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für die Nöte und Sorgen seiner Mitmenschen. Gerechtigkeitsliebe und ein ausgesprochener Freiheitsdrang beherrschen sein Leben.

      Für den Beruf, für seine Arbeit gilt:

      Dem Wassermann-Typ verhilft seine Intelligenz, falls er sie am richtigen Ort einzusetzen versteht, zu außerordentlichen Möglichkeiten. Wenn sich auch seine genialen Ideen im beruflichen Leben nicht immer realisieren lassen, helfen ihm seine Fähigkeiten, das Bestmögliche zu leisten. Unabhängigkeit bedeutet ihm mehr als äußere Zeichen des Erfolgs.

      Welch‘ ein Glück für Schüler, wenn sie einen Lehrer finden, der sowohl hilfsbereit ist und noch dazu ein offenes Herz für die Nöte und Sorgen seiner Mitmenschen zeigt. Ganz besonders angenehm dürfte sich auch die Gerechtigkeitsliebe auswirken. Eine Paarung mit der Eigenschaft, im Beruf lieber unabhängig zu sein als erfolgreich, machen einen solchen Menschen auch noch frei von Zwängen und Vorschriften, ein weiteres gutes Verhalten, das für optimale Betreuung von Kindern und Jugendlichen sorgen könnte.

      Angelangt bei diesem Punkt einer Biographie kommt die Erkenntnis, dass bestimmt nicht nur der Zeitpunkt der Geburt entscheidend ist, sondern außerdem auch der Geburtsort, in diesem Fall die Stadt Essen im Ruhrgebiet, noch entscheidender könnte sich der Hergang der Geburt und die näheren Umstände ausgewirkt haben, aber der entscheidendste Punkt ist sehr wahrscheinlich das Elternhaus, das ganz bestimmt bei der Prägung eines Menschen die größte Rolle spielt, sogar dann, wenn ein Kind gar nicht bei den Eltern aufwächst. Das zum Beispiel ist die angeborene Prägung durch die Erbfaktoren. Bleibt nun die Frage, ob Lehrer typische Erbfaktoren haben. Diese Lebensgeschichte könnte darüber Auskunft geben.

      Ein sehr wichtiges GEN hatte ich offensichtlich damit geerbt, dass ich Sprössling einer „gut bürgerlichen Familie“ war. Jedenfalls betonte meine Mutter immer wieder, dass sie aus einer gut bürgerlichen Familie stammte. So, wie sie das ausdrückte, hörte es sich für mich immer an, als wäre eine gut bürgerliche Familie gesellschaftlich etwa unmittelbar unter einem Königshaus anzusiedeln oder wenigstens fast einem Hochadel gleichzusetzen.

      Was gut bürgerlich genau bedeutete, wusste ich eigentlich nie so richtig, bis ich als Lehrer einmal mit meinen Schülern die Satire „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ von Kurt Tucholsky las.

      Wer nicht mehr genau weiß, worum es in dieser Satire geht, darf die folgende kurze Inhaltsangabe lesen:

       In einer gut bürgerlichen Familie wurden Gäste erwartet, Verwandte, Freunde, Bekannte. Kurz vor dem Eintreffen dieser Menschen stellte der kleine Sohn die Frage: „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ Da niemand ihm diese Frage richtig beantworten konnte, selbst das Lexikon nicht alle Auskünfte parat hatte wegen fehlender Seite, kam es zu einem entsetzlichen Streit zwischen allen Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden, weil niemand dieser gut bürgerlichen Menschen sich die Blöße geben wollte, etwas nicht zu wissen.

      Dieses Glänzen mit einer soliden Halbbildung, ohne jedoch ein einziges Mal auch nur Unkenntnis andeutungsweise zuzugeben, sollte in dieser Satire von Tucholsky als besonderes Merkmal des sogenannten gebildeten Bürgertums dargestellt werden.

      Wie in der Satire war die Familie meiner Mutter so gebildet, dass sie höchste Hochachtung verdiente.

      Diesbezügliche Fragen meinerseits konnte meine Mutter auch mit Beweisen und schriftlichen Dokumenten beantworten. Dabei war natürlich ihre eigene Herkunft von ganz besonderer Bedeutung. Ihre leibliche Mutter verstarb zwar wenige Wochen nach ihrer Geburt, aber trotzdem war deren Herkunft entscheidend für den Beweis erwähnenswerter Abstammung:

      Sie stammte nämlich aus dem Hause Dollheiser. Herr Dollheiser, der Vater meiner Großmutter, also, wurde von meiner Mutter mit besonderer Hochachtung erwähnt, da er in Köln stadtbekannt war als Erfinder und Fabrikant.

      Dabei hatte er eine ganz bedeutende Erfindung gemacht, die meine Mutter leider nicht so genau beschreiben konnte. Angeblich handelte es sich um Lichter, die laufen können.

