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Schultern und wurde ernst. „Warum bist du so wütend? Habe ich dir irgendetwas getan?“

      Fassungslos blickte ich ihn an. „Du wolltest meine Schwester umbringen!“

      „Sie wollte mich genauso umbringen“, erwiderte er unbeeindruckt. „Aber das ist vorbei. Wir haben uns auf einen Waffenstillstand geeinigt.“

      „Vermutlich bist du froh darüber, dass sie bald Jahre im Gefängnis verbringen wird, oder?“, warf ich ihm vor.

      „Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass sie nicht das bekommen hätte, was sie verdient. Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich Mitgefühl mit jemandem habe, der Schuld am Tod meiner kleinen Schwester ist“, sagte er eindringlich. Natürlich hatte er Recht. Er bewies bereits enorme Größe, indem er seine Rachegedanken gegen sie aufgab. Auch wenn ich ihm in der Hinsicht noch nicht ganz glaubte. Vielleicht plante er auch nur den nächsten Schachzug gegen sie.

      Liams Hand strich sanft über meinen Arm, während er mir in die Augen sah. „Ich hatte gehofft du würdest dich freuen mich wiederzusehen. Aber mir kommt es fast vor, als wäre es dir lieber ich wäre immer noch tot.“

      Ich schüttelte den Kopf und wehrte mich nicht gegen seine Berührung. „So ist das nicht. Ich bin froh, dass Eliza es geschafft hat dich wiederzubeleben. Aber ich möchte einfach mein stinknormales, langweiliges Leben zurück haben und da ist kein Platz für einen Schattenwandler, der auch noch mein Lehrer ist.“ Ich sah ihn zugleich entschuldigend und flehend an. „Wenn du mir wirklich einen Gefallen tun willst, dann bewerbe dich bitte an einer anderen Schule.“

      Er zog seine Hand zurück und ein beleidigter Ausdruck lag in seinen Augen, als er sagte: „Ich fühle mich ziemlich wohl hier. Abgesehen von dir, finden mich alle toll. Es wäre nicht fair sie zu enttäuschen.“

      Wütend trat ich zurück. „Die anderen sind dir doch völlig egal! Es macht dir lediglich Spaß mich zu ärgern.“ Ohne auf eine weitere Antwort von ihm zu warten, verließ ich den Raum. Dairine war nirgends mehr zu sehen. Früher hätte sie auf mich gewartet.

      In der Mittagspause balancierte ich mein Tablett durch die Schülermassen und an den besetzen Tischen vorbei. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie jemand wild winkte und hob den Kopf. Ich sah Dairine, die zusammen mit Lucas, Evan und anderen Jungen der Fußballmannschaft an einem Tisch saß. Sie deutete auf einen freien Stuhl neben sich, doch bei Lucas zu sitzen, war das Letzte, was ich wollte. Ich fragte mich allerdings, was Dairine bei ihnen machte. Früher war sie eine Außenseiterin und stolz darauf gewesen. Wir gegen den Rest der Schule. Diese Zeit war scheinbar vorbei.

      Ich sah mich nach einem anderen freien Platz um und entdeckte in einer Ecke Mona und Aidan, die mich anlächelten als unsere Blicke sich begegneten. Ein Teil von mir sehnte sich nach ihnen, aber ein anderer Teil war zu stolz ihnen so leicht zu verzeihen, sodass ich mich alleine in der Mitte des Raums an einen Tisch setzte.

      Ich stocherte lustlos in meinen Nudeln herum und spielte mit dem Strohhalm, der in meiner Cola steckte, als sich plötzlich jemand meinem Tisch nährte. Wendy Smith baute sich vor mir in Begleitung zwei ihrer Freundinnen auf. Ein falsches Lächeln zierte ihr Gesicht. „Hallo Winter, geht es dir gut?“, fragte sie scheinbar freundlich.

      „Ja“, antwortete ich unsicher, es hörte sich jedoch mehr nach einer Frage an. Was wollte sie von mir? Von einem Mädchen wie Wendy war selten etwas Gutes zu erwarten.

      „Ich habe gehört, du hattest einen Nervenzusammenbruch und warst in einer Psychiatrie. Stimmt das?“

      „Ja“, erwiderte ich geknickt. Es war sowieso sinnlos es abzustreiten. Überraschenderweise ließ sich Wendy nun mir gegenüber auf den Stuhl sinken und beugte sich vertraulich zu mir vor. „Arme Winter, aber ich kann dich verstehen.“ Verwirrt sah ich sie an. „Wenn ich eine Mörderin zur Schwester hätte, würde ich auch durchdrehen“, zischte Wendy gehässig.

      Meine Kehle schnürte sich mir zu. Ich hatte das Gefühl Eliza verteidigen zu müssen, aber kein Ton kam aus meinem Mund. Ich starrte sie nur mit großen Augen an.

