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hob irritiert die Augenbrauen. „Du nimmst es an? Seid ihr nicht mehr zusammen?“

      „Wir waren es nie“, erwiderte ich und fügte zögernd hinzu: „Er mochte mich nicht auf dieselbe Weise wie ich ihn.“

      „Oh“, machte sie bedauernd. Wir hatten zuvor noch nie über mein Liebesleben gesprochen, das im Grunde auch immer nur daraus bestanden hatte, dass ich Lucas anhimmelte. „Wenn ich hier rauskomme, kann er sich auf etwas gefasst machen“, knurrte sie schließlich, was ich allerdings lachend abwinkte: „Er hat mir nie etwas vorgemacht, ich habe ihn lediglich falsch verstanden. Er ist ein guter Kerl und hat es nicht verdient, dass du ihn in Angst und Schrecken versetzt.“

      Sie grinste und drückte ihre Finger liebevoll gegen meine. „Wenn du es dir doch anders überlegst, brauchst du nur ein Wort zu sagen.“

      Ich sehnte mich danach sie zu umarmen. Mit jeder Minute, die ich Eliza gegenübersaß und ihr in die grünen Augen sah, fühlte sich mein Herz etwas leichter an.

      „Was ist mit Liam? Benimmt er sich?“, fragte Eliza weiter, worauf ich den Mund verzog. „Er arbeitet wieder als Lehrer an unserer Schule.“

      Eliza begann erneut zu lachen. Obwohl sie jeden Grund gehabt hätte zu weinen, brachte sie es fertig für die Dauer unseres Gesprächs alles um sich herum zu vergessen und mir das Gefühl zu vermitteln, als säßen wir in einem kleinen Café bei einem Glas Latte Macchiato. „Ich kann ihn mir so gar nicht als Lehrer vorstellen. Macht er seine Sache gut?“

      „Er hält sich nicht an den Lehrplan“, erwiderte ich, als würde das alles erklären. „Du hättest ihn als Schülerin sicher gemocht.“

      Sie nickte traurig. Gab es für Eliza überhaupt noch Hoffnung, dass sie je einen Schulabschluss bekommen würde? Sie hatte es schon schwer genug gehabt, wie Lucas mir erzählt hatte, aber jetzt erschien eine Rückkehr an die Schule geradezu unmöglich.

      „Mona ist sicher froh, dass er wieder zurück ist, oder?“

      „Sicher“, sagte ich, obwohl ich es nicht genau wusste. Mona war zwar zurück zu ihm in das Anwesen der Familie gezogen, aber einen glücklichen Eindruck machte sie selten, wenn ich sie sah. Lediglich wenn sie mit Aidan sprach, hellte sich ihr Gesicht ein wenig auf.

      Eliza sah auf ihre Hände. Ihr schienen langsam die Fragen auszugehen. Sie hatte mich nach so ziemlich jedem gefragt, den wir beide kannten, nur einen dabei bewusst ausgelassen: Lucas.

      Ich legte meine Fingerspitzen sanft über ihre. „Lucas denkt an dich.“

      Die Tränen kehrten in ihre Augen zurück, als sie mich ansah. Der Polizist räusperte sich und sah auf die Uhr. „Für heute reicht es jetzt“, bestimmte er und forderte mich durch eine Handbewegung auf, mich zu verabschieden. Eliza und ich warfen ihm beide einen bösen Blick zu. Da eine Umarmung nicht erlaubt war, reichten wir uns die Hände wie es sonst nur Geschäftsleute tun. Ihre Haut war kalt und ich spürte wie sie zitterte. Ich drückte etwas fester zu und versprach: „Ich komme wieder, sobald ich kann.“

      Sie nickte und senkte den Blick, um mich ihre Tränen nicht sehen zu lassen. „Grüß die Anderen von mir“, murmelte sie leise.

      Während ich das Polizeigebäude verließ, rannen mir Tränen über die Wangen. Es tat weh, Eliza zurücklassen zu müssen. Sie litt und ich konnte nichts dagegen tun. Meine Wut auf sie war zwar immer noch da und ich konnte nach wie vor nicht verstehen, wie sie so skrupellos hatte sein können, aber das alles erschien mir in diesem Moment völlig unbedeutend. Ich fühlte mich ihr mehr verbunden denn je. Ich hatte bereits fast den Ausgang erreicht, als sich mir plötzlich jemand in den Weg stellte. „Winter?“

      Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und sah auf – Detektive Windows. „Hallo“, murmelte ich verlegen.

      „Bist du nicht mehr in Velvet Hill?“, fragte sie überrascht, als wäre meine Anwesenheit im Polizeirevier nicht Antwort genug.

