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Monster. Manuel Blötz
Читать онлайн.Название Monster
Год выпуска 0
isbn 9783742777461
Автор произведения Manuel Blötz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die grauen Strähnchen zwischen meinen dunklen Haaren finde ich jedoch durchaus sexy, nur eben nicht sexy genug, um damit an den Strand zu gehen.
Mal abgesehen vom Planschbecken und der Badewanne, habe ich es bisher gut hinbekommen, meine Füße auf dem Trockenem zu lassen. Nur heute musste ich den festen Untergrund leider gegen ein Schiff der Küstenwache eintauschen.
Es war Herbst und der kalte Wind, der über das offene Meer auf mich eindrosch, machte mir stark zu schaffen. Die See war unruhig, so dass das Boot der Wasserschutzpolizei auf eine Welle auffuhr, und anschließend vorwärts von ihr herunter kippte. Ich bin für diesen Scheiß wirklich nicht gemacht. Mir war kotzübel und ich konnte nichts dagegen machen. Wenn ich die Augen schloss, drehte sich alles, so wie man nach einer großen Sauftour im Bett noch Karussell fährt. Mit geöffneten Augen war es genauso, nur dass ich sehen konnte, wie es hoch und herunter ging. Der Kapitän versuchte, mich zu beruhigen, indem er mir erklärte, dass es am Ziel unserer Fahrt deutlich ruhigere Gewässer gäbe und ich hoffte, dass es so wäre.
Wir fuhren hinaus auf die Nordsee zu einem, wie die Küstenwache uns mitteilte, skurrilen Tatort. Die Reise dauerte etwa zwei Stunden. Der Kapitän gab mir den zusätzlichen Rat mich in der Mitte des Bootes aufzuhalten, weil es da am ruhigsten sei. Wenn dieser Ort allerdings der Platz war, der am wenigsten Übelkeit verursachte, dann würde ich mich bis zur Ankunft nicht vom Fleck bewegen. Weder nach vorne, noch nach hinten. Meine Freundin Dana sagt immer, dass ihr schlecht wird, wenn sie im Auto etwas liest. Sie sollte es mal auf einem schaukelnden Schiff ausprobieren.
Der Wind wurde stärker, aber der Seegang erstaunlicherweise nicht. Das Wasser wurde flacher, bis es am Ende nur noch unser Boot war, das wie ein stumpfes Messer die glatte Oberfläche auseinanderriss.
Ich versuchte, mich ein bisschen auf das vorzubereiten, was mich nach einer halben Stunde erwarten würde. Besonders viel gab es da nicht, aber die wenigen Informationen waren auch genug. Widerlich!
Die Wolken über uns hatten sich verzogen und links von uns versank die Sonne in einer Mixtur aus Rot- und Orangetönen sprichwörtlich im Meer. Ich sah auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass es kurz nach sechzehn Uhr war. Je tiefer die Sonne von den Fluten verschlungen wurde, desto höher wurden die Nebelschwaden, die sich auf der Wasseroberfläche vor uns auftürmten, bis die Sicht auf unter fünfzig Metern sank. So schön das Schauspiel eben auch war, jetzt wurde es unheimlich. Etwas schimmerte durch die dicke Suppe aus Wolken hindurch und als wir näher kamen, schälte sich eine große Yacht, aus der dunklen Nebelwand heraus.
Es dauerte eine ganze Zeit lang, bis ich die gesamte Größe erfassen konnte, die sich da vor mir auftat. Obwohl ich viel am Hafen von Schilksee spazieren gehe, hatte ich noch nie ein so riesiges Schiff gesehen, das sich im Privatbesitz befand. Alles an der Yacht wirkte perfekt. Von außen war sie in einem makelosen weiß lackiert und drei Stockwerke hoch. Die Fenster und Bullaugen waren in einem symmetrischen Schwung aufeinander abgestimmt worden. Der Bug lief zu einer eleganten Spitze zusammen. Das Heck war abgeflacht und lud dazu ein von dort aus direkt in das kühle Nass zu springen. Sie hing wie ein riesiger weißer Stein, der aus der pechschwarzen Erde herausguckte, in der See. Es war, als würde sie in den Fluten feststecken und als wir nah genug waren, leuchtete sie wie ein Weihnachtsbaum.
Wir fuhren vom Heck aus Steuerbord, also links, an ihr vorbei, bis wir an der Hälfte angekommen waren, wo sich die Anlegestelle befand.
Durch die Fenster konnte ich sehen, dass im Inneren reges Treiben herrschte. Vor mir befanden sich zwei Welten. Die Grausamkeiten, die sich in der Yacht abgespielt hatten, waren der absolute Gegensatz zu der wunderschönen Eleganz, welche sie von außen widerspiegelte.