      „Du hättest sie umbringen sollen, das wäre für alle das Beste gewesen“, fuhr Wendy fort. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Doch ehe ich einen Fehler begehen konnte, trat Dairine in Begleitung von Evan plötzlich an unseren Tisch.

      „Geh jemand anderem auf die Nerven“, forderte Evan streng. Überraschenderweise hörte Wendy auf ihn, ohne Widerworte zu geben und stolzierte mit ihren Freundinnen aus der Cafeteria.

      „Danke“, sagten Dairine und ich zeitgleich, worauf sie kicherte und Evan vertraut auf die Schultern klopfte. „Sehen wir uns später?“

      Ihre Stimme klang dabei ganz ungewohnt. Viel höher und sanfter als ich es von ihr gewohnt war, fast etwas unsicher. Evan grinste sie an. „Ich komme nach dem Training bei dir vorbei.“

      „Ich freue mich“, flötete Dairine und sah ihm nach, als er mit den anderen Jungen der Fußballmannschaft den Saal verließ. Mit verträumtem Gesichtsausdruck ließ sie sich seufzend neben mir nieder. Vor lauter Überraschung vergaß ich sogar wütend auf sie zu sein. „Habe ich da etwas verpasst?“

      Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. „Wir wollen es langsam angehen lassen.“

      „Wie kommt es? Fandest du Fußballspieler nicht immer doof?“, fragte ich sie verdutzt.

      „Finde ich immer noch, aber Evan ist ganz anders, als ich es erwartet hätte. Er ist einfühlsam und wir können super miteinander reden“, schwärmte sie.

      Ich hatte sie noch nie so glücklich gesehen und freute mich für sie, aber gleichzeitig tat es weh, dass sich in meiner Abwesenheit so viel in ihrem Leben verändert hatte und ich nicht dabei gewesen war. Während sich bei ihr alles zum Positiven wendete, ging bei mir alles den Bach runter.

      Dairine sah mich mitfühlend an, als sie meinen traurigen Gesichtsausdruck bemerkte. „Ich weiß, du hast es gerade nicht leicht, aber ich bin immer für dich da, wenn du reden möchtest. Du bist und bleibst meine beste Freundin!“

      „Das habe ich gemerkt“, zischte ich. Sie wich schuldbewusst vor mir zurück. „Es tut mir leid, dass ich dich nicht mehr in der Klinik besucht habe“, entschuldigte sie sich. „Aber ich konnte einfach nicht vergessen, wie du warst, als ich das eine Mal bei dir war. Ich hatte das Gefühl mit einer Fremden zu sprechen.“

      Ich gab ein abfälliges Grunzen von mir. „Genau so geht es mir, wenn ich dich jetzt ansehe.“

      Sie fuhr unbeirrt fort: „Du warst nicht du selbst, sondern voller Hass und hast kaum ein Wort gesagt. Ich konnte damit nicht umgehen.“

      „Ich war in der Psychiatrie, was hast du erwartet? Dachtest du etwa sie würden mir rosa Pillen geben und alles wäre wieder gut?“ Ich schrie sie an, ungeachtet der anderen Schüler, die sich bereits zu uns umdrehten. Es wusste doch ohnehin schon jeder, wo ich die letzten Monate gewesen war.

      Dairine beugte sich alarmiert zu mir vor und wollte ihre Hand beruhigend auf meine legen, doch ich ließ sie nicht. „Nein, natürlich nicht, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie dich deiner Persönlichkeit berauben würden“, etwas trauriger fügte sie hinzu: „Du hast nicht einmal mehr gelacht.“

      „Entschuldige, dass es nichts gab, worüber ich hätte lachen können“, schnaubte ich sarkastisch. Dairines Worte waren für mich nur lahme Ausreden und das tat mehr weh, als wenn sie gar nichts dazu gesagt hätte.

      Wir sahen uns für einen Moment beide verzweifelt an. Sie wollte, dass ich sie verstand, schließlich senkte sie den Blick. „Ich hatte Angst vor dir“, gestand sie. Zuerst wollte ich ihr sagen, wie lächerlich ihre Behauptung war, doch dann erinnerte ich mich daran, dass sie sowohl dabei gewesen war, als ich meine eigene Schwester versucht hatte zu erwürgen, als auch bei Will, auf den ich wie eine Furie losgegangen war mit dem Ziel ihn umzubringen. Vielleicht hatte sie es bei Eliza wenigstens noch etwas verstehen können, aber Will war im Grunde ein Fremder für mich gewesen, der mir nichts getan hatte. Was hätte ich an ihrer Stelle gedacht? Wäre mein Vertrauen in sie so groß gewesen, dass ich mir hätte sicher sein können,

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