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Konzerthalle, um sie abzufangen. Schnell steigen die Bandmitglieder aus, um auch tatsächlich ungesehen in das Gebäude zu gelangen. Kaum schließt sich die Tür hinter ihnen, hört er den Bus wieder wegfahren.

      Gemeinsam gehen sie zur Bühne. Die Roadies haben mit dem Kulissenaufbau bereits ordentliche Arbeit geleistet. Der Manager begrüßt die Bandmitglieder herzlich und erklärt ihnen das Konzept des heutigen Abends. Eigentlich hat sich kaum etwas geändert, nur hier und da ein paar Kleinigkeiten, da die Bühne etwas kleiner ist.

      Chris blickt sich neugierig um. Hier war er schon lange nicht mehr und damals war er selbst Besucher. In diesem überaus imposanten Gebäude werden sie also heute spielen und ihre Tour beenden. Nun wird er doch etwas nervös, was eigentlich so gut wie nie vorkommt. Sobald er allerdings am Mikrofon steht, verfliegt seine Anspannung und auch seine Müdigkeit. Augenblicklich ist er in seinem Element, auch wenn es nur der Soundcheck ist. Alles funktioniert perfekt, es muss kaum etwas nachjustiert oder verbessert werden. Abschließend setzt er sich an sein Konzertklavier und stimmt eine der wenigen Balladen an.

      Wie sehr er doch seinen schwarzen Flügel vermisst, der noch immer, wie all seine anderen Sachen, in Anns Haus steht. Sein Klang ist um Einiges beeindruckender. Doch um an sein geliebtes Klavier zu kommen, muss er erst einmal ein Haus finden. Er freut sich bereits jetzt, wieder darauf spielen zu können.

      Seufzend erhebt er sich und geht mit den anderen in die Garderoben. Dort ist schon alles vorbereitet. Kein Alkohol ist zu sehen, was in seinem Sinne ist. Auch keiner der Bandkollegen trinkt vor einem Auftritt. Kaffee, schießt es ihm durch den Kopf. Da entdeckt er einen Vollautomaten und schaltet ihn sogleich an. Der heiße starke Kaffee tut gut und lässt seinen Geist wiederbeleben. Als alle ihren Koffeinspiegel aufgefüllt haben, wirken sie auch sofort aufgeweckter und gehen nach draußen zu dem bereits wartenden Bus. Endlich fahren sie ins Hotel, um wenigstens ein paar Stunden auszuspannen.

      Nachdem sie einige Zeit mit Schlafen oder Filmeschauen zugebracht haben, gehen sie wieder hinunter, um in den Tourbus zu steigen. Doch vor dem Hotel werden sie wie immer von einer wartenden Meute abgefangen, damit sie ihnen Autogramme geben. Chris ist bester Laune und scherzt sogar mit den Fans. Der Abend der Abende ist da und er kann es nunmehr kaum erwarten auf der Bühne zu stehen, um die Tournee mit einem denkwürdigen Konzert abzuschließen.

      Als sich der Bus dem Seiteneingang der Halle nähert, bemerkt er, dass die ersten Fangrüppchen auf sie zugerannt kommen. Nur zwei Frauen schlendern anscheinend desinteressiert an ihnen vorbei. Und genau das weckt sein Interesse und beobachtet sie eingehender. Plötzlich stutzt er.

      Die Frau mit den langen, schwarzen Haaren und ihrem überaus anmutigen Gang kommt ihm vertraut vor, aber auch der rotblonde Lockenkopf neben ihr ruft eine Erinnerung in ihm wach. Als die Schwarzhaarige aufblickt, stockt ihm der Atem. Diese Augen könnte er niemals wieder vergessen! Irritiert starrt er sie an und sieht, wie die blasse Schöne von der Ginger weitergezogen wird, während sie die abgedunkelte Scheibe, hinter der er sitzt, fixiert. Obwohl es ihm eigentlich Angst und bange werden sollte, registriert er schmunzelnd, dass sie dabei rückwärts weiterläuft.

      Als die Jungs an ihm vorbeigehen, erhebt er sich zwangsläufig und verlässt als Letzter den Bus. Das Gekreische ist ohrenbetäubend, doch in diesem Moment registriert er all das gar nicht. Auf der untersten Stufe wendet er sich ihr zu und sieht, wie sie abrupt stehen bleibt, kaum, dass sie seine Blicke bemerkt. Die Ähnlichkeit mit der Frau aus seinem Traum ist verblüffend, wenn sie nicht sogar gleich aussieht. Das kann aber unmöglich sein, außer … außer sie war auf einem der Konzerte oder hatte ihn um ein Autogramm gebeten! Durch irgendeinen Umstand hat er sich ihr Gesicht eingeprägt und aus einem unerfindlichen Grund hat er letzte Nacht von ihr geträumt. Also kennt er sie doch und es gibt sie wirklich. Das muss es einfach sein!

