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Schlag doch zu! Autobiografie. Harald Fiori
Читать онлайн.Название Schlag doch zu! Autobiografie
Год выпуска 0
isbn 9783738095890
Автор произведения Harald Fiori
Издательство Bookwire
Er berichtete von der mit großem Hallo im Radio gewürdigten Feier anlässlich des 100jährigen Bestehens der Wiener Philharmoniker, die vom 17. bis 28. März dauerte, wusste aber auch, dass das Fußballländerspiel Spanien – Deutschland im Berliner Olympiastadion 1 : 1 geendet hatte, und das Spiel Deutschland gegen Ungarn in Budapest aber von Deutschland 5 : 3 gewonnen wurde.
Mutti interessierte sich weniger für Fußball, konnte aber auch zur Unterhaltung beitragen, dass Heinrich George am 9. Mai fünfzig Jahre alt geworden und von Goebbels zum Generalintendanten ernannt worden war. Sie wusste zu erzählen von den Feierstunden am 29. März zum 115. Todestag Ludwig van Beethovens.
Und sie hatte ganz genau zugehört, dass in der Presse den Hausfrauen empfohlen worden war, Brotaufstrich aus Schafgarbe, Schnittlauch, Sauerampfer und Petersilie mit etwas Essig und Salz herzustellen, weil genau das besonders gesund sein sollte. Sie hatte schon in Essen in der Lichtburg den Film „Rembrandt“ mit Ewald Balser, Gisela Uhlen und Elisabeth Flickenschild gesehen, der erst am 17. Juni in Berlin uraufgeführt worden war. Dagegen hatte sie nicht genau mitbekommen, dass Gustaf Gründgens den Faust II, glanzvoll verkörpert hatte, wovon wieder Onkel Jupp erzählen konnte.
Auch wenn es nicht alle gleich interessant fanden, erzählte Onkel Jupp, dass Schalke 04 am 5. Juli zum sechsten Male Deutscher Meister geworden war in einem spannenden Spiel gegen Vienna Wien mit 2 : 0, und Deutschland auch Bulgarien am 19. Juli grandios mit 3 : 0 schlug. Solche Ereignisse waren geeignet, die deutsche Überlegenheit in aller Welt zu demonstrieren, weshalb grundsätzlich Gespräche darüber sehr erwünscht waren.
Bedenklich war allerdings, dass er sogar von amerikanischen Abenteuerfilmen und deren Uraufführung etwas wusste, denn das hatte er möglicherweise nicht von einem deutschen Sender erfahren. Ausländische Sender jedoch zu hören, war streng verboten.
Aber genau dieses reizte Onkel Jupp ungemein, denn er glaubte nicht daran, dass die deutsche Presse so wahrheitsliebend war, dass man alles ungeprüft übernehmen durfte. Deshalb war es schon nicht ganz ungefährlich, etwas zu erzählen, was man auf gar keinen Fall in einem deutschen Presseorgan gehört oder gelesen haben konnte.
Andererseits war Onkel Jupp auch davon überzeugt, dass der englische Sender BBC, der ganz gut zu empfangen war, ebenfalls nicht unbedingt die Wahrheit verkündete. Aber seiner Meinung nach lag die Wahrheit irgendwo dazwischen, so dass es doch recht hilfreich war, hin und wieder mal den Ausländer im Radio zu hören.
Wie erstaunte Mutti, dass ausgerechnet der Führer am 30. Januar öffentlich die Vernichtung der Juden angekündigt haben sollte, wie Onkel Jupp noch wusste. Aber schließlich räumte sie ein, dass sie nicht genug von Politik verstünde und dass der Führer vielleicht Gründe hätte, so radikal über Juden zu sprechen. Vielleicht gäbe es aber auch unter den jüdischen Mitbürgern durchaus kriminelle Elemente.
Vom Verlauf der Kriegsereignisse hörte man auch sehr viel im Volksempfänger, besonders wenn es um Erfolgsmeldungen ging. So hatte Japan Singapur bombardiert am zweiten Januar und letztlich erobert am 15. Februar. - Rommel war mit einer Gegenoffensive in Nordafrika erfolgreich, und die deutsche Armee konnte am zweiten Februar, meinem Geburtstag, an dem ich glücklich ein Jahr alt geworden war, einen sowjetischen Vorstoß aufhalten.
Im Osten gelang die Eroberung Rostows durch deutsche Divisionen am 23. Juli, nachdem schon am 1. Juli das allseits gelobte Eisenbahngeschütz „Dora“ die Stadt Sewastopol auf der Krim erobert hatte, wo insgesamt 97 000 sowjetische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Bereits am 6. Juli hatte Göring über den Bau der Wunderbombe referiert, den Bau der deutschen Atombombe, die unbedingt den Sieg bringen musste. In einer heroischen Heldengedenkrede hatte Hitler am 15. März die Vernichtung der Roten Armee prophezeit.
