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gefragt, konnte er nur erklären, dass seine Mamuschka ganz besonders schön sei. Schließlich brachte man das Kind zum Bürgermeister des Ortes, der nach schönen Frauen Ausschau hielt, die möglicherweise die Mutter des Kleinen hätten sein können. Im Ort fand man jedoch die Vermisste nicht. Hilfesuchend wandte man sich an die nächsthöhere Landesbehörde, die den Aussagen des Jungen entsprechend nach Schönheitsköniginnen suchte, da der Kleine behauptet hatte, seine Mutter wäre die schönste Frau der Welt. Auch die Fahndung nach den Schönheitsköniginnen im ganzen russischen Reich brachte nicht die ersehnte Mutter herbei, bis sich eines Tages ein ganz normales Mütterchen meldete, das keineswegs in irgendeiner Weise als besonders auffallend hübsch bezeichnet werden konnte, und ihren kleinen Sohn als vermisst anmeldete. Nur einem Zufall war es zu verdanken, dass sie bei der gleichen Behörde gelandet war wie der kleine Junge, der sie sehend, lachend und weinend auf die Frau zu rannte und laut rief: „Da ist ja meine wunderschöne, allerschönste Mama!“

       Jeder, der sich an der Suche nach den Schönheitsköniginnen beteiligt hatte, verstand nun ganz genau, was der Kleine gemeint hatte.

      Selbstverständlich tat ich alles, was mir die Liebe meiner Mutter einbringen und erhalten konnte und wurde schon sehr früh ein außerordentlich braver Junge.

      Von Natur aus zur Faulheit neigend hatte ich im sogenannten Krabbelalter diesen Abschnitt der Entwicklung geflissentlich übersehen und mich also so gut wie nie unerlaubt in der Wohnung herumkrabbelnd an irgendwelchen Gegenständen vergangen, die zu berühren einem kleinen Kind üblicherweise verboten waren. Trotz aller Warnungen von Tante Traute bekam ich das Laufen auf zwei Beinen relativ gut in den Griff und entwickelte mich dann wider Erwarten relativ normal zu einem homo sapiens, erectus, fest auf den strammen Beinchen stehend und gehend, dabei trotzdem in der Lage den etwas zu dick geratenen Kopf aufrecht zu halten.

      Dieser Kopf entwickelte schon sehr zeitig und nachhaltig völlig eigene Gedanken und Ideen, so dass ich trotz aller Artigkeit doch sehr intensiv ein Eigenleben entfaltete und somit auch als eigenwillig oder eigensinnig galt.

      Schon in dem zarten Alter von einem Jahr achtete ich streng auf die Einhaltung einmal festgelegter Regeln. Niemals wäre es mir eingefallen, morgens laut zu schreien, wenn die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Friedlich spielte ich mit meinen Händen, brummelte auch leise vor mich hin und wartete darauf, dass Mutti mich holte, was regelmäßig immer zur gleichen Zeit erfolgte.

      Zum Ritual gehörte das Füttern, danach das Setzen auf das Töpfchen, danach ein Bad im Zinkbullefässchen, wie Mutti die Wanne für mich nannte.

      Windeln und jahreszeitangemessene Kleidung mussten angezogen werden. Fehlte etwas oder wurde die Reihenfolge geändert, war meinerseits das Geschrei recht deutlich auch in der Nachbarwohnung noch zu hören. Zum täglichen Ritual gehörte auch der Mittagsschlaf von Mutti, den ich selbstverständlich mit einzuhalten hatte, zumindest hatte ich in der Zeit Ruhe zu bewahren.

      Das geschah in aller Regel so, dass ich meistens still in meinem Bettchen lag, dort mit meinen Händen oder entsprechenden Spielsachen aus Holz spielte, ohne jedoch einen Mucks von mir zu geben, denn das erzürnte Mutti nur, was ich auf keinen Fall wollte und mir in diesem zarten Alter schon gemerkt hatte. In diesem Punkt war meine Eigensinnigkeit selbstverständlich voll und ganz von dem Bedürfnis beseelt, es nur Mutti auf jeden Fall recht zu machen, damit sie mir weiter ihre ganze Aufmerksamkeit und Liebe schenkte.

      Oft wurde ich auch einfach mit Ursel auf die Straße geschickt, wo Ursel allzu liebevoll mit mir alle möglichen Spiele ausprobierte.

      Am 2. Februar, meinem ersten Geburtstag, war es sehr kalt, es hatte heftig geschneit. Die Schneedecke im Garten lag fast dreißig Zentimeter hoch.

      Angezogen mit einem weißen Pullover, weißen Strampelhosen und einer blauen kurzen Latzhose darüber sollte ich im Kreise der lieben Familie die Freuden des Winters genießen.

      In unserem Garten versuchte Ursel vergeblich, mich auf einem Schlitten so zu platzieren, dass ich von ihr gezogen werden konnte. Eigensinnig bestand ich darauf, dass grundsätzlich jemand mit mir zusammen auf dem Schlitten zu sitzen hatte, an den ich mich anlehnen konnte und der mich ein wenig erwärmen durfte.

