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Muffe vor einer Portion Reizgas, doch das sollten seine Kumpels nicht bemerken.

      „Mach mal keine krassen Aktionen, Mädchen! Du hast sie doch nicht alle!“, rief er ihr zu und verbarg seine Furcht hinter einer unflätigen Handbewegung. Janine zog Lara am Arm, sagte beinahe beschwörend: „Komm Lara, lass sie stehen. Die haben es nicht besser verdient!“ Lara ließ das Spray zurück in ihre Tasche gleiten und lächelte mild. „Hast recht, komm lass uns shoppen gehen. Das würde euch auch mal gut stehen, eure Klamotten sind sowas von out, ihr Looser!“, gab sie den Jungs noch als Ratschlag mit. Dann hängte sie sich bei ihrer Freundin ein und nach ein paar Metern hatte sie die Situation schon vergessen. „Ich habe gestern dort ein D&G-Shirt gesehen. Hoffentlich ist das noch da! Und wenn nicht, dann kratze ich der Schlampe die Augen aus, die es gekauft hat!“, flötete sie. Janine stimmte sofort in die affektierte Fröhlichkeit ihrer besten Freundin ein, obwohl sie es manchmal nicht nachvollziehen konnte, wie schnell Lara umschalten konnte. Von total sauer auf hyperfreundlich. Oder zurück. Aber so war sie eben. Kapriziös. Ein wenig so, wie die Models, die sie so verehrte.

      Neben der Filiale der Postbank am Münsterplatz, die in unmittelbarer Nähe zu dem Eingang von TK-Maxx lag, stand ein Mann mit einer Kamera. Er betrachtete die Fotos, die er in den letzten Minuten geschossen hatte. Der Fotograf betätigte das Wählrad und blieb bei einem Bild hängen, das ihn besonders faszinierte.

      Blaue Augen, braunes Haar. Schmales Gesicht und volle Lippen. Er zoomte auf die Augen, atmete einmal tief durch und packte mit zitternden Fingern die Kamera in seine Umhängetasche. Kurz drauf betrat er den Eingang zu TK-Maxx und ließ betont unauffällig seinen Blick schweifen.

      *

       Bonn

      Das Schweigen währte sehr lange. Der Fahrer des blauen Seat Ibiza starrte leer vor sich hin. Ebenso sein bärtiger Kompagnon auf dem Beifahrersitz.

      „Fahrzeugpapiere und Führerschein!“, forderte der junge Polizeibeamte ihn erneut auf. Wahrscheinlich hatte diese wiederholte Aufforderung des Polizisten die kleinen grauen Zellen des Mannes erst jetzt in Schwung versetzt, denn plötzlich stieß er einen schrillen Fluch aus und gab Gas. Der blaue Kleinwagen schoss nach vorne, direkt auf den zweiten Beamten zu, der sich gerade das Kennzeichen gemerkt hatte und auf dem Weg zum Einsatzwagen war. Halterabfrage. Business as usual. Mit einem beherzten Sprung entging er der Kühlerhaube des Seat und landete dennoch unsanft hinter seinem VW-Passat. Der Seat rauschte davon.

      „Heilige Scheiße, was ist denn in die gefahren?“, fragte er noch auf dem Boden liegend seinen jungen Kollegen. Der streckte ihm die Hand entgegen.

      „Los komm! Diese beiden Ärsche schnappen wir uns. Kannst sagen was du willst. Fahrer mit Bart und offensichtlichem Migrationshintergrund sind mir suspekt. Sehr suspekt sogar, und seit der Silvesternacht in Köln noch viel suspekter als jemals zuvor“, rief der junge Polizist. Sein Kollege brummte eine Antwort, wuchtete sich hinter das Lenkrad des Einsatzfahrzeuges und hörte zu, wie sein junger Kollege eine Eisatzmeldung absetzte: „Luna 17 für Zentrale. Verfolgen ein blaues KFZ Marke Seat Ibiza Fahrtrichtung Medinghoven. Kennzeichen SU-RZ 257. Standort Bonn B56 Rochusstraße kurz vor der Straßenmeisterei. Erbitten Unterstützung.“ Mit Blaulicht und Martinshorn rasten die beiden Polizeibeamten los und nahmen die Verfolgung auf.

