Скачать книгу

Applaus ertönt, sobald der Sänger die Bühne betritt. Lilith ist von seinem Anblick sofort hin und weg. Genauso wie sie es sich gedacht hatte. Das Bühnenoutfit steht ihm ungemein gut und lässt ihn gleich noch einmal so unwiderstehlich wirken. »Wow!«, entfleucht es ihr leise. Entweder er weiß einfach, was anziehend auf Frauen wirkt oder er hat jemanden an der Hand, der dieses Outfit zusammenstellt.

      Nach dem Intro begrüßt er das Publikum und hebt den Arm - das Zeichen für die Band mit dem ersten Song zu beginnen. Und wie in ihrem Traum, springt er wie ein junger Gott zwischen Klavier und Mikrofon hin und her. Seine Stimme klingt auch heute noch genauso laut und klar wie damals vor acht Jahren. Nur agiert er mittlerweile viel mehr mit den Zuschauern, fordert sie regelrecht heraus. Immer wieder singt das Publikum lauter als er.

      Sie kann gar nicht aufhören ihn anzustarren, so sehr hatte sie sich gewünscht ihn und die Band erneut live zu erleben. Nun endlich wird ihr Traum Wirklichkeit, sie befindet sich in dieser fantastischen Halle und sieht ihn dort unten auf der Bühne in voller Aktion. Manchmal scheint es, als ob er die Zuschauer buchstäblich anschmachten würde, dann reißt er wieder Witze und ein anderes Mal bringt er die weiblichen Fans fast um den Verstand, indem er sich seiner Jacke entledigt. Die Menge tobt und klatscht. Das Konzert verläuft genauso emotional und energiegeladen, wie sie es sich erhofft hatte.

      Viel zu schnell sind die knapp zwei Stunden vorbei, so wie immer, wenn einem etwas sehr gut gefällt, verfliegt die Zeit im Nu. Nach wie vor lächelt sie berauscht, als die Band nach mehreren Zugaben die Bühne bereits verlassen hat. Stetig leert sich der Saal. Hier und da ist Stimmengemurmel zu vernehmen und vereinzelt verweilen einige Zuschauer, genau wie die Freundinnen in ihren Logen. Keiner verscheucht sie aus dem Saal und somit verfällt auch keiner in diese typische Hektik, die die Stimmung so schnell ruiniert.

      Gemütlich lehnt sie sich in ihrem Sitz zurück und lässt das Konzert in Gedanken Revue passieren. Die beeindruckenden Bilder werden sie sicher lange verfolgen und sie wird davon noch endlos zehren können.

      »Schade, das ging schneller vorbei als gedacht«, sagt Sonja auf einmal bedauernd. Als sie ihr seufzend zustimmt, fragt sie: »Wollen wir an die Bar gehen und etwas trinken?«

      »Oh ja, gern!« Sie hakt sich bei ihr unter und zusammen verlassen sie die Loge. Langsam schlendern sie über den roten Teppich den gewundenen Gang entlang. Dabei betrachten sie die goldfarben-gerahmten Bilder an den Wänden. Etliche Besucher sitzen auf Bänken, die in den Nischen stehen, und sich angeregt unterhalten.

      Aufgeregt schwatzend gehen sie ins Erdgeschoss hinunter und betreten eine Bar, die nicht so überfüllt ist. Nachdem sie sich auf die hohen Barhocker an der edlen Naturholztheke gesetzt haben, bestellen sie bei dem überaus gutaussehenden Barkeeper alkoholfreie Cocktails und resümieren den fantastischen Auftritt. Beide sind der Meinung, dass das mit Abstand das beste Konzert war, das sie bisher besucht haben.

      Während sie ihre Mixgetränke genießen, bemerkt Lilith aus den Augenwinkeln, wie der Sänger an der Bar vorbeihuscht. Schnell wendet sie sich dem Tresen zu, damit er sie auf gar keinen Fall entdeckt und somit auch nicht auf die Idee kommen möge, sie anzusprechen. ›Jeder andere Fan würde sich jetzt auf ihn stürzen und die Chance seines Lebens nutzen, und ich dreh mich um, damit er mich ja nicht erkennt‹, schießt es ihr durch den Kopf.

      Auch die Freundin bemerkt ihn und meint: »Wollen wir uns ein Autogramm holen? Sag bitte ja!«

      »Geh du nur, ich bleibe lieber hier. Ich möchte nicht riskieren, dass er mich wiedererkennt. Nutz du die Gelegenheit, die kommt wahrscheinlich so schnell nicht wieder.«

      »Okay. Dann gib mir mal dein Ticket, damit du wenigstens auch etwas davon hast.« Lilith kramt ihre Eintrittskarte aus der Tasche hervor und überreicht sie wortlos. »Bis gleich, Süße!« Damit schnappt sich Sonja die Karte und verschwindet aus der Bar.

