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Schlag doch zu! Autobiografie. Harald Fiori
Читать онлайн.Название Schlag doch zu! Autobiografie
Год выпуска 0
isbn 9783738095890
Автор произведения Harald Fiori
Издательство Bookwire
„ Im § 13 der „Erzieherischen Maßnahmen“ steht, dass eine Ordnungsmaßnahme nur dann überhaupt in Betracht kommt, wenn alle anderen erzieherischen Maßnahmen nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hatten. Ich frage jetzt hier, welche anderen erzieherischen Maßnahmen sind überhaupt bisher ergriffen worden, um eine Aggressivität dieses Schülers in den Griff zu bekommen oder in erwünschte Bahnen zu lenken? Zu den möglichen erzieherischen Maßnahmen gehört zum Beispiel auch, dass der Beratungslehrer konsultiert werden kann, wenn besondere Probleme auftreten, die sich nicht ohne weiteres lösen lassen. Ich muss feststellen, dass ich weder von erzieherischen Maßnahmen etwas gehört habe noch bin ich in meiner Eigenschaft als Beratungslehrer überhaupt nur ein einziges Mal gefragt worden.
Deshalb bin ich der Meinung, dass diese Konferenz eigentlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hätte einberufen werden dürfen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass ein Verweis von der Schule nur dann ausgesprochen werden darf, wenn vorher eine solcher Verweis schriftlich angedroht worden ist. Auch das ist nicht geschehen. Deshalb können und dürfen wir heute keinesfalls beschließen, dass Ahmed der Schule verwiesen wird.“
Frau Kern reagierte etwas genervt: „Also Herr Fiori, wir bedürfen Ihrer Belehrung nicht, denn das ist klar, dass nach § 18 und 19 AschO der Verweis erst ausgesprochen werden darf, wenn vorher in einer Lehrerkonferenz beschlossen worden war, die Androhung eben dieses Verweises auszusprechen. Was die erzieherischen Maßnahmen betrifft, so ist es so, dass ich hier gehört habe, dass Ahmed oft genug ermahnt worden ist. Das reicht doch wohl, oder an welche Maßnahmen hatten Sie sonst gedacht? Ich vertraue darauf, dass meine Kolleginnen und Kollegen sich da sehr korrekt verhalten haben. Was nun den Kontakt zu Ihnen angeht, so kann ich nur erwähnen, dass ich Sie schon mehrfach gebeten habe, Ihre Tätigkeit als Beratungslehrer hier an der Schule transparenter zu machen.“
In diesem Augenblick meldete sich Herr Kraft noch einmal zu Wort: „Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle wieder einmal fest, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Ganz besonders aber von Herrn Fiori. Bei seinem Fall damals war es ganz klar, dass der Schüler die Schule verlassen musste, und niemand hat dagegen gestimmt. Aber er setzt in diesem Fall alle Hebel in Bewegung, um mich lächerlich zu machen und den Schüler zu schonen!“
Was meinte er nur? Ich wusste wirklich im Moment nicht, wovon eigentlich die Rede war. Dann fiel mir ein, dass tatsächlich einmal ein Schüler mir Schläge angedroht hatte. Aber das war völlig anders, als hier in diesem Fall. Vor allen Dingen hatte ich nicht, wie Herr Kraft, eine Konferenz einberufen und dem Schüler die Zukunft verbaut. Im Gegenteil, ich hatte damals dafür gesorgt, dass der Schüler zwar eine andere Schule besuchen musste. Aber da ging es darum, dass er wegen seines Leistungsvermögens in einer anderen Schulform besser aufgehoben war und dort dem erstrebten Abschluss näher gebracht werden konnte. Dieser Vorfall war nun absolut überhaupt nicht mit dem vergleichbar, was hier gerade verhandelt wurde. Aber brachte es etwas, wenn ich jetzt darauf einging, um das klar zu stellen? Ich wollte gerade den Mund öffnen, als Frau Kern sagte:
„Und jetzt möchte ich die Debatte beenden und bitte um Abstimmung, was wir mit Ahmed machen wollen. Mein Vorschlag ist, dass wir zunächst absegnen, dass ich ihn ad hoc schon für vier Tage von jeglichem Unterricht ausgeschlossen hatte. Des Weiteren schlage ich vor, dass wir ihm den Verweis von der Schule androhen. Ich bitte um das Handzeichen. Wer ist dafür? Wer ist dagegen? Wer enthält sich? Ach, ich vergaß, Enthaltungen sind, glaube ich, nicht statthaft!“
Die Abstimmung war eindeutig. Alle waren für die Vorschläge von Frau Kern mit meiner Gegenstimme.
Frau Kern bat die Wartenden wieder hinein, verkündete und begründete den Beschluss und schloss die Sitzung.
