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er kinderlos ist und derzeit von seiner Frau, einer erfolgreichen, bildschönen Malerin, getrennt lebt. In der Presse wird viel gemunkelt, doch das interessiert sie nicht wirklich. Es geht niemanden etwas an, findet sie.

      Immer wieder wollte sie auf eines der mittlerweile großen und leider schnell ausverkauften Konzerte, doch sie konnte es zeitlich nie einrichten. Und wenn sie es in Erwägung zog, gab es schon keine Tickets mehr. Das Geschäft nahm sie zu sehr in Anspruch. Aber nun hat sie es endlich geschafft! Dieses Mal konnte sie rechtzeitig zwei Karten ergattern und sorgte bereits im Vorfeld dafür, dass alles geklärt wäre, wenn sie hinfahren würde. Dafür saß sie während ihrer Arbeitszeit vor dem PC und schlug sofort nach Freigabe der Tickets zu. Was auch gut war, denn bereits nach nur wenigen Minuten waren wieder alle restlos ausverkauft.

      Warum schmerzt es nur so sehr? Sie reibt sich den Brustkorb, als ob diese Handbewegung alles wegwischen könnte. Seufzend und tief durchatmend richtet sie sich auf. Was solls! Es war lediglich ein Traum und damit muss sie fertig werden. Letztendlich wird sie sich damit abfinden müssen, dass er sie niemals ansprechen würde. Warum sollte er das auch tun?

      Dumm nur, dass sie den Rest nicht unter Kontrolle hatte. Solch ein Vorfall passiert ihr so gut wie nie, immerhin war es bloß ein Gefäß und es ist glücklicherweise nichts Schlimmeres geschehen. Missmutig wirft sie das durchtränkte Küchentuch in den Mülleimer, die Scherben fliegen im hohen Bogen hinterher.

      Kopfschüttelnd über ihre eigene Dummheit schenkt sie sich erneut eine Tasse ein. Am Kaffee nippend überlegt sie, ob sie … Nein! Niemals ist ihr das passiert, das darf nicht passiert sein! Schnell wischt sie den aufkommenden Gedankengang fort. Denn wenn sie weiter darüber nachdenken sollte, kann das richtig böse enden.

      Das Klingeln an der Haustür unterbricht zum Glück jede weitere unsinnige Überlegung. Lilith blickt auf die Uhr, es ist kurz vor elf und sie ist noch nicht umgezogen. Immerhin ging sie beim Aufwachen davon aus, dass sie arbeiten würde. Deshalb hat sie noch immer ihre Alltagskleidung an.

      Als sie die Tür öffnet, begrüßt Sonja sie überschwänglich. »Wieso bist du noch nicht fertig?«, fragt diese überrascht und blickt an ihr herab.

      Auf die Schnelle erzählt sie ihrer Freundin von dem Traum, während sie in die Küche hinübergehen, lässt allerdings die pikanten Details aus und reißt nur grob ihre Überlegungen dazu an. Diese hört ihr schweigend zu und denkt nach, bevor sie entgegnet: »Mach dir mal nicht so viele Sorgen! Es wird schon nichts passiert sein. Und ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass du so etwas träumst. So wie du dich in letzter Zeit hineingesteigert hast. Es gab ja nur noch Chris hier, Chris da und … das bevorstehende Konzert. Nun mach dich erst einmal fertig und denk nicht weiter darüber nach!«

      Während Sonja sich einen Kaffee einschenkt, eilt Lilith in ihr Schlafzimmer hinauf, um sich umzuziehen. Dabei spukt ihr der Sänger weiterhin im Kopf herum – und die Dinge, die sie miteinander … Abrupt stoppt sie diesen Gedankengang und schmunzelt vor sich hin. Hastig kleidet sie sich weiter an, vor allem, um sich selbst abzulenken.

      »Na das ging ja schnell!«, meint die wartende Freundin, als sie nach wenigen Minuten wieder in der Küche steht. »Dann können wir ja doch gleich losfahren!«

      Flugs greift sie nach den Konzerttickets und schiebt sie in ihre Tasche. »Ja, wir können los!«

      Die Sonne scheint warm auf die beiden herab, als sie das Cottage verlassen. »Was für ein wundervoller Tag!«, lässt sie verlauten und steigt in Sonjas roten Polo.

      »Was will man mehr«, erwidert diese und fährt los, nicht ohne die Musik laut aufzudrehen.

      Kurzzeitig schießen ihr die pikanten Szenen des Traums durch den Kopf, doch sie bleibt ganz ruhig. Immer wieder redet sie sich ein, dass es nur ihre Fantasie ist, die ihr niemand nehmen kann. Nun hat sie immerhin ein kleines, intimes Geheimnis für sich ganz allein. Ob er tatsächlich … Nein, daran will sie jetzt nicht denken. Jählings reißt sie sich zusammen und blickt nach links auf die Landschaft.

