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Wieder einer dieser Tage. Reiner Jansen
Читать онлайн.Название Wieder einer dieser Tage
Год выпуска 0
isbn 9783750219168
Автор произведения Reiner Jansen
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Beamen war der perfekte Mord, weil der Getötete scheinbar immer noch herumlief, das war das Geniale daran. Er war ersetzt durch eine perfekte Kopie, die an seiner Stelle die Geschäfte fortführte, genauso aussah und sprach wie er, und nicht nur von allen Umstehenden für den Verblichenen gehalten wurde, sondern sich auch selbst für diesen hielt, und daher ungemein überzeugend war. Genau genommen war er vom Original durch nichts zu unterscheiden, man hätte also beinahe sagen können, es wäre tatsächlich er. Nur: Er war es eben nicht mehr. Das Original war tot. Und der Umstand, dass eine perfekte Kopie von ihm an seine Stelle getreten war, änderte nichts daran.
Das Teuflische daran war, dass es nie jemandem auffiel.
Die Beamer schienen immer einwandfrei zu arbeiten, noch nie war es zu einem Unfall gekommen, alle waren von der Zuverlässigkeit des Systems begeistert. Jemand stieg an einem Ende hinein, es summte kurz, der Körper wurde in reinste Quanteninformation zerlegt und an den Zielort abgestrahlt, sodann von der Empfangsapparatur wieder zurück in Materie übersetzt. All das erfolgte mit dem immer gleichen Ergebnis, dass nämlich ein putzmunterer Beamling, ein frisch Gebeamter, breit grinsend aus dem Gerät am anderen Ende kletterte.
„Seht her, nur keine Sorge, es funktioniert!“ lautete das frohe Fazit.
Dass er gar nicht mehr derjenige war, der einen Moment zuvor in den Beamer hineingeklettert war, sondern lediglich eine exakte Kopie des bedauernswert Verblichenen, gerade mal wenige Sekunden alt, kann er nicht ahnen, nicht fühlen, nicht beweisen.
Er ist nur aufgrund der perfekten Kopie der Gedächtnisinhalte in seinem Kopf von seiner fortdauernden Existenz überzeugt. Für ihn fühlt sich alles richtig an. Er weiß, was er gestern getan, mit wem er den Tag verbracht und welchen Schabernack er getrieben hat. Seine Erinnerungen sagen es ihm, in einem zusammenhängenden Film, immer abrufbar und ohne erkennbare Lücken. Er kennt sein biologisches Alter, und das war sicher nicht im Bereich von nur wenigen Sekunden, nicht wahr? Nicht wahr??
Arthur stellte sich vor, wie man ihn auf der Enterprise auslachen würde, wenn er sich strikt weigerte, den Beamer zu betreten.
Er wäre damit für Außeneinsätze auf fremden Planeten aus eintönigen Pappmaché-Kulissen ungeeignet, und Captain Kirk würde sich einen dieser armen Trottel suchen müssen, die nicht zur Riege der Hauptdarsteller zählten und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Einsatz ums Leben kommen würden. Erneut ums Leben kommen würden, musste man sagen, denn das Beamen auf die Oberfläche des Planeten hatte sie ja bereits – unbemerkt – dahingerafft.
Allein unsere Erinnerungen verweben uns mit dem Gestern und dem Morgen. Sie machen uns zu der Person, die wir zu sein glauben, sie weiten den nadelfeinen Lichtpunkt unserer bewussten Gegenwart zu dem diffusen Lichtkegel auf, den wir „jetzt“ oder auch „heute“ nennen.
Wow! Er war beeindruckt von sich selbst. Wirklich äußerst tiefsinnig...
„Ben…? BEN!! Was zum Teufel…??“
Arthur musste unwillkürlich grinsen, denn er würde auf dem Schiff die Untergrund-Bewegung der Beam-Gegner anführen, und schließlich als Spinner verhöhnt zum Küchendienst abkommandiert werden.
Das Schicksal all derer, die über den Tellerrand hinaussehen konnten, oder zumindest davon überzeugt waren, es zu können. Manchmal sollte man seine Gedanken wohl besser für sich behalten...
„Ben…!? Lass uns darüber reden, verdammt nochmal!“
Die Stimme des Investment-Bänkers klang rau und halb erstickt, als würde er versuchen, mit Sand im Mund zu sprechen.
Er war wieder ins Tagträumen gekommen, stellte Arthur ohne große Reue fest. Sei es darum, an manchen Tagen musste er sich einfach kurzfristig ausklinken, um nicht den Verstand zu verlieren.
Vielleicht sollte er nun die Augen wieder öffnen? Das konnte manchmal hilfreich sein. Ohne Enthusiasmus tat er genau das.