      Also weigerte ich mich konstant, mich allein auf dem Schlitten festzuhalten, was letztendlich dazu führte, dass einer immer zwei Personen ziehen musste, wenn der Schlitten denn vorwärts bewegt werden sollte, entweder zog Mutti Ursel und mich oder Ursel durfte Mutti und mich ziehen, was mir noch lieber war.

      Richtig gefeiert wurde auch mein Ehrentag allerdings erst an Muttis Geburtstag, am 19. Februar. Da war auch Vati da und abends kamen Gäste. Ausdrücklich eine Geburtstagsfeier für das Kind zu organisieren, wäre zu teuer gewesen und hätte ja auch dem Kind nichts gebracht, das sowieso die Bedeutung des Tages nicht erkennen konnte.

      So nahm mir auch niemand übel, dass ich mich nicht wie alle anderen Familienmitglieder auf die Ankunft von Vati freute, der mir schon zu jener Zeit fremder war als jeder andere Fremde, der zu uns zu Besuch gekommen wäre.

      Überwiegend wuchs ich heran ohne jeden väterlichen Beistand, denn Vati war ja wegen des Krieges nicht zu Hause. Außerdem hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass er in Holland eine einheimische Freundin hätte, die er nicht so gerne allein ließ, um seiner Frau und seinen beiden Kindern Gesellschaft zu leisten.

      Dieses Gerücht sollte später noch viel mehr Nahrung bekommen, da mein Vati nicht nur äußerst galant war allen weiblichen Wesen gegenüber, sondern es auch ständig ausprobierte, ob die Frauen es nicht mit ihm versuchen würden. Mit anderen Worten, er war ein ausgesprochener Schürzenjäger. Obwohl alle das ahnten oder sogar wussten, lautete die offizielle Entschuldigung für sein seltenes Erscheinen zu Hause ganz klar, dass es keinen Urlaub gäbe von der Front!

      Auf gar keinen Fall war ich das einzige Kind, das aufwuchs wie ein Halbwaise oder wie das Kind einer Alleinerziehenden. Ganz bestimmt war ich auch nicht der einzige kleine Junge, der derart an seiner Mutti hing, wie ich.

      Dafür sorgte aber auch Mutti mit all ihrer Zärtlichkeit, die sie mir kleinem Knaben entgegen brachte und die mich ganz eindeutig noch mehr an sie band, als es eigentlich meiner natürlichen Entwicklung besser getan hätte. So war es nicht verwunderlich, dass ich häufig weinte, wenn ich mal nicht auf Mamas Schoß sitzen durfte. Auch gönnte ich meiner Schwester nicht, dass sie dieses Recht hin und wieder ebenfalls in Anspruch nahm, schließlich wollte ich meine Mutti für mich alleine haben.

      Überhaupt war mir meine Schwester meistens nicht richtig als Kind erschienen sondern eher als weitere Erwachsene im Umfeld unserer Familie. Auf Grund ihres Alters durfte sie oft genug am Leben der Großen teilnehmen.

      So nahm ich denn die Welt um mich herum lediglich als Teil wahr, der ausschließlich zu meiner Unterhaltung und zu meinem Wohlergehen geschaffen worden war. Der Mittelpunkt dieser kleinen Welt war ganz alleine ich, wichtigster Bezugspunkt war eindeutig und unteilbar meine Mutti. Zwar pflegte ich auch Kontakt zu anderen Menschen, die meinen Weg kreuzten, aber sie galten mir nichts, und ich baute auch keine Bindung zu ihnen auf.

      Tante Traute war mir als beste Freundin von Mutti wohl auch bestens bekannt und ich musste sie auch, weil Mutti es so wollte, mit Küsschen begrüßen, aber sie war mir nicht innerlich so nah, wie Mutti das vielleicht ihrer Freundschaft wegen gerne gehabt hätte. Niemals hätte ich von mir aus die Nähe dieser Frau gesucht, um mich beispielsweise auf ihren Schoß zu setzen oder liebkosen zu lassen.

      Gut, Traute, die Tochter war mir so etwas wie eine Freundin oder Spielgefährtin geworden, da ich es mochte, sie in meiner Nähe zu haben und sie zu berühren.

      Auch von Tante Traute wurde ich etwas mehr akzeptiert, nachdem sie festgestellt hatte, dass ich bereitwillig und brav alles tat, was mir ihr Töchterchen vormachte, und ich entpuppte mich als äußerst angenehmer Spielgefährte, da ich mich niemals gegen irgend eine Behandlung oder Bevormundung seitens des Mädchens wehrte.

      Aber immer noch war ihr auch im zweiten Lebensjahr des kleinen dicken Buben meine Entwicklung nicht geheuer, da ich einfach zu schwerfällig und zu wenig aktiv war in ihren Augen.

      Mutti war in jener Zeit sehr schwach, bekam vom Arzt die Bescheinigung, dass sie an einer hochgradigen Anämie litt und an einem totalen Erschöpfungszustand.

      So bestand

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