      Sie verlassen Landsbury und schon bald ist das Meer nicht mehr zu sehen. Allmählich rücken auch ihre verrückten Überlegungen in den Hintergrund, denn nach und nach wird ihr vollends bewusst, dass heute das finale Konzert der großen Welttournee in London stattfindet. Ein Kribbeln im Bauch kündigt schlagartig die Vorfreude an. Erst jetzt erinnert sie sich auch daran, dass sie gestern Nacht lange nicht einschlafen konnte. Viel zu aufgeregt war sie gewesen.

      Die Veranstaltung vor acht Jahren war bereits fantastisch, aber das ist sicherlich nichts im Vergleich zu den heutigen Events. Denn das, was sie in den aktuellen Konzertmitschnitten gesehen hatte, war einfach grandios. Zugegeben, ein bisschen ist sie schon auf ihn gespannt. Mittlerweile strahlt er auf der Bühne eine unheimliche Selbstsicherheit aus, agiert viel mehr mit den Fans als damals. Lilith kann es kaum erwarten, endlich an der Halle anzukommen.

      »Na? Aufgeregt?«, fragt die Gefährtin sie amüsiert.

      »Und wie! Ich bin so gespannt!«

      Grinsend legt Sonja die aktuelle Scheibe ein. Kaum ertönt seine Stimme, singen beide aus vollem Hals mit.

      Ob er tatsächlich so charmant wie in ihrem Traum ist, oder war das nur ihr Wunschtraum? Aber das wird sie wahrscheinlich nicht herausfinden. Außer … Nein! Erneut versucht sie den weiteren Gedankengang wegzuwischen. Daran darf sie nicht einmal annähernd denken! Schließlich ist sie kein Teenager mehr. Schnell blickt sie aus dem Fenster, um sich abzulenken.

      Allmählich nähern sie sich der Hauptstadt, sie war schon lange nicht mehr da. Es gab, seitdem sie in dem idyllischen Küstenstädtchen lebt, nichts, was sie nach London gezogen hätte. Die Hektik der Großstadt ist ihr mittlerweile zuwider. Als Jugendliche wollte sie immer wieder hierher und nutzte jeden Schulausflug dazu. Damals hätte sie sich sogar vorstellen können, in dieser riesigen Stadt zu leben. Lilith schmunzelt, als sie an ihre Mutter denkt, die verzweifelt versuchte ihr das Ganze auszureden und bei ihr zu bleiben - mit Erfolg. ›Ach, Ma, wie recht du doch hattest.‹

      Trotz allem beschlossen Sonja und sie vor knapp sechs Jahren ihr Elternhaus zu verlassen. Irgendwann wollten die beiden ebenso wie jeder andere Mensch auf eigenen Füßen stehen. Monatelang suchten sie nach dem passenden Fleckchen Erde für sich. Obwohl ihre Mütter es nicht gern sahen, dass sie wegziehen wollten, unterstützten sie sie dabei. Manchmal vermissen sie ihre Familien noch heute. Regelmäßig telefonieren sie miteinander, um sich Ratschläge einzuholen oder einfach nur, um mit ihnen zu reden und die wohlvertrauten Stimmen zu hören.

      Als sie sich wieder auf die Umgebung konzentriert, bemerkt sie, dass sie sich bereits mitten in London befinden, so sehr war sie in den Erinnerungen versunken. Sie blickt auf ihre kleine silberne Uhr. Es ist erst kurz vor vier.

      »Wir sind ja viel zu früh dran. Was machen wir in der ganzen Zeit bis zum Konzert?«, fragt sie neugierig.

      »Zuerst müssen wir mal einen Stellplatz finden. Wer weiß, wo wir das Auto abstellen müssen! Danach sehen wir weiter.«

      Bereits jetzt kann sie die Kuppel der Halle erkennen. Gleich sind sie da! Ihr Herz beginnt zu rasen, ihre Handflächen werden feucht. Noch nie war sie in der Royal-Albert-Hall gewesen. Die Bilder vom Inneren der Location haben sie sofort begeistert. Hoffentlich hat sie die richtige Wahl mit der Loge getroffen. Lieber wäre sie unten im Saal gewesen, um die Band zu feiern, doch die Stehplätze waren innerhalb von Sekunden ausverkauft gewesen und sie hatte doch etwas zu lang gezögert.

      Sonja fährt auf einen der überfüllten Plätze. Kein freier Stellplatz mehr zu sehen, fluchend sucht sie weiter. Auf dem dritten angefahrenen Parkplatz finden sie endlich eine winzig kleine Lücke. So schnell hat sie wahrscheinlich noch nie eingeparkt. Glück gehabt, denn als sie aussteigen, suchen bereits die Nächsten eine Parklücke.

      »Das ging ja grade noch einmal gut«, meint die Freundin erleichtert. »Die Location muss ja völlig überfüllt sein!«

      Langsam schlendern sie zwischen den Häusern Richtung Konzerthalle, obwohl sie am liebsten rennen würde. Aber wozu? Der Einlass findet erst in einer Stunde statt.

      »Was machen wir denn jetzt noch?«, fragt Lilith erneut. Gleichzeitig entdeckt sie von

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