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Monster. Manuel Blötz
Читать онлайн.Название Monster
Год выпуска 0
isbn 9783742777461
Автор произведения Manuel Blötz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Das Monster! Das Monster kommt! Haltet es auf. Ich kann es hören!«
Es dauerte nur ein paar Sekunden lang, dann klappte Carsten zusammen wie ein nasser Sack. Ich sah den Arzt an, der nun völlig abgekämpft vor mir stand.
»Er erinnert sich also doch noch.«
Dr. Kleinfeld bückte sich zu Svensson runter und legte seine Finger an seinen Hals.
»Möglich, aber wir werden es wohl nicht mehr erfahren. Er ist tot.«
In der Nähe von Swakopmund, Namibia 2004
»Du hast ja richtig Eier, Lemalian. Das sieht man dir gar nicht an!« Der dicke Mann lachte laut auf und sein großer runder Bauch schwabbelte dabei wie Wackelpudding hin und her. Er hatte einen Sonnenbrand im Gesicht, der selbst jetzt noch in der Dunkelheit hell zu leuchten schien. Seine schwülstigen Wangen glühten regelrecht, aber es störte ihn nicht. Vielleicht lag das aber auch an der Unmenge an Bier, die er in sich hineingeschüttet hatte.
Der alte Campingstuhl auf dem er saß, bog sich bedrohlich durch und quietschte bei jeder seiner Bewegungen. Er schien jeden Moment zusammenzubrechen.
»Ja, was ist aus dem Mann geworden, der immer nur eingeschüchtert an seinem Schreibtisch saß? Der Mann, den wir auf die Partys drängen mussten und wenn es ein bisschen nach Stress aussah, bist du der Erste gewesen, der sich vom Acker gemacht hat.« Neben dem Dicken saß ein weiterer Mann, der etwa im gleichen Alter wie Lemalian war. Sein kantiges Gesicht wirkte wie das eines US Marines. Er hatte kurz geschorene Haare und ein glatt rasiertes Gesicht. Die Oberarme, die aus dem T-Shirt ragten, ließen seine Zielstrebigkeit erahnen, denn seine Muskeln waren klar definiert und seine Bräune ging bis unter das Shirt. Er schien sich gesund zu ernähren und dennoch kippten er und seine zwei Freunde hier ein Bier nach dem anderen.
Eigentlich hätte der Junge in seinem Bett liegen und schlafen sollen. Seine Mutter hatte ihn gebeten heute ausnahmsweise mal eher in sein Zimmer zu gehen, weil sein Vater etwas Geschäftliches mit den Herren besprechen wollte. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass er bei dem Gespräch nicht dabei sein durfte. Er saß auf seinem Bett und horchte in die Dunkelheit hinein. Das Licht ließ er ausgeschaltet, weil er glaubte, besser hören zu können, wenn er nichts sehen konnte, da dadurch seine anderen Sinne geschärft wurden.
Seine Mutter musste gerade den Abwasch machen, weil er das Klappern der Teller und der Gläser durch die geschlossene Tür hören konnte. Ansonsten war es ruhig und das machte ihm Sorgen. Normalerweise sang sie dabei immer ein Lied vor sich hin und wenn er ihr bei der Arbeit half, sang er mit. Er versuchte, dann immer den Text mitzusingen, auch wenn er ihn nicht kannte.
Doch sie blieb still und sie wirkte auch bei der Ankunft der vier Männer heute Mittag sehr angespannt, was auch nicht normal war, denn sie war Gästen gegenüber immer sehr offen und aufgeschlossen. Es war nicht so, dass die Männer unfreundlich oder bösartig waren, aber sie war trotzdem nicht glücklich über den Besuch.
Er wartete darauf, dass es im Haus ruhig wurde und öffnete das Fenster. Er hatte diesen Weg schon oft genutzt, wenn er nicht schlafen konnte, oder wollte, um unbemerkt aus seinem Zimmer zu verschwinden. Seine Eltern hatten ihn noch nie dabei erwischt und heute würden sie es wahrscheinlich auch nicht tun, denn sie waren beide zu sehr damit beschäftigt, sich um die Gäste zu kümmern. Er kletterte hinaus und seine nackten Füße berührten den sandigen Boden. Der dünne kühle Wüstensand glitt durch seine Zehen. Er starrte in die Dunkelheit. Es schien fast so, als wenn es hier draußen noch dunkler war als in seinem Zimmer. »Tiger haben keine Angst«, versuchte er sich zu beruhigen. Er hörte das Rascheln des Steppengrases, das im leichten Abendwind hin und her schaukelte. Aus der Ferne nahm er auch die gedämpften Stimmen der Männer wahr, die sich auf der anderen Seite des Hauses miteinander unterhielten. Er kannte den Garten wie seine Westentasche und fand daher auch ohne Probleme die alte Holzleiter, die an der Wand lehnte und sich trotz ihrer hellbraunen Farbe nicht von der umliegenden Schwärze abhob.