An der Reling standen ein paar Polizisten der Küstenwache und kotzten sich die Seele aus dem Leib. Einige andere, die sich zusammenreißen konnten, hielten sich daneben auf und und winkten uns zu. Ich wunderte mich ein wenig darüber, da ich davon ausging, dass die Kollegen von der Wasserschutzpolizei mit den Witterungen besser klarkommen würden als ich. Ich war stolz auf mich, weil ich es bis hierher geschafft hatte, ohne mich zu übergeben.
Der Kapitän trat neben mich.
»Wir machen gleich fest. Sie können dann umsetzen.«
Der Gerichtsmediziner erwartete mich bereits an der Anlegestelle. Wenn man eine Strickleiter, die an der Seite der Yacht runter baumelte, überhaupt so bezeichnen konnte.
»Sollten ihre Kollegen da drüben nicht ein bisschen seefester sein?« Ich zeigte auf die würfelhustenden Herren.
»Seefest sind sie alle, Herr Logat, aber ihnen wird bestimmt bekannt sein, was sich dort abgespielt hat. So etwas Abartiges haben auch meine Leute noch nicht gesehen.« Er taxierte mich mit einem und-jetzt-halt-die-Fresse-Blick und ich verstand die stumme Botschaft.
Es schaukelte und quietschte, als die Fender am Boot der Küstenwache gegen die der Yacht stießen.
In mir kribbelte es ganz widerlich, als ich daran dachte, dass ich da gleich hochklettern musste. Ich stellte mir vor, wie das Boot eine Bewegung machte, ich mich nicht mehr festhalten könnte und zack, da ist der Hai und die Titelseite zeigt mein Foto.
Wir kamen der Strickleiter immer näher und ich konnte darunter den Namen der Yacht lesen. Samphire. Ein schöner Name, ich weiß zwar nicht, was er bedeutet, aber in Anbetracht dessen, was ich aus der Akte über die Vergangenheit des Kapitäns wusste, wird es nicht der Name seiner Exfrau sein. Ich glaube, dann hätte er den Kutter versenkt.
Der Beamte der Wasserschutzpolizei warf in dem Moment, als das Boot dicht genug dran war, ein Seil hinüber zur Samphire und der Kollege, der das Tau fing, band es an eine Klampe fest. Jetzt war Showtime, meine letzten Sekunden. Noch konnte ich zurück, aber das wäre feige gewesen und ich war kein Feigling. Ich griff nach der Leiter und bemerkte, dass sie zwar flexibel, aber auch stabil war. Sie sah gar nicht danach aus, aber es ging erstaunlich einfach, sie hochzuklettern. Auf der vorletzten Stufe wedelte der junge Kollege mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und ich griff beherzt zu. Er konnte sich gerade noch festhalten. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, zog er mich souverän nach oben. Ich wollte mich entschuldigen, aber ich fror. Meine Beine zitterten und ich musste ins Warme. Ich umkurvte den großzügigen Pool und ging durch die Glastür in den Salon.
Ich konnte zwar schon von außen sehen, was mich erwartete, aber als mir der Geruch zusätzlich in die Nase stieg, fühlte es sich an, als wenn ich ein Brett vor den Kopf geschlagen bekommen hätte. Der Begriff »skurril« war mehr als untertrieben.
Ich hatte schon viele Dinge gesehen, grausame, eklige, widerliche, Frauentausch auf RTL II, aber das hier ließ alles andere niedlich erscheinen. Sogar der Gerichtsmediziner hielt seine Hand schützend vor den Mund.
Dr. Florian Kontz, war ein schlaksiger großer Mann. Er hatte eine Harry Potter Brille, die sein schmales Gesicht, noch schmaler machte. Seinen kurzen Bürstenhaarschnitt versteckte er unter einem Baseballcap mit der Aufschrift »Coroner«, welches das englische Wort für Gerichtsmediziner war. Er hatte seinen Blick nach unten gerichtet und schüttelte den Kopf leicht hin und her. Wenn jemand, der sonst mit einer Astschere die Rippen irgendwelcher Leichen durchknackt, sich vor einem Tatort ekelt, dann soll das schon was heißen.
Es stank nach Blut, Urin und, sagen wir ruhig, wie es war, Scheiße. Der Fußboden, ein riesiger See aus gemischten Körperflüssigkeiten, klebte unter den Schuhen und jeder meiner Schritte hinterließ ein schmatzendes Geräusch.
Wir standen in einem Raum, den man durchaus als Herrenzimmer bezeichnen könnte. Es gab einen monströsen Holztisch aus Mahagoni, der an den Rändern abgeschliffen und mit aufwendigen Gravuren verziert worden war. Er glänzte unter dem Licht der eleganten Kronleuchter, die darüber hingen. Die Feuerstelle in der Ecke bestand aus einem Kamin, der mit handgefertigten Schnitzereien übersäht war. Er sah aus