ТОП просматриваемых книг сайта:
Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
der junge Tag. Drei Betten standen in der Kammer, in
welchen drei Jungfrauen ruhten, aber auf der rechten
Seite stand das schönste Lager, das je ein Mensch ge-
sehen. Es war von Gold, und Hyazinthen, Topase,
Rubinen und Saphire funkelten daran, weiße Felle
waren über die seidenen Decken gebreitet. In diesem
Bett ruhte die schöne Königstochter. Cleomades näherte
sich dem Lager, erblickte die anmutige Schläferin
und neigte sich über sie. Als er ihre Wangen aus
Milch und Purpur sah, faßte er sich ein Herz und
küßte sie, worauf sie erwachte und mit einem tiefen
Atemzug ihre Augen öffnete. Sie erschrak gewaltig,
als sie einen Mann vor sich stehen sah. Cleomades
ließ sich vor ihr auf die Knie nieder, um sie zu begrüßen,
und sie erwiderte ihm: »Lieber Herr, wie kommt
Ihr hierher? In dies Gemach darf kein anderer treten
als der Königssohn von Arkadien, mit dem ich in
meiner Kindheit verlobt wurde, ohne ihn je gesehen
zu haben. Sagt, seid Ihr der? Wenn nicht, so seid Ihr
des Todes, und wenn Euer Leben fünffache Kraft
hätte.« »Schöne Maid,« sprach der Königssohn, »ich
bin der, von dem Ihr spracht und werde alles tun, was
Euch gefällt.« »Wer führte Euch hierher?« »Niemand
weiß, daß ich kam. Die Sehnsucht nach Euch, meiner
Braut, trieb mich hierher. Nun, nachdem ich Euch gesehen,
will ich mich unverzüglich wieder entfernen,
denn um nichts in der Welt möchte ich Euch lästig
sein.« Die Jungfrau wurde froh, denn sie glaubte den
Worten des Jünglings, der ihr überaus wohlgefiel.
Seine Schönheit ergriff ihr Herz mit den Flammen der
Liebe und ebenso fühlte sich unser Held von Amors
Pfeil verwundet. Clarmondine weckte nun ihre Dienerinnen
und diese waren so sprachlos vor Verwirrung
über die Anwesenheit des Fremden, daß sie dessen
höflichen Gruß mit keinem Wort erwiderten. Cleomades
beschloß, das Gemach zu verlassen, bis die Prinzessin
sich erhoben hätte; doch versprach er nicht
eher zu gehen, als es ihr gefiele. Der Jüngling trat in
den Blumengarten, wo er sich liebeskrank niederließ
und den Duft der Blüten einsog. Clarmondine kleidete
sich indessen an und erzählte dabei ihren drei Gespielinnen
von dem jungen Ritter, den sie noch immer für
ihren Verlobten hielt. Als sie fertig waren, begaben
sie sich alle vier zu dem Königssohn in den Garten,
und dieser suchte zunächst in Erfahrung zu bringen,
in welchem Lande er eigentlich sei. Dabei sah er die
Jungfrau mit verliebten Augen an und die Liebe
schlug ihre Wurzeln in ihren Herzen. Schon lange
saßen sie so da in Gespräche und stumme Blicke vertieft,
da spähte der Riese, der die Königstochter behüten
sollte, durch ein kleines Fensterchen in den Garten.
Er erstaunte über die Maßen, als er den Ritter
sah, und er wußte nicht, wie er hineingekommen sei,
denn er glaubte alle Eingänge wohlverwahrt zu haben.
Sogleich eilte er zum König, um ihm Bericht zu erstatten.
Dieser geriet über solche Nachricht in grenzenlose
Wut. Eilends begab er sich an das Fenster
und gewahrte ein liebliches Bild: seine Tochter wand
aus Blüten einen Kranz, während ihre Gespielinnen
die Blumen dazu pflückten und der Jüngling die Seide
zusammenflocht, um den Kranz zu binden. Der
König, rasend darüber, daß ein Mann bei seiner
Tochter weile, ließ die älteste der Wärterinnen rufen,
um von ihr Rechenschaft zu fordern. Sie erzählte ihm
alles, was sie von Cleomades wußte, aber der König
merkte sogleich die Unwahrheit seiner Worte, denn
sein künftiger Schwiegersohn war ihm wohlbekannt.
Hastig trat er in das Gärtlein, und die Liebenden
sprangen erschrocken vor ihm auf. Der Jüngling begrüßte
den König, ohne Furcht zu zeigen, doch dieser
blieb ihm die Antwort schuldig und gebot, ihn augenblicklich
zu fesseln. Die Knechte legten Hand an den
Königssohn, der sich ohne Gegenwehr binden ließ.
Die Jungfrau aber kniete vor dem Vater nieder und
sprach: »Herr, dieser Mann tat mir kein Leid. Er ist
der arkadische Prinz, mein Verlobter, den Ihr mir
selbst zum Gatten bestimmt habt.« Der König sah an
den Mienen seiner Tochter, daß sie sich keiner Schuld
bewußt war. »Tochter,« sagte er, »es ist nicht der, den
Ihr meint. Nie sah ich diesen Mann. Wenn Euer Verlobter
ins Land käme, so sollten sich meine Schlösser
mit Scharen festlicher Gäste füllen. Doch dieser ist
ein Betrüger, der Euch Eure Ehre rauben will. Aber er
soll es büßen, denn ich will ihn lebendig schinden las-
sen, will ihm den Kopf abschlagen, ihn verbrennen,
hängen und lebendig begraben.« Cleomades erschrak,
weil man ihn auf einer Lüge ertappt hatte und ließ
sich gutwillig fortschleppen. Die Mutter suchte Clarmondine
zu trösten, aber ihr Herz war nicht in ihrem
Leib, sondern wanderte mit dem Königssohn in den
Kerker, und wo das Herz nicht ist, da ist jeder Trost
umsonst. Cleomades stand in Banden geschlagen und
von Bewaffneten umgeben im Hofe, als die Königin
zu ihm trat, und trotz seiner Erniedrigung schien er
ihr schön und liebenswert. Man fragte den Jüngling
nach Name und Heimat, aber er schwieg hartnäckig.
Erst als der König ihm vorwarf, daß er der Ehre seines
Kindes nachgestellt habe, antwortete er hastig,
daß er nichts Böses gegen die Prinzessin im Schilde
geführt habe, und er erzählte eine halb wahre, halb erdachte
Geschichte, wie Feen ihn entführt, ihn auf ein
hölzernes Zauberpferd gesetzt und hier abgeladen hätten.
Er erklärte