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Monster. Manuel Blötz
Читать онлайн.Название Monster
Год выпуска 0
isbn 9783742777461
Автор произведения Manuel Blötz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Seine Eltern waren ausgewandert, als er ein Jahr alt war. Sein Vater ist gebürtiger Namibier und träumte immer davon eines Tages wieder zurück in seine Heimat zu gehen. Seine Mutter war anfangs nicht begeistert davon, aber nachdem sie hier beide einen Urlaub verbracht hatten, konnte sie gar nicht mehr aufhören von der Lebensfreude der Menschen zu sprechen. Der Junge wurde zwar nicht in Namibia geboren, aber seine Eltern erzählten ihm, er sei hier gezeugt worden und das machte ihn stolz.
Seine Großeltern aus Deutschland waren nicht glücklich darüber, dass sie hierher gezogen sind. Die Eltern von Antonia, seiner Mutter, waren die einzigen Großeltern, die er noch hatte. Die seines Vaters waren schon vor sehr langer Zeit gestorben.
Seine Oma und sein Opa waren natürlich besondern traurig darüber, dass sie ihren einzigen Enkel nur dann sehen konnten, wenn sie nach Namibia reisten.
Er freute sich jedes Mal, wenn sie zu Besuch kamen, und lauschte gespannt den Geschichten, die sie aus ihrer Heimat mitbrachten. Sie redeten in Deutsch mit ihm, was er sehr gut fand und sie lobten ihn immer, wie toll er die Sprache beherrschte. Sie brachten Fußballsammelkarten mit und er war ein großer Fan des FC Bayern München. In seinem Zimmer hingen Poster von der Mannschaft und er trug so oft es ging das Trikot seines Lieblingsvereins.
An einem Abend hörte er, wie sich seine Eltern mit seinen Großeltern stritten. Vorher hatten sie noch gemeinsam zu Abend gegessen. Seine Mutter hatte einen typisch afrikanischen Kürbis-Lamm-Eintopf gemacht, der sehr lecker geschmeckt hatte. Dazu gab es Rotwein, den seine Großeltern mitgebracht hatten.
»Mein Junge, du musst jetzt sehr stark sein, aber dieses Jahr wird wohl Werder Bremen die Meisterschaft gewinnen.«, sagte sein Opa mit gespielter Traurigkeit.
»Das macht nichts Opa, dann gewinnen sie eben im nächsten Jahr.« Nico stellte sich vor, wie er im Stadion sitzen und seine Mannschaft nach vorne brüllen würde.
Wie es in Namibia üblich ist, gab es als Nachtisch einen Karottenkuchen. Nachdem er diesen aufgegessen hatte, schickten seine Eltern ihn unter Protest ins Bett. Er wollte natürlich noch nicht schlafen gehen, aber sein Vater bestand darauf. Viel lieber hätte er mit seinem Opa noch über Fußball gefachsimpelt.
Seine Oma hatte ihm das aktuelle Poster vom FC Bayern München aus dem Kicker mitgebracht und er hatte es an die Decke über seinem Bett geklebt. Da er nicht schlafen konnte, lag er einfach nur da und starrte auf das Bild.
Als die Stimmen aus dem Wohnzimmer lauter wurden, stand er auf und schlich sich an die Tür um besser zu verstehen, worum es ging.
»Es fehlt ihm an nichts. Er geht zur Schule, bekommt regelmäßig zu Essen und fühlt sich hier wohl.« Er kannte die Stimme seines Vaters und erkannte am Klang, dass er sich bemühte, nicht die Fassung zu verlieren.
»Ihr lebt in einer verdammten Lehmhütte irgendwo im nirgendwo« Es war sein Opa. »Meine Tochter ist den ganzen Tag damit beschäftigt, draußen im Garten eure Lebensmittel zu wässern.«
»Mir geht es gut, Vater.« Seine Mutter mischte sich mit ein, wobei ihre Stimme eher verhalten klang.
»Natürlich geht es dir gut.« Der Sarkasmus war nicht zu überhören. »Wieso solltest du auch in Deutschland leben, wo dein Mann in meiner Firma arbeiten und gutes Geld verdienen könnte? Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du dieses Leben hier freiwillig vorziehst?!«
»Papa, ich liebe meinen Mann. Ich möchte, dass es ihm gut geht und außerdem lebe ich gerne hier.«
»Es ist, als würde ich gegen eine Wand reden. Du hattest früher so große Pläne, du wolltest Ärztin werden und jetzt sieh dich an. Du lebst Tür an Tür mit Ziegen.«
Er hatte diese Gespräche schon oft gehört, wenn seine Großeltern hier waren. Sie und seine Eltern tranken zu viel Wein und stritten sich anschließend immer darüber, warum sie nicht in Deutschland leben würden. Irgendwann gingen alle ins Bett und am nächsten Morgen sprachen sie nicht weiter über dieses Thema.
