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sollte ich dir zustimmen, wenn ich nicht deiner Meinung bin?“

      „Damit ich mir nicht so vorkomme, als sei ich die kleine Dumme, die von Kriminalistik keine Ahnung hat!“

      Klauk ließ die Kinnlade fallen. „Was? Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun, Lea.“

      „Hat es sehr wohl. Ich bin die jüngste im Team und habe keine Ausbildung wie ihr. Wenn euch das stört, dann müsst ihr es mir sagen.“

      Lea geriet jetzt erst richtig in Fahrt.

      „Du bildest dir zu viel ein. Keiner aus dem Team schaut auf dich herab. Wer sollte das denn tun? Chrissi? Ihr seid Freundinnen. Wendt? Der hält große Stücke auf dich. Hell? Dem hast du das Leben gerettet, schon vergessen?“

      Leas Finger kreiste gefährlich vor Klauks Gesicht. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. „Aber du! Du könntest mir zur Seite stehen!“

      „Lea, Schatz. Sei bitte nicht albern. Wenn ich mich nicht so früh in einer Ermittlung festlegen mag und an einen Ehrenmord glaube, dann hat das doch nichts mit dir zu tun. Wenn Christina diese These aufgestellt hätte, dann hätte ich ihr auch nicht zugestimmt.“

      „Aber du hast gar nichts dazu gesagt, das ist es ja!“, fuhr sie ihn jetzt an. Weibliche Logik, dachte er, doch das konnte er in diesem Moment nicht sagen.

      „Keiner hat etwas gesagt, wenn du dich genau erinnerst“, führte Klauk als Verteidigung an. „Eben! Weil ihr mich alle für ungeeignet haltet!“

      Klauk atmete tief durch. „Wenn du dich wieder beruhigt hast, Schatz, dann reden wir erneut darüber. Ich gehe jetzt zu den Kollegen von der Sitte. Bis später“, sagte er, wollte sich umdrehen, doch sie hielt ihn am Arm fest.

      „Wenn du jetzt gehst, dann war‘s das!“, sagte sie ganz leise, aber diese Drohung bekam dadurch noch mehr Gewicht. Sebastian löste ihren Griff, sah sie verständnislos an.

      „Was?“

      „Du kannst mich nicht hier auf dem Flur stehen lassen wie ein kleines Mädchen“, stieß sie hervor. Klauk spürte, dass er in dieser Situation nur verlieren konnte. Lea war bereit, ihre Beziehung aufs Spiel zu setzen. Wegen einer solchen Kleinigkeit. Langsam verdrängte der Zorn über diese Albernheiten seine schwächer werdende Gelassenheit. Noch schaffte er es, sein Entsetzen hinter einem Nicken zu verbergen.

      „Lea, schade, dass ich das hier nicht mit dem Handy aufgezeichnet habe. Du müsstest dich hören. Ehrlich, das ist albern!“

      Klauk war fast einen Meter neunzig groß, Lea gut zehn Zentimeter kleiner, doch plötzlich schien sie mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein.

      „Albern? Ich bin also albern? Okay, wenn das so ist, dann kannst du sicher auf meine weitere Gesellschaft verzichten!“, drohte sie wild entschlossen, „entscheide dich!“

      Klauk widerstand dem Impuls, ihr die Hand auf die Schulter zu legen. Sie würde es auch gar nicht zulassen. Stattdessen wartete er ein paar Sekunden, dann fragte er: „Wofür soll ich mich entscheiden?“

      „Ob du mich als Partnerin haben willst mit allen Konsequenzen oder nicht?“

      Klauk schüttelte den Kopf. „Du stellst ernsthaft unsere Beziehung in Frage, weil ich mit dir nicht einer Meinung bin? Lea, hörst du dich selbst sprechen?“

      Sie sagte nichts, ihre Mundwinkel zuckten; sie blieb weiter vor ihm stehen und wartete darauf, dass Klauk einknickte. Doch das sah er überhaupt nicht ein.

      „Wenn du willst, dass ich dich als Polizistin ernst nehme, dann musst du professionell und abgeklärt sein und andere Meinungen zulassen …“, sagte er, doch weiter kam er nicht.

      „Okay, das war jetzt die Bestätigung für meine Befürchtung. Ich bin ein Dummchen und du bist der Super-Bulle!“ Drehte sich herum und ging in die andere Richtung davon. Klauk blieb wie versteinert zurück. Er fasste sich an den Mund und schüttelte sich innerlich, sah Lea hinterher, die mit in den Nacken geworfenem Kopf um die nächste Ecke bog. Er versuchte, das Gewicht ihrer Worte abzuwägen. Sie meinte das alles zweifellos ernst. Monatelang hatte er gebraucht, bis sie ein Paar geworden waren, hatte sich zuvor nicht getraut, ihr seine Liebe zu gestehen. Und jetzt das! Er biss die Zähne aufeinander, drehte sich herum und versuchte, seine eigene Professionalität nicht zu vergessen. Es galt einen Fall in die Gänge zu bringen. Da zählte die persönliche Befindlichkeit nichts.