Mutti lobte den Führer, der ab elften Februar dafür gesorgt hatte, dass 15jährige Schüler höherer Lehranstalten zum Dienst als Luftwaffenhelfer eingezogen wurden, weil sie meinte, dass dadurch Soldaten und Familien entlastet würden.
Löblich fand sie ebenfalls, dass der letzte Sohn von Familien, die im Krieg Kinder verloren hatten, ab sechsten Februar nicht mehr an die Front geschickt oder sogar von dort abgezogen wurden.
Große Zweifel quälten immerhin auch die Familien in Münster hinsichtlich der Möglichkeit eines schnellen Endes des Krieges. Rommel wurde gelobt wegen seiner Eroberung Bengasis, die Japaner besetzten Bali, deutsche U-Boote lagen vor der Ostküste Amerikas seit dem 11. Januar, ja sie drangen sogar in die Flüsse Mississippi und in den Sankt Lorenz Strom ein und versenkten dort Handelsschiffe am 11. Mai, obwohl das nicht unbedingt den Nachrichten entsprach, die man hören konnte, denn in denen war natürlich von Kriegsschiffen und Munitionstransporten die Rede, die es galt, frühzeitig zu bekämpfen.
Andererseits wurde schon sehr früh ein Flächenbombardement auf Deutschland durch die ROYAL-AIRFORCE eingeleitet. Das führte zu Bombardierungen deutscher Städte, wie Lübeck am 28. März, wo dreihundertzwanzig Menschen umkamen und achthundert Personen verletzt wurden. Freilich hatte die deutsche Propaganda nur von fünfzig Toten gesprochen und zweihundert Verletzten, um das Ereignis herabzuspielen und Panikreaktionen zu verhindern.
Weitere Bombenteppiche auf viele deutsche Städte folgten, vom 24. bis 27. April führten sie zur Zerstörung Rostocks, am 28. April auf Köln, wo zuerst das Rathaus und eine Kirche den Bomben zum Opfer fielen, am 19. Mai Angriff auf Mannheim, wieder Angriff auf Köln , wo am 30. Mai die Royal Air Force die Innenstadt Kölns in nur neunzig Minuten völlig zerstörte, am 20. Juni auf Emden, am 25. Juni auf Bremen, mit einem Vergeltungsbombardement auf Norwich von der deutschen Luftwaffe beantwortet, gefolgt von einem Luftangriff auf Danzig am 12. Juli, und am 31. Juli bombardierten 470 britische Flugzeuge Düsseldorf, wobei dreißig Flieger abgeschossen wurden. Überhaupt waren Informationen über deutsche Verluste oder Niederlagen äußerst spärlich zu bekommen. So hörte man zwar von einem Schiffsunglück vor Menorca, der kleinen Balearen-Insel, mit dreihundert Toten am neunten Januar, aber man hörte nicht, dass Roosevelt als Kriegsziel die Vernichtung des Nationalsozialismus angekündigt hatte. Statt dessen war die Rede von Verbrechen gegen das deutsche Volk, das völlig ungerechtfertigt von den Amerikanern vernichtet werden sollte.
Wenig bekannt wurden auch alle möglichen Mangelmeldungen, dass am 15. Februar wegen Kohlemangels einmal wöchentlich das Wiener Theater geschlossen blieb, dass ab fünften März wegen Energieknappheit in der Schweiz achtundvierzig Zuglinien eingestellt wurden, dass ab siebten März zusätzliche Arbeiter in der Landwirtschaft zwangsverpflichtet wurden, dass Hitler per Erlass die Rechte von Angeklagten erheblich beschnitt, deutsche U-Boote wegen einer verbesserten Radar-Aufklärung ab 15. April zunehmend in Gefahr gerieten, dass ab 20. April eine Arbeitspflicht für deutsche Frauen, dabei auch Mütter, eingeführt wurde zur Stärkung der deutschen Industrie.
Statt dessen hörte man vollmundig, dass Java vor den Japanern kapituliert hatte, dass eine deutsche Offensive in Russland begonnen hatte, nicht aber, dass sie im Schlamm stecken blieb, dass die britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey zu deutschen Festungen ausgebaut worden waren, dass Hitler nun auch oberster Richter in Deutschland war, was nur bedeutete, dass der Rechtsstaat völlig ausgeschaltet war ab dem 26. April, dass der finnische Marschall von Mannerheim Hitler in der „Wolfsschanze“ besuchte am 27. Juni, dass am 28. Juni die Sommeroffensive an der Ostfront begann, dass das Hauptquartier Hitlers jetzt schon in die Ukraine verlegt werden konnte am 16. Juli, dort „Werwolf“ genannt.
Hatte niemand wirklich gehört von dem Beginn der Ermordung von Juden in den Gaskammern im Lager Belzec am 17. März oder von der Deportation von 1135 Juden aus den Niederlanden nach