringten ihn. In allen Sprachen drangen Fragen auf ihn ein. Doch nur noch undeutlich vernahm er die Stimmen. Nur noch ein dumpfes Gewirr schlug an sein Ohr. Jetzt, da er Helen Garvin gerettet wußte, verließ ihn die Spannkraft. Mit einer letzten Anstrengung half er Helen auf eine Bahre betten. Dann fiel er bewußtlos neben ihr nieder.

      Im Süden von San Franzisko auf der Hochebene von San Matteo liegen, von wundervollen Parkanlagen umgeben, die Sommersitze der westlichen Finanz- und Industriemagnaten. Noch vor einem halben Menschenalter streckten sich hier dürre Einöden. Jetzt hatten die Menschen mit Hilfe des Dynotherms ein Paradies aus den wilden Gebirgsgegenden gemacht.

      Schattige Reitwege und trauliche Fußpfade. Zwischen Felsenhügeln Miniaturseen, Bäume, Blumenbeete und allerlei blühende Sträucher, von berufenen Künstlern zu einem bildhaften Ganzen verschmolzen.

      Der schönste unter den schönen Landsitzen der von Francis Garvin. Unter den reichen Männern der Union einer der reichsten Francis Garvin.

      Die Grundlagen zu seinem riesenhaften Vermögen hatte er in jener denkwürdigen Landspekulation gelegt, als er vor einem halben Menschenalter die großen wüsten Landstriche zwischen der Sierra Nevada und dem Koloradofluß für einen Spottpreis an sich brachte und dann durch die Wirkungen des Dynotherms fruchtbar machte und besiedelte. Die Aktien der American Settlements Company waren zum großen Teil noch in seinen Händen. An der Europäischen Siedlungsgesellschaft war er stark beteiligt.

      Auf der großen Terrasse, die über Wälder und Wiesen hinweg einen Blick auf die Fluten des Stillen Ozeans gewährte, saßen Francis Garvin und Helen, seine einzige Tochter.

      Unruhig maß der Milliardär die Terrasse in ihrer ganzen Länge. Bald fuhren seine Hände in die Taschen, bald gestikulierten sie in der Luft. Mit merkbarem Ingrimm hafteten seine scharfen Augen bald auf diesem, bald auf jenem Gegenstand. Bald fuhr er sich durch das dichte weiße Haar, daß es sich zu Bergen sträubte.

      In einen Korbsessel vergraben saß Helen und sah dem Vater halb belustigt, halb ängstlich zu. Gewiß hatte sie nicht erwartet, seinen ungeteilten Beifall zu finden, als sie ihm vor einer Viertelstunde in vorsichtigen Andeutungen ihre Liebe zu Wellington Fox gestand. Aber auf einen so heftigen Widerstand war sie auch nicht gefaßt gewesen. Auf solch schroffes Nein von seiten ihres Vaters, der sie immer verwöhnte, stets jeden ihrer Wünsche erfüllte.

      »Habe ich ein Leben voll endloser Sorgen und Mühen geführt, habe ich gearbeitet wie ein Zugstier, um alles, was ich besitze, schließlich einen elenden Zeitungsschreiber in die Tasche stecken zu sehen?!«

      Francis Garvin fand keine Worte mehr für seine Stimmung. Mit seinen starkknochigen Händen ergriff er ein unschuldiges Taburett und stieß es zu Boden, daß ihm die dünnen chinesischen Porzellansächelchen wie eine Fontäne um den Kopf flogen und im nächsten Augenblick in tausend Scherben am Boden lagen.

      »Schäm dich. Pa! … Mein schönes Porzellan, das ich selbst auf meiner Reise in Kaschgar gekauft habe … Eine liebe Erinnerung …«

      »Der Teufel hole deine Reise … und die liebe Erinnerung … und vor allen diesen Fox!«

      »Pa!« klang es strafend aus dem Korbsessel. »Mr. Fox ist ein Gentleman, der mit eigener Gefahr deine Tochter gerettet hat und dem du höchsten Dank schuldest.«

      »Alles hat seine Grenzen! … Auch die Dankbarkeit. Ich will den Mann empfangen und belohnen … wie kein anderer Mann in den Staaten ihn besser belohnen könnte … Aber dich ihm geben?! … Wäre dieser Fox ein Gentleman, hätte er es niemals gewagt, dein Gefühl einer übertriebenen Dankbarkeit so zu seinen Gunsten auszubeuten.«

      »Ach, Pa! … Das tut er ja gar nicht … Leider …«

      Helen sagte es in einem Ton, der scherzhaft klingen sollte und doch viel Resignation enthielt.

      »Was?«

      Francis Garvin blieb mit einem Ruck vor seiner Tochter stehen. Sein offener Mund gab einen Ton von sich, der an die abblasenden Sicherheitsventile einer Frachtlokomotive erinnerte.

      »Was … willst du mich ganz und gar verrückt machen? … Er will dich gar nicht … Leider?!«

      »Leider«, nickte Helen betrübt. »Das heißt, er hat noch gar nicht gesagt, daß er mich will …«

      »Bravo! … Mr. Fox ist mein Mann. Ein Gentleman, der meine Tochter vom Tode gerettet hat und keinen Anspruch auf ihre Hand macht … die sich ihm entgegenstreckt …«

      »Pa! Das ist zu arg. Erst beleidigst du Mr. Fox und jetzt mich.«

      Sie erhob sich und trat, ihm den Rücken kehrend, zur Brüstung der Terrasse. Sie drehte sich auch nicht um, als Francis Garvin zu ihr trat und in einem Tone voller Befriedigung fortfuhr:

      »Ich werde mich revanchieren, my Darling. Morgen kaufe ich die Chikago-Preß und schenke sie diesem Fox. Du wirst sehen, der Mann …«

      »Der Mann wird das Geschenk nicht annehmen …«

      Helen hatte sich umgedreht und sah ihren Vater mit blitzenden Augen an.

      »Abwarten, mein Kleines! … Die zwölf Millionen Dollar, die die Zeitung kosten wird, nimmt jeder, dem Francis Garvin sie schenken will. Du hältst diesen Fox für einen schlechten Geschäftsmann.«

      »Ich halte ihn für einen Gentleman, der dir dein Geschenk vor die Füße werfen wird.«

      »Wetten, daß nicht?«

      »Das gilt, Pa! Verlierst du, mußt du mich zu der Einweihung des Balkaschsees mit nach Asien nehmen! … Abgemacht!« …

      Ein Diener brachte eine Karte und überreichte sie Helen Garvin. Ein freudiges Leuchten ging über ihr Gesicht, das aber schnell einem Schein der Trauer wich.

      »Florence Dewey!

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