      Joe zupft an seinem Shirt, damit er endlich heruntersteigt und in die Menge eintaucht. Erleichtert über die Auflösung des Traumes kann er sich nun vollkommen auf seine Fans konzentrieren und scherzt ausgelassen mit ihnen herum. Nach einigen Minuten sucht er sie wieder. Er entdeckt sie noch immer an dem gleichen Fleck stehend und registriert ihren starren Blick. Warum schaut sie so gebannt in die Menschenmenge? Auf einmal sieht sie ihn wieder an. Da er nun endlich weiß oder vermutet, woher er sie kennt, lächelt er ihr zu. Doch sie hat sich bereits herumgedreht und rennt regelrecht davon.

      Schade! Leicht betrübt blickt er ihr hinterher, zu gern wäre er ihr nähergekommen und wenn es nur für ein Autogramm gewesen wäre. Aber vielleicht sieht er sie nach dem Konzert noch einmal. »Hoffentlich«, hört er sich leise murmeln.

      Nachdem sie sich durch die Fanmassen gekämpft haben, betreten sie das Gebäude und begeben sich in ihre Garderoben. Chris bemerkt Normans durchdringenden Blick. Dieser beobachtet ihn, seitdem sie aus dem Bus gestiegen sind. »Was ist? Stimmt etwas nicht?«, fragt er ihn.

      »Nein, es ist alles Okay. Ist bei dir alles in Ordnung? Du siehst besorgt aus«, erwidert der Gitarrist.

      »Bei mir ist alles in Ordnung. Ich sehe besorgt aus? Bin ich aber gar nicht.«

      »Dann ist ja alles gut. Ich wollte nur gefragt haben«, sagt der Freund und zieht sich um.

      Verwundert schaut er nun den Weggefährten an. Währenddessen er die militärisch anmutende, schwarze Jacke über sein weißes Shirt streift, hängt er seinen Gedanken nach.

      Norman ist sein langjähriger Freund, die beiden kennen sich seit Schulzeiten. Man kann sagen, sie sind gemeinsam aufgewachsen, fühlten sich im Elternhaus des anderen zu Hause. Und so benahmen sie sich auch, beide waren recht rowdyhaft. Immer wieder nervten sie ihre Eltern mit ihren Gitarren und ihrem Gesang. Nach einiger Zeit meldeten ihre Väter sie an einer Musikschule an, um Gesangstraining und Gitarrenunterricht zu nehmen, aber auch, um ihnen endlich Manieren beizubringen. Dort lernte er das Klavierspiel kennen und lieben.

      Während ihrer gemeinsamen Zeit in Oxford trafen sie den zwei Jahre älteren Drummer Joe und gründeten daraufhin Bitter Elation. Zuerst spielte Norman die Bassgitarre, wechselte jedoch bald zurück zur Gitarre, da Chris das Klavier mehr liebte. Ein neuer Bassist musste also her.

      Ein Jahr später trafen sie Andy auf einer privaten Feier. Dieser stieg nach wenigen Monaten in ihre Band ein und bald darauf nahmen sie ihre erste CD auf, die sich für alle unerwartet gut verkaufte. Mit dem zweiten Album kam der kommerzielle Durchbruch, womit keiner der Bandmitglieder gerechnet hätte. Es ging plötzlich alles rasend schnell.

      »Es geht gleich los, Jungs!«, ruft der Manager ihnen zu und holt den Sänger aus seinen Erinnerungen zurück.

      Die Vorband kommt lachend den Gang herunter. Chris nickt ihnen zu und erfährt, dass die Stimmung gigantisch sei. Das Publikum rufe bereits nach ihnen. Schmunzelnd hüpft er auf und ab, um die Muskulatur aufzulockern. Noch einmal prüft er sein Outfit in dem Spiegel.

      Er freut sich jedes Mal auf den Moment, wenn er die Jacke auf der Bühne abstreift. Erstens, weil es verdammt heiß unter den Scheinwerfern ist und zweitens hat er die weiblichen Fans damit gleich in der Tasche. Nicht das ihn das irgendwie anmachen würde, aber er findet es nach Jahren noch immer faszinierend, dass die Frauen vor der Bühne ihn regelrecht anschmachten. Wer würde nicht darauf abfahren?

      Geschlossen gehen sie hinter die Bühne und sie lugen durch einen kleinen Spalt im Vorhang in die Halle. Diese ist zum Bersten voll. Sie puschen sich noch einmal gegenseitig auf, dann betritt Joe wie immer als Erster die Bühne, um die Menge zu begrüßen. Das hat sich im Laufe der Jahre so eingespielt. Chris ist zwar der Frontmann, aber der Drummer übernimmt meistens den Part des Redners, auch wenn er allzu gern und viel mit den Fans schäkert und herumalbert.

      Daraufhin betreten Andy und Norman die Bühne und stimmen das Intro an. Währenddessen wartet er im Hintergrund, bis er bei den letzten Takten ins Rampenlicht tritt und die Halle sofort zu beben beginnt. Mit erhobenen Armen begrüßt er die Fans und wie auf Knopfdruck ist er in seinem Element. Der erste Song ertönt und schon schmettert er los. Sein Elan schwappt unmittelbar auf das Publikum über. Er liebt es, wenn er eine übervolle Konzerthalle zum Erzittern bringen kann.

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