Die Szene, die vor ihm lag, war, zugegebenermaßen, ziemlich eigenartig.
Zumindest empfand er es so.
Schon zu Schulzeiten war er nicht gerne im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Er war einfach keiner dieser aufdringlichen Wichtigtuer.
Langsam ließ er die Luft aus seinen Lungen entweichen und den Blick schweifen. Ein langer Tisch aus poliertem tropischem Gehölz erstreckte sich von ihm weg in die Tiefen des Konferenzraumes hinein.
Etwa zwei Dutzend offenbar gut situierte Herren in zumeist graublauen Nadelstreifenanzügen saßen daran, alle mit dem Gesicht in seine Richtung gewandt. Nun ja, nicht wirklich alle saßen mehr da, wo sie sollten.
Arthurs wanderndem Blick entgingen nicht drei leere Drehstühle, noch in leichter Rotation begriffen, wie Windmühlen in einer sanften Brise, gerade so, als hätten sich die absenten Platzinhaber erst vor wenigen Sekunden fluchtartig davongemacht. Und zwar offenbar unter den Konferenztisch, da sich sonst nirgendwo im Raum eine Spur von ihnen zeigte.
Es waren die paar Herren unter 60, die ihren Körper noch zu so einem schnell vorgetragenen Kunststück der Beweglichkeit motivieren konnten. Die übrige Gesellschaft hatte sich aus Altersgründen auf's Starren verlegt. Vielleicht war es ihnen auch egal, denn jeder dieser Herren hatte sein Stück vom Kuchen des Lebens bereits abbekommen.
Besser gesagt, hatte jeder eine komplette Konditorei leer gefressen.
So what!? Fuck it! Uns kann keiner an den Karren fahren!, mochten sie vielleicht denken. Oder aber sie besudelten gerade ihre Seniorenwindeln, die einige dieser Opas sicher bereits trugen – nur zur Sicherheit, als letzte Verteidigungslinie sozusagen, wenn der Beckenboden schlapp machte.
Eine bleierne Stille lag über der Szenerie.
Im Wesentlichen wurde nur schwer geatmet.
Schweres Atmen war aktuell definitiv das dominierende Geräusch in diesem Raum, und es begann Arthur zunehmend zu nerven.
Das Bild, das sich ihm gerade zeigte, wäre wohl kein anderes, wenn er mit wildem Kampfgebrüll und einer durchgeladenen AK-47 im Anschlag durch die Tür gestürmt wäre.
Was er, genau genommen, auch soeben getan hatte, soviel muss an dieser Stelle erwähnt werden.
Ein bitteres Lächeln umspielte Arthurs Lippen, als er die Waffe sinken ließ, bis ihre Mündung auf den Boden vor ihm zeigte.
Das allgemeine schwere Atmen schien gleich etwas leichter zu werden.
Er legte die Stirn in Falten und rief sich die vergangenen fünf Minuten ins Gedächtnis. Die paar Minuten, bevor er den Raum verlassen hatte, um die Waffe aus seinem Büro zu holen, wo sie seit Jahren als Wandschmuck diente. Sein alter Herr hatte sie einem Wehrmachtsoldaten aus den kalten Händen gewunden, der sie wiederum einem Rotarmisten aus dessen ebenso kalten Händen entwendet hatte.
Soweit die Kurzfassung der Geschichte der betagten Waffe.
Er, also Ben, hatte sie geerbt. Geladen und einsatzbereit, was allerdings niemand ahnte, der sein Büro betrat.
Was also war geschehen, um ihn danach greifen zu lassen?
Die anwesenden Herren (drei davon aktuell unter dem Tisch befindlich) waren zur Beichte erschienen, könnte man sagen.
Und wie es immer ist, mit ungezogenen Jungs, die richtig Mist gebaut hatten: Wenn die schmutzige Wäsche dann auf den Tisch kommt, möchte plötzlich jeder der erste sein, der alles gesteht. In der vagen Hoffnung, dem herab sausenden Rohrstock der zürnenden Vaterfigur so lange entgehen zu können, bis dem Alten die Puste ausging.
Die Vaterfigur war heute er selbst, das war Arthur klar. Zumindest war er in ihrem Körper aufgewacht. Lange schon hatte er sich danach gesehnt, einmal ein hohes Tier zu sein, ein Big Boss, jemand dessen Wort Gewicht hat, der etwas bewegen, einen Unterschied machen konnte, vielleicht schon an einem einzigen Tag. Jemand, den man in Insiderkreisen als „Regenmacher“ bezeichnete. An den Chefposten der amerikanischen Notenbank hatte Arthur bei seinen Gedankenspielen zwar nie gedacht, aber in seiner Situation musste man nehmen, was