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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
12. Cleomades und das hölzerne Pferd
Im Lande Afrika herrschten einst drei reiche Könige.
Ihre Länder waren benachbart und die Könige waren
einander freundschaftich zugetan. Sie waren aber alle
drei erfahren in der schwarzen Kunst und in der Sternkunde.
Melocandis und Baldigant waren weise, edel,
schön und ritterlich, aber den dritten, welcher Crompart
hieß, verunzierte ein Buckel, seine Augen lagen
tief im Kopf und das Kinn hing ihm auf der Brust.
Diese drei Könige hatten davon reden hören, daß
König Marcadigas von Spanien drei wunderschöne
Töchter besitze. Zu diesen hatte sie vom bloßen Hörensagen
Liebe ergriffen, und sie beschlossen, um ihre
Hand anzuhalten. Crompart, der schlaue, riet: »Ihr
Herren, Marcadigas ist wegen der gewaltigen Tapferkeit
seines Sohnes Cleomades weit und breit gefürchtet.
Wir werden guttun, wenn wir uns sein Wohlwollen
mit reichen Geschenken erkaufen.« Da verfertigte
Meliocandis eine Henne mit drei Küchlein aus lauterm
Gold, und diese Tierlein sangen so schön, daß
süßere Melodien niemals vernommen wurden. Baldigant
schuf einen Mann aus Gold, der eine Trompete
in der Hand hielt, und jedesmal, wenn jemand Verrat
oder Unbill plante, so blies der Trompeter, daß er ein
ganzes Heer erwecken mochte. König Crompart end-
lich ersann das kostbarste Geschenk. Es war ein Pferd
aus Ebenholz, das seinen Reiter überall hintrug,
wohin er wollte; wenn man einen der stählernen Zapfen
drehte, mit denen es an Stirn und Brust ausgestattet
war, so flog das Tier in die Luft oder zu Tal, zur
Seite oder geradeaus, und es durchschnitt die Luft so
schnell, daß niemand ihm mit den Augen folgen konnte.
Mit diesen drei Geschenken kamen die afrikanischen
Könige in die große Stadt Sevilla, als gerade
König Marcadigas am Ersten des Monats Mai sein
Geburtstagsfest beging. Viele Barone hatten sich zum
Fest am Hofe versammelt und das Volk drängte sich
auf den Gassen, als die drei fremden Herrscher ihren
Einzug hielten. Cleomades, der Königssohn, ging
ihnen entgegen und begrüßte sie mit den geziemenden
Ehren, darauf wurden sie vor den König geleitet. Diesem
boten sie ihre Kleinodien dar, ohne ihm jedoch
den wahren Zweck ihrer Fahrt zu enthüllen. »Wir fordern
darfür«, sprach der listige Crompart, »nur eine
Gegengabe für uns alle drei.« »Und ich bewillige sie
euch,« erwiderte der König, »schont meiner Habe
nicht! Wählt unter meinen Burgen und Städten, unter
meinem Gold und meinen Edelsteinen, fordert kühn,
was euch gefällt, ich verspreche euch im voraus, daß
es euer ist.« Der Bucklige hub wieder an: »Herr, Ihr
macht uns froh, denn Ihr bewilligt uns reiche Gabe.
So wisset: um Eurer Töchter willen verließen wir
unser Land und sie verlangen wir von Euch. Ihr habt
uns unsere Bitte im voraus gewährt, nun nehmt die
Kleinodien, die wir Euch mitbrachten!« Marcadigas
sah, daß er hintergangen war und sein vorschnelles
Versprechen reute ihn wegen der Mißgestalt Cromparts,
aber ein König darf sein Wort nicht brechen.
Auch dem Königssohn mißfiel es, daß der Mann mit
dem Schweinsrüssel eine seiner Schwestern bekommen
sollte, er benachrichtigte die Jungfrauen und
diese spähten durch ein Loch in der Wand in den
Saal. Die beiden ersten gefielen ihnen nicht übel, aber
als sie den kleinen häßlichen Crompart sahen, da
fragten sie sich angstvoll, welcher von ihnen dieser
bestimmt werden sollte. Nachdem alles im Saale Platz
genommen hatte und Ruhe geboten war, nahm Melocandis
die goldene Henne und setzte sie mit ihren
Küchlein mitten in den Saal, und siehe, alle vier ließen
einen wunderlieblichen Gesang hören. Dem Könige
gefiel die Gabe sowohl wie der wohlgestaltete
Spender und auch Cleomades erklärte sich zufriedengestellt.
Melocandis verneigte sich vor dem König
und erhielt die älteste Tochter, die durch das Loch mit
Wohlgefallen den edlen Ritter betrachtete. Dann trat
Baldigant vor und überreichte dem König den Mann
aus Gold, indem er ihn dabei über dessen Eigenschaften
unterrichtete. Er erhielt die zweite Tochter und
neigte sich dankend vor dem Herrscher. Da geriet die
jüngste, welche Marina hieß, in große Not, denn ihr
blieb nur der häßliche Zwerg übrig. Cleomades, der
ihre Tränen sah, versprach, er wolle es so einrichten,
daß Crompart sie nicht zur Frau erhalten solle, und
über diese Worte wurde sie wieder ein wenig froh und
lächelte. Während sie solches in der Kammer besprachen,
hatte aber der Bucklige schon so geschickt mit
dem König geredet, daß dieser ihm seine Tochter zugebilligt
hatte. Cleomades verbarg seinen Zorn und
sprach leise zu seinem Vater: »Wollt Ihr Eure Tochter
ewiger Trauer überliefern, indem Ihr sie diesem mißgestalteten
Geschöpf zum Weibe gebt?« »Ich nahm
sein Geschenk und gab ihm mein Versprechen. Könige
lügen nicht.« »Herr,« wandte Cleomades ein,
»woher wißt Ihr, daß das Pferd die Eigenschaften besitzt,
die er an ihm rühmt? Erprobt zunächst die
Wahrheit seiner Worte und den Wert der Gabe!« Der
König war damit einverstanden und Cleomades setzte
dem Zwerg seine Zweifel auseinander. »Wenn Ihr das
Pferd besteigen wollt,« sagte Crompart mit hämischem
Lachen, »so sollt Ihr erfahren, ob ich log. Ertappt
Ihr mich auf Unwahrhaftigkeit, so mögt Ihr mit
mir machen, was Ihr wollt.« Der Treulose hatte wohl
gemerkt, daß Cleomades die Heirat hintertrieb, und er
suchte nach