Leise und vorsichtig kletterte er jede einzelne Sprosse nach oben. Er hatte keine Angst davor, dass er fallen könnte, sondern eher, dass die Leiter Geräusche machen würde. Das leise Quietschen, welche das Holz bei jedem Schritt von sich gab, kam dem Jungen wie ein lauter Knall vor, den jeder hören musste.
Er war erleichtert, als er über den kleinen Sims auf das Dach stieg. Jetzt konnte er wieder gut sehen. Das kleine Feuer im Garten, um das die Männer und sein Vater herumsaßen, leuchtete auf dieser Seite des Hauses so hell, dass er befürchtete, sie könnten ihn sehen, wie er über ihnen war und lauschte.
Sein Vater erzählte gerade die Geschichte davon, wie er einst mit seinem Auto auf dem Weg in die Stadt eine Reifenpanne hatte und das Reserverad anbauen musste. Er war so sehr darin vertieft, den Ersatzreifen anzuschrauben, dass er nicht bemerkte, wie sich ein Löwe von hinten an ihn heranschlich.
Er hatte diese Geschichte schon sehr oft gehört.
Lemalian fuhr gerade die sandige Straße entlang, die das kleine Dorf etwas außerhalb von Swakopmund mit der Stadt verband. Eigentlich waren es nur zehn Häuser, von denen zwei leer standen. Was mit den Bewohnern passiert war, ließ sich nicht mehr feststellen. Eines Tages waren sie einfach verschwunden und niemanden hatte es besonders gekümmert. Vielleicht waren sie von wilden Tieren getötet worden, oder sie sind einfach abgehauen, wer weiß das schon. Es interessierte auch keinen, weder die Polizei noch seine Eltern haben jemals versucht sie zu finden, dafür gab es zu viele Menschen, die hier einfach verschwanden. Selbst wenn sie ermordet vor der Haustür gelegen hätten, hätte die Polizei nur das Nötigste getan, um herauszufinden, wer sie getötet hatte und nach kurzer Zeit die Ermittlungen eingestellt. Würde so etwas jedoch in der wohlhabenderen Gegend der Innenstadt passieren, wäre die Lage anders. Die Behörden hätten so lange nach dem Täter gesucht, bis sie ihn gefunden hätte. Für den Fall, dass sie nicht den Richtigen finden würden, hätten sie einfach einen Penner aus der Gosse geholt und den dann dafür gehängt. Die Aufklärungsrate in diesem Bereich der Stadt liegt nahe der hundert Prozent, so erzählte man sich zumindest.
Die Straße hatte ihre Bezeichnung eigentlich nicht verdient. Es waren eher nur zwei parallele Spurrillen, die durch die Wüste führten. Lemalian wusste, dass es nur seine Spuren sein konnten, weil sonst niemand in die eine oder andere Richtung fahren würde. Er nutzte diesen Weg jeden Tag mindestens zwei Mal und achtete darauf, dass er die Spuren genau traf. Mittlerweile konnte er das Lenkrad seines Toyotas an einigen Stellen sogar loslassen, weil sich die Räder wie auf Schienen durch den Sand zogen.
An diesem Tag jedoch hatte sich neuer Sand über die Spuren gelegt, weil es in der Nacht zuvor einen Sturm gegeben hatte. Lemalian wusste aber, wo sie waren, dafür war er hier schon viel zu oft lang gefahren.
Es war noch immer sehr diesig, der feine Sand schwirrte durch die Luft und verursachte dadurch eine Art Nebel. Lemalian sah daher den kleinen weißen Gegenstand, der aus der frischen Sandschicht herausragte, erst in dem Moment, als er ihn auch schon fast überfahren hatte. Er trat noch auf das Bremspedal und versuchte das Lenkrad nach links zu reißen, doch es war schon zu spät. Es gab einen lauten Knall und fast zeitgleich fing der Toyota an, sich aufzuschütteln. Das Lenkrad zitterte und vibrierte, während er versuchte, das Auto zum Stehen zu bekommen. Lemalian fluchte laut und trommelte mit den Fäusten auf das Armaturenbrett. Normalerweise war er ein sehr ausgeglichener Mann, den nichts so schnell aus der Ruhe bringen konnte, aber an diesem Tag hatte er es eilig. Er blickte auf den Beifahrersitz. Das Paket musste unbedingt noch rechtzeitig in die Stadt. Die Post würde bald zumachen.
»Scheiße!« Er fluchte eigentlich nicht und noch seltener auf Deutsch, aber für diese Situation fiel ihm nichts Besseres ein. Er fuhr den Wagen langsam auf die freie Fläche neben seiner Spur, stieg aus und hielt sich ein Tuch schützend vor das Gesicht. Der Sand war jedoch so fein, dass er durch seinen Schutz hindurch dringen konnte. Sein Mund wurde ganz trocken und der feine Kies knirschte zwischen den Zähnen. Seine Augen brannten und er war kurz wieder versucht,