      Meine Frage, die ich schon in sehr jungen Lebensjahren stellte, warum denn eine solch großartige Erfindung nicht zu mehr Wohlstand in unserer Familie geführt hätte, beantwortete meine Mutter grundsätzlich dahingehend, dass schließlich zwei Weltkriege der Familie alles genommen hätten.

      Zum Beweis der Unsterblichkeit ihres „Erfindergroßvaters“ holte Mutti bei solchen Gesprächen oft ein in braunes Leder gebundenes altes ehrwürdig aussehendes Album hervor, auf dem mit goldenen Lettern eingraviert zu lesen war:

      Liebe Erinnerungen

      gesammelt von

      Jean Dollheiser

      Bei solcher achtunggebietender Schrift, die ich auch dann noch nicht gut lesen konnte, als ich schon lange und hervorragend ( jawohl „hervorragend“, denn damals war auch die Volksschule noch hervorragend in ihren Leistungen, wie ich später oft zu hören bekam, wenn meine eigenen Leistungen nicht ganz den Erwartungen gewisser Personen entsprach.) das Lesen und Schreiben in der Volksschule gelernt hatte, musste doch jeder Mensch glauben, dass es sich um etwas ganz Besonderes handeln müsse.

      Von enorm großem Ansehen zeugte auch ein Messingverschluss, -leicht oxidiert-, mit dem man dieses Album sicher verwahren konnte vor unbefugter Einsichtnahme oder versehentlicher Öffnung.

      Vom Inhalt dieses Albums wurden mir dann schon in frühen Kindergartentagen Aufzeichnungen gezeigt, die sehr gedruckt und vor allen Dingen äußerst beeindruckend aussahen.

       Erst als Erwachsener habe ich dann lesen können, was dieses Album enthielt:Gleich auf der dritten Seite sind Zeitungsausschnitte eingeklebt, die Bilder von Fässern, Installationen, Leitungen und Apparaturen zeigen. Zwei größere Zeitungsartikel weisen auf den Firmennamen hin. Auf der einen kann man lesen, dass Joh. Dollheiser, in der Peterstraße 21 zu Köln als Generalvertreter Industrielle Beleuchtungen anbietet, nämlich „Doty’s Petroleum-Gas-Fackel“, die auch abgebildet ist. Dazu folgt in sehr kleiner Schrift eine Beschreibung, die mit den Worten beginnt: „Leuchtkraft von ca. 1000 Kerzen ...... . Neben dieser Anzeige sieht man eine weitere ebenso große Annonce des Inhaltes: „J. Dollheiser, Gas & Wasserleitungsanleger, Klempner & Apparatenfabrikant in ‚COELN a/Rh’, Peterstrasse 21 nebst Beschreibungen aller Arbeiten, für die er sich empfiehlt. Zwischen den Anzeigen und Bildern stehen Tagessprüche oder Kalendersprüche, wie sie möglicherweise an diesem Tag in der Zeitung gestanden hatten, fein säuberlich eingeklebt, zum Beispiel: „Genieße deine Kraft, Man lebt nur, wenn man schafft (Alter Spruch)“

      oder

      „Der Undank ist immer eine Art Schwäche.

      Ich habe nie gesehen,

      dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären.“

      Es sind insgesamt zehn Sprüche oder Weisheiten bis zum letzten Spruch:

      „ Gut gekaut, ist halb verdaut.“

      Mit solcher akribischen Genauigkeit diese liebenswerten, teilweise altmodischen, doch niemals ungültig gewordenen Sprüche als „Liebe Erinnerungen“ festzuhalten in einem solch wertvollem Album, lässt ein rechtes Licht werfen auf die vornehme Herkunft unserer Familie, denke ich. Auch auf den weiteren Seiten dieser Sammlung findet man nichts Anderes als Zeitungsanzeigen, Sprüche und Kalenderblätter. Nur die Bezeichnungen für den erfindungsreichen Großvater Dollheiser ändern sich von Anzeige zu Anzeige und werden nicht nur in Schriftarten und Aufmachung sondern auch in der Orthografie immer wieder anders geschrieben und gestaltet.

      So kann man auf der nächsten Seite staunend lesen:

      Wichtig für Bierbrauer u. Restaurateure, welche im Besitze von Bierluftdruckpumpen sind.

      Empfehle Universal-Compressions-Anstichhahn ohne Hohlraum, zum Einschlagen..................................................................usw.

       Jean Dollheiser, Peterstrasse 21 zu COELLN a/Rh.

      Spezialist in Bierluftdruckpumpen mit Wasserdruck oder Kohlensäure,

      Köln, Peterstraße 21. Telephon-Anschluß 580.

      Vollgeklebt mit Sprüchen

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