      *

       Bonn-Beuel

      Vor der kleinen Doppelhaushälfte wuchsen Hortensien. Auf den Ziegelstufen, die von der Straße hinauf zur Terrasse führten, wuchsen Rosen und Lavendel in Töpfen. Der Lavendel gegen die Blattläuse, die oft die Rosen heimsuchten. Beschaulich. Für Lara roch es nach Muff und Spießertum. Ihr Hund erwartete sie, ihre Mutter nicht. Die war noch auf der Arbeit. Alleinerziehend. Der Vater hatte sich schon lange nicht mehr sehen lassen. Und mit den Alimenten war er auch schon lange im Verzug. Daher lag es allein in den Händen der Mutter, sie und ihre Tochter Lara zu ernähren. In der Vorstellung ihrer Tochter war das aber alles nicht genug. Sie wollte mehr. Mehr Geld, mehr Mode, mehr Luxus. Wie sehr sich ihre Mutter bemühte, das Haus zu halten und ihrer Tochter täglich etwas zu essen auf den Tisch zu bringen, Lara hatte immer etwas daran auszusetzen.

      Ihr Hund sprang aufgeregt an ihr hoch, Lara warf achtlos ihren Rucksack in die Diele, legte die Sonnenbrille auf der weißen Ikea-Kommode ab. Sie nahm die Hundeleine vom Haken und streifte Lucy ihr Halsband über. Sie hatte noch zwei Stunden Zeit, bis ihre Mutter von der Arbeit nachhause kam. Bis dahin würde sie mit Lucy spazieren gehen. Und sich auf das Foto-shooting freuen. Doodle Lucy war es egal, ob sie reich oder arm war. Sie liebte Lara und sie liebte ihre Hündin abgöttisch.

      Die Unterhaltung mit dem gutaussehenden Mann im Café Pendel ging ihr noch einmal durch den Kopf, während sie mit dem Hund an der Leine durch die Straße in Bonn-Beuel ging.

      Bald bin ich hier weg, dachte sie. Für das Leben hier in dem kleinen Stadtteil von Bonn hatte sie mittlerweile nur noch Verachtung übrig. Auch für die Menschen, die hier lebten. Dabei störte sie auch nicht, dass sie Janine zurücklassen würde. Wenn sie erst der neue Star am Modelhimmel war. Eine Nachbarin begegnete ihr, grüßte freundlich. Lara ließ wie üblich alle Höflichkeitsfloskeln aus. Sie warf ihren Kopf in den Nacken und ging wortlos an der Frau vorbei. Was diese dann zu ihr sagte, machte sie sprachlos. Und legte in ihrem Hirn den Wutschalter um.

      *

       Bonn-Beuel

      „Du hast sie eine ‚dumme Mistkuh‘ genannt? Bist du noch bei Trost? Sie ist eine Nachbarin, wir müssen mit den Menschen hier in der Nachbarschaft auskommen!“, schrie Frau Siemons ihre Tochter an. Lara zögerte keine Sekunde, bevor sie zurückschrie.

      „Was gehen mich diese Arschkrampen hier in der Gegend an? Was sind das alles für elende Loser? Was bist du für ein Loser? Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben. Bald fängt für mich ein besseres Leben an, du wirst es sehen!“ Keck reckte sie ihr zierliches Kinn hoch und Frau Siemons musste sich zurücknehmen, um ihr nicht eine ordentliche Backpfeife zu geben. Ihre Hand zuckte, doch sie tat es nicht. Sie hatte Lara noch nie geschlagen.

      „Was meinst du damit?“

      Lara bemerkte, dass sie mit dieser Äußerung einen Schritt zu weit gegangen war. Sie durfte die Neugier ihrer Mutter nicht wecken. Also versuchte sie, einen Schritt zurückzurudern.

      „Ich habe diese Frau so satt. Du müsstest manchmal hören, was sie für einen Müll erzählt. Ich konnte mich einfach nicht beherrschen. Sie meinte, ich hätte keine Erziehung! Ich! Dieses asoziale Pack sollte sich an die eigene Nase packen. Ich grüße, wen ich grüßen will und die will ich nicht grüßen“, begann sie plötzlich einen ganz anderen Ton anzuschlagen. Doch ihre Mutter hatte bereits Lunte gerochen.

      „Und du findest, dass ich genau zu diesen Sozialhilfeempfängern passe oder warum bist du so gemein zu mir?“

      Lara riss den Blick von ihrer Mutter los. „Nein,

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