Er wusste nicht, ob er überhaupt in Hamburg leben wollte. Hier hatte er seine Freunde in der Schule und es fehlte ihm tatsächlich an nichts.
Aber es war auch spannend darüber zu grübeln, wie es sein würde auf eine deutsche Schule zu gehen.
Wenn er wollte, könnte er sich die Bayern-Spiele im Fernsehen anschauen und vielleicht sogar mal mit dem Zug ins Stadion fahren. Aber das würde er ja ohnehin bald machen. Sein Opa wollte ihn zu seinem dreizehnten Geburtstag abholen und für vier Wochen mit nach Deutschland nehmen.
Nach einer Woche reisten seine Großeltern wieder ab. Sie verbrachten nie viel Zeit in Namibia. Sie fühlten sich hier nicht besonders wohl. Doch dieses mal war es anders. Sie waren angespannt und er bemerkte, dass sein Opa sich seinem Vater gegenüber nicht wie üblich verhielt. Irgendetwas musste bei dem Streit doch anders verlaufen sein, denn sie sprachen kein Wort mehr miteinander.
Sie aßen noch einen weiteren Abend zusammen, aber es wurde nicht mehr viel geredet. Sie saßen still auf ihren Plätzen und hatten die Blicke auf ihre Teller gerichtet. Nachdem sie aufgegessen hatten, standen alle auf und seine Großeltern fuhren mit ihrem Mietwagen in die Stadt. Bisher hatte sie sich nie ein Hotel genommen, sondern blieben die komplette Woche im Dorf. Sie feierten die abendlichen Partys mit, die die Einwohner ihnen zu ehren gaben und machten dabei auch immer den Eindruck, als wenn es ihnen gefallen würde. Natürlich war es dann am letzten Tag immer ein tränenreicher Abschied, wenn sie zum Flughafen zurückfuhren.
Er machte sich große Sorgen um seine Großeltern, weil sie nur kurz am letzten Tag vorbeischauten, um sich zu verabschieden. Seine Oma weinte mehr als sonst und er hatte das Gefühl, dass ihre Tränen dieses mal nicht ihm galten, sondern mehr seiner Mutter. Sein Opa hingegen würdigte seinem Vater keines Blickes.
Wenn Nico seinen Vater fragte, was denn los war, bekam er stets keine Antwort.
So verstrich die Zeit und bald darauf hatte er den Zwischenfall wieder vergessen.
Es waren nur noch 4 Tage, bis sein Opa ihn abholen wollte und er hatte ein bisschen Angst davor. Er war noch nie lange von zu Hause weg gewesen und er hatte auch noch nie in einem Flugzeug gesessen. Hin und wieder flog mal eines über sein Haus hinweg, aber er hatte noch keines von ganz nah gesehen. »Machst du dir Sorgen?« Seine Mutter war die Leiter hochgeklettert und ihr Kopf lugte über den Rand des Daches. Verdammt, dachte er sich. Wie konnte sie sich so anschleichen? Er hatte es nicht mitbekommen. Ein toller Tiger bist du.
»Nein Mama. Du weißt doch, dass ein Tiger keine Angst hat.«
»Es ist aber keine Schande Angst zu haben. Auch Raubtiere fürchten sich hin und wieder vor Dingen. Weißt du, das muss so sein, denn Angst kann auch etwas Gutes sein.«
»Ja? Wieso ist es gut, wenn man Angst hat?«
»Weil sie dich davor bewahren kann, etwas Dummes zu tun.« Nico nickte und sie lächelte ihn müde an. Er war ihr kleiner Sonnenschein.
Antonia und Lemalian hatten lange Zeit versucht, ein Baby zu bekommen, aber es hatte nicht funktioniert. Sie ließen sich auf alles testen, aber es gab keinen Grund dafür, dass sie nicht schwanger wurde. Irgendwann fassten sie den Entschluss, in eine Klinik zu gehen und sich künstlich befruchten zu lassen. Den Preis dafür, konnten sie jedoch nicht aufbringen. Antonia weinte sich jeden Abend in den Schlaf, sie sehnte sich so sehr nach einem Baby. Lemalian wollte ihr dieses Glück schenken, aber er wusste nicht wie.
Eines Abends lagen sie gemeinsam im Bett und schauten sich eine Dokumentation über Namibia an. Sie verfolgten aufmerksam, wie der Reporter sich mit einem Zelt durch die Wüste schlug und dabei erklärte, wie man den Gefahren der Savanne in die Augen sehen musste.
»Vermisst du es?«, fragte Antonia mit leiser Stimme.
»Was vermissen?«
»Deine Heimat. Vermisst du es, dort zu sein?«
»Natürlich. Aber ich würde dich viel mehr vermissen.«
»Das