      „Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass ich vorzeitig entlassen wurde. Mir geht es wieder besser.“

      Sie musterte mein tränenfeuchtes Gesicht. „Warst du deine Schwester besuchen?“

      „Ja.“

      „Habt ihr gestritten?“

      Sie interpretierte meine Tränen völlig falsch, aber wer konnte es ihr auch verübeln? Immerhin war ich nur in der Psychiatrie gelandet, weil ich unter anderem versucht hatte meine eigene Schwester umzubringen, nachdem ich sie bei der Polizei des mehrfachen Mordes beschuldigt hatte.

      „Nein, es tut mir einfach weh sie so zu sehen. Es geht ihr schlecht“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

      Sie sah mich verwirrt an und berührte mich sanft am Arm. „Können wir uns vielleicht mal unterhalten? Ich hätte da noch ein paar Fragen.“

      Misstrauisch trat ich von ihr zurück. „Wenn das ein Verhör werden soll, muss ich erst meine Tante anrufen. Sie ist Anwältin und vertritt Eliza.“

      Detektive Windows machte einen enttäuschten Eindruck. „Seit wann brauchst du einen Anwalt, um mit mir zu sprechen? Wir beiden hatten doch noch nie Probleme miteinander.“

      Das stimmte. Während die Polizei Eliza vom ersten Moment an verdächtigt hatte, war Windows mir gegenüber immer fair und verständnisvoll geblieben. Aber sie war es auch, die Eliza vor unserem Elternhaus festgenommen hatte. Ich konnte ihr nicht vertrauen!

      „Ich habe nichts mit dem Mord an Will zu tun, falls Sie mich das fragen wollten.“

      Sie hob beschwichtigend die Hände. „Das weiß ich doch! Wir haben Kameraaufnahmen von dem Bahnhof in Dublin, die dich eindeutig zeigen. Dazu hat Aidan Monroe deine Aussage bestätigt.“

      „Was wollen Sie dann von mir?“

      Sie sah sich auf dem Flur um und seufzte resigniert. „Ich wünschte wirklich wir müssten dieses Gespräch nicht im Stehen führen.“

      „Ich müsste nicht einmal mit ihnen reden“, erinnerte ich sie. „Meine Aussage habe ich bereits abgegeben.“

      „Traust du es deiner Schwester zu?“, fragte sie eindringlich.

      Das war keine Frage des Vertrauens, denn ich wusste, dass Eliza den Mord an Will begangen hatte. Was die anderen Fälle anging, war sie jedoch unschuldig. Aber ich konnte Liam nicht verraten, genauso wenig wie Mona, die in allem mit drin steckte. Die Wahrheit würde mir ohnehin niemand glauben. Mein Zögern interpretierte Detektive Windows als Zweifel. Sie nickte und klopfte mir auf die Schulter. „Pass auf dich auf!“

      Ich hätte ihr nachrufen sollen, dass meine Schwester das alles nicht verdient hatte und sie gewiss unschuldig war, aber ich hielt meinen Mund. Natürlich wollte ich, dass Eliza freikam, aber hatten Will und Beth nicht auch verdient, dass ihre Mörderin bestraft wurde? Beth war zwar ein Unfall gewesen, aber das machte es nicht weniger schlimm. Ich war hin und hergerissen, in dem Wunsch meiner Schwester zu helfen und Gerechtigkeit walten zu lassen.

      Da ich den letzten Schulbus verpasst hatte, musste ich meine Mum anrufen und sie bitten mich abzuholen. Als sie mit unserem Auto vor einem Café in Wexford hielt und ich mich neben sie auf den Beifahrersitz sinken ließ, sah sie mich misstrauisch an. „Ich würde dich das unter normalen Umständen niemals fragen, aber hast du die Schule geschwänzt?“

      „Nein“, rief ich empört aus und schüttelte energisch den Kopf. „Ich war nach der Schule noch in der Stadt, das ist alles.“

      Sie fädelte sich in den Verkehr ein. „Was hattest du denn zu erledigen?“

      Ich zögerte mit meiner Antwort, weil ich wusste, dass meine Eltern vorher gerne eingeweiht worden wären, aber schließlich gab ich zu: „Ich habe Eliza besucht.“

      Sie verkrampfte für einen Moment, bevor sie sagte: „Das hast du gut gemacht!“ Auch wenn sie lächelte, sah ich wie ihre Lippen zitterten. „Ihr seid Schwestern und solltet zusammenhalten, egal was passiert.“

      Ihre Worte ließen mich an den Weihnachtsabend denken,

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