Nachdem der Dolmetscher Herrn Hamdu alles übersetzt hatte, erhob sich der, hob die Faust und drohte Herrn Kraft mit den Worten: „Sie sind eine Nazi. Meine Sohn hatte Recht. Meine Sohn sollte nicht gehen in solche Schule zu solche Lehrer!“
Am nächsten Morgen hatte ich in den beiden ersten Stunden Deutsch in meiner Klasse, einem neunten Schuljahr. Wir übten die Konstruktionsbeschreibung, weil gerade parallel im Technik-Unterricht Konstruktionen durchgeführt wurden und dazu eine Beschreibung benötigt und hilfreich war. Außerdem gehörte diese Art Beschreibung auch dringend zum vorgeschriebenen Stoffplan im Fach Deutsch in einer Klasse, die als Abschlussklasse fungiert. Und es gehörte selbstverständlich zu meinen Lieblingsaufgaben, solche Vorschriften zu befolgen.
Bisher hatte die Arbeit mit diesem Thema allen viel Freude gemacht und alle waren mit Eifer bei der Sache. Nur an diesem Morgen schleppte sich die Zeit dahin. Die Mädchen und Jungen waren sehr unkonzentriert, immer wieder kam es vor, dass jemand eine Frage überhaupt nicht verstanden hatte. Andere träumten vor sich hin, insgesamt aber herrschte eine Unruhe, die man mehr spüren als beschreiben kann. So kam es, dass ich das zu behandelnde Thema verließ und den Klassensprecher fragte, was denn eigentlich los wäre.
Ali antwortete auch sofort: „Also das mit dem Ahmed aus der achten ist schon eine Riesensauerei. Der Kraft soll sich mal ja zurückhalten. Der spinnt doch wohl!“
Sofort unterbrach ich ihn: „Daher also weht der Wind. Zunächst einmal ist das immer noch der Herr Kraft für dich. Zweitens möchte ich nicht mit euch über Lehrer diskutieren oder überhaupt nur sprechen. Wenn ihr also von der Lehrerkonferenz etwas wisst, dann können wir sachlich darüber reden und klären, was euch daran beunruhigt. So und nun fang bitte noch einmal an!“
Ali knurrte: „Wir haben gehört, was gestern in der Lehrerkonferenz gelaufen ist und dass Ahmed bestraft wurde. Das finden wir nicht richtig. Denn Herr Kraft hat ganz eindeutig den Ahmed so provoziert, dass er gar nicht anders reagieren konnte. Ahmed ist zwar kein Engel, aber in diesem Fall ist Herr Kraft einfach zu weit gegangen. Ahmed wollte nur einen Scherz machen, und was macht Herr Kraft daraus? Er macht daraus ein Verbrechen!“
Katja hatte sich gemeldet: „Wir finden alle, dass es ungerecht war, was gestern mit Ahmed passiert ist. Wir wissen ganz genau, dass Herr Kraft ständig an ihm rumnörgelt und wir wissen auch, dass er etwas gegen Ausländer hat!“
Nun musste ich wohl wieder eingreifen, weil das Gespräch abermals in Richtung Kritik an einem Lehrer abdriftete. Genau das aber wollte ich unbedingt verhindern:
„Passt mal bitte auf! Ihr redet schon wieder schlecht über Herrn Kraft. Das kann und darf ich nicht zulassen, will es auch nicht! Wenn wir darüber sprechen, dann nur über den Fall und meinetwegen auch über das Verhalten von Ahmed. Ihr habt vielleicht Recht, dass Ahmed wirklich nur einen Scherz machen wollte und Herr Kraft das nicht richtig verstanden hat. Jedenfalls fühlte Herr Kraft sich bedroht, und das können wir Lehrer uns natürlich nicht gefallen lassen! Und nur deshalb wurde eine Ordnungsmaßnahme ausgesprochen, die den Schulbetrieb hier in ordentlicher Form gewährleisten soll. Für Ahmed ist das eigentlich überhaupt nicht so schlimm. Denn wenn er sich bis zum Schuljahresende ordentlich verhält und nicht mehr unangenehm auffällt, dann passiert ihm überhaupt nichts. Ich denke, das kann er doch sehr gut. Und deshalb müsst ihr euch auch eigentlich nicht darüber aufregen, denn auch wenn es Unrecht war, so hat Ahmed keine Nachteile davon. Voraussetzung ist natürlich, dass er sich wirklich zusammenreißt. Er sollte auch keinerlei Schlägereien mehr beginnen. Wenn er wirklich von Mitschülern angegriffen wird, soll er sich ausnahmsweise zurückziehen oder an einen Lehrer wenden, wenn einer in der Nähe ist. Sagt ihm das bitte! So, nun hoffe ich, dass wir ordentlich weiter arbeiten können!“
Nur Melanie äußerte danach noch, dass Herr Kraft schon Möglichkeiten finden würde, um Ahmed weiter zu provozieren, bis er sein Ziel erreicht hätte und Ahmed tatsächlich von der Schule flöge. Mahmud glaubte nicht, dass Ahmed ganz ohne Prügelei auskäme bis zu den Ferien. Und dann wäre er automatisch dran, auch wenn er selber gar nicht die Schlägerei begonnen hätte.
So ganz motiviert wie sonst waren sie danach zwar immer noch nicht bei der Sache, aber wenigstens kamen wir zu einer einigermaßen vernünftigen Konstruktionsbeschreibung und erarbeiteten