      Kurz muss sie sich sammeln und wieder beruhigen. Eine Zigarette würde jetzt guttun, aber sie wartet rücksichtsvoll auf ihre Süße, vielleicht will sie ja auch mit hinausgehen und frische Luft schnappen. Ihr fällt auf, dass der Barkeeper sie seit einer ganzen Weile anlächelt. Verschmitzt grinst sie in sich hinein und nippt dabei an ihrem Cocktail. Immer wieder linst sie zu ihm hinüber, und bemerkt, dass er sie tatsächlich zu beobachten scheint.

      Er ist jung und unheimlich attraktiv. Sie genießt seine Blicke, die auf ihr ruhen, während sie das Glas an dem langen Stiel hin- und herdreht. Dann stützt sie ihr Kinn auf die Hände und blickt ihn unverhohlen an. Gerade als sie sich aufraffen will, um ihn anzusprechen, setzt sich Sonja wieder neben sie. Der Barkeeper wendet sich schmunzelnd ab, als er ihren enttäuschten Blick bemerkt.

      Die Freundin legt das Ticket auf den Tresen und schiebt es ihr hin, hält es dabei aber noch bedeckt. »Wow! Du glaubst gar nicht, wie umwerfend dieser Typ ist! Schade, dass du dich nicht traust.«

      Unentwegt starrt sie neugierig auf die Rückseite der Karte. Dann dreht Sonja endlich das Papier um und sie kann lesen: ›Für Lilith von Chris - Bitter Elation‹. Ihr stockt der Atem.

      »Es tut mir leid, aber was sollte ich machen. Er hat mich erkannt und dachte, dass er uns schon einmal bei einem vorangegangenen Konzert getroffen hätte«, erklärt sie ihr hastig.

      Lilith stiert auf das Geschriebene und schluckt. »Er denkt, er kennt uns von einem anderen Konzert? Und was ist mit dem Namen? Wurde er da nicht stutzig?«

      »Nur kurz. Er meinte, dass ihm der Name bekannt vorkommen würde, aber wahrscheinlich habe er ihn auch während einer Autogrammstunde in Erinnerung behalten, weil er eben so außergewöhnlich sei. Ich habe ihn einfach in diesem Glauben gelassen. Was Besseres konnte doch gar nicht passieren!«

      »Das ist Glück, dass er das glaubt! Und er ist wirklich so charmant, wie man sagt?«

      »Und ob! Ich soll dir übrigens liebe Grüße ausrichten.«

      Nun bereut sie es ein kleines bisschen, dass sie sich nicht getraut hat. Aber was solls, sie will lieber nichts provozieren oder ihn gar verwirren. »Könnte ich mal kurz rausgehen, um zu rauchen?«, erkundigt sie sich bei ihr unvermittelt.

      Anstatt einer Antwort trinkt sie schnell ihr Glas aus und hakt sich bei ihr unter. Noch einmal lächelt sie dem Barkeeper zu, der daraufhin grinsend die Hand hebt.

      »Ja, Hallo! Hast du dir etwa Mut angetrunken, während ich fort war?«, fragt Sonja sie feixend und dreht sich beim Verlassen der Bar zu dem Mann um. »Hach, dein Geschmack ist aber auch erstklassig.«

      Kichernd gehen sie zum Haupteingang, und als die Süße die Tür öffnet, schiebt sie Lilith hinaus ins Dunkel der Nacht. In diesem Moment sieht sie auch schon den Sänger umringt von Fans neben dem Eingang stehen.

      »Na großartig!«, flüstert sie. Schnell kramt sie eine Zigarette aus ihrer Tasche und zündet sie an. »Warum sagst du mir denn nicht, dass er hier draußen steht? Du weißt doch, dass das schief gehen kann.«

      »Er weiß doch von nichts, er hat überhaupt keine Ahnung! Also bleib ruhig. Bitte, bitte. Du wirst es sonst eines Tages bitter bereuen und dir Vorwürfe machen, dass du diese Chance nicht ergriffen hast.« Die kleine Verräterin schaut sie mit ihrem berüchtigten Hundeblick an.

      Da muss sie auflachen. »Na gut, was solls. Aber ich werde mich ihm nicht aufdrängen. Du weißt, dass ich so etwas nicht mag.«

      Bestätigend nickt sie heftig. »Dann schau ihn doch nur an. Du wirst sehen, er ist einfach … ich kann es nicht beschreiben. Verschaffe dir selbst einen Eindruck.« Damit schlendern sie zu den Programmtafeln schräg gegenüber, außerhalb des Lichtscheins, um ihn aus sicherer Entfernung zu beobachten.

      Er hat sie nicht einmal bemerkt und verteilt weiterhin eifrig Autogramme, scherzt mit den Frauen vor sich. Trotz des diffusen Lichts und der Entfernung, fällt Lilith erneut sein umwerfendes Lächeln auf und wie seine Augen immer mitlächeln. Beinahe wird sie schwach und würde am liebsten zu ihm hinüber gehen.

      Schnell wendet sie sich ab und blickt zum erleuchteten Kensington-Park. Ein wohltuend frischer Luftzug lässt sie wieder zur Besinnung kommen. Dann vernimmt sie sein Lachen - wie wohlvertraut es ihr doch ist. Es ist tatsächlich dasselbe, wie in ihrem Traum. Aber auch das wird

Скачать книгу