       *

       Bonn, Innenstadt

      Laras schriller Entzückensschrei hallte durch die obere Etage des TK-Maxx. Janine sah sich nach den anderen Kundinnen um, die über ihr Verhalten bereits die Nase rümpften. „Geht doch auch leiser, Lara“, riet sie ihrer Freundin.

      „Voll das Zalando-Feeling, das geht nicht leise. Die Tussen sollen sich um ihren eigenen Kram scheren“, rief sie und steckte einer Frau, die neben ihr im Gang stand, die Zunge raus. Diese Frau schüttelte den Kopf, zischte eine Beleidigung und ging einen Gang weiter.

      „So ist es brav, du olle Schrulle!“, rief ihr Lara noch halblaut hinterher. Dann hielt sie sich erneut das D&G-Shirt vor die Brust und hüpfte vor Freude wie eine Dreijährige auf und ab. „Sehe ich damit nicht aus wie Milly? Sag! Sieht doch aus wie Milly auf ihrem Instagram-Account!“

      Sie legte das Shirt spontan auf der Kleiderstange ab und zog sich ihr T-Shirt aus. Noch bevor ihre Freundin etwas sagen konnte, warf sie ihr das getragene Kleidungsstück zu und streifte sich das teure Shirt über.

      Gottseidank trägt sie wenigstens einen BH, dachte Janine. Sonst hätte es sicher keine Minute gedauert, bis jemand kam und sie vor die Tür setzte. „Du hättest damit schon in die Umkleide gehen können“, tadelte sie halbherzig ihre Freundin.

      „Spießerin!“

      „Na, wie steht es mir? Sag jetzt bloß nichts Falsches, Janine.“ Sie blitzte ihre beste Freundin an. Natürlich stand ihr das Shirt hervorragend. So schlank und trotzdem weiblich ihre Figur mit fünfzehn schon war. Wo sie selbst doch hier und da etwas an ihrem Körper auszusetzen hatte. „Na?“

      „Siehst toll aus, wirklich …“, sagte sie, doch den Rest des Satzes verschluckte sie, denn hinter Lara stand plötzlich ein Mann mit einer Lederjacke. „Vorsicht!“, raunte sie Lara noch zu. Die fuhr herum und erstarrte.

      „Ihr braucht keine Angst zu haben“, sagte der Mann mit der Lederjacke und setzte ein gewinnendes Lächeln auf, „Ich bin nicht vom Haus.“ Er nahm die Sonnenbrille ab und seine hellblauen Augen verfingen sich in Laras Antlitz.

      „Hast du eben Milly Simmonds gemeint?“, fragte er mit einer sonoren Stimme, die zu einem Mann passte, der selbstbewusst durchs Leben schritt.

      „Was … wann?“, stotterte Lara mit offenem Mund. Sie erhielt ein mildes Lächeln seinerseits.

      „Du fragtest sie: Sehe ich damit nicht aus wie Milly? Und ich denke, die korrekte Antwort lautet: Ja, du siehst aus wie Milly Simmonds. Ich muss es wissen, ich habe sie noch vor drei Wochen in England fotografiert.“

      Der Mann mit der Lederjacke und den stahlblauen Augen wartete auf eine Reaktion.

      Lara Siemons riss die Augen weit auf. „Sie haben was? Sie kennen Milly? Wie ist sie? Ist ihr Hund wirklich so niedlich?“, bombardierte Lara ihn mit Fragen.

      Er strich sich betont langsam durch das Haar, suchte den Blick von Janine und saugte sich daran fest. Dann wechselte er wieder zu Lara.

      „Wenn ihr beiden Zeit habt, dann lade ich euch auf einen Kaffee ein … ihr trinkt doch Kaffee, oder?“, sagte er nonchalant.

      „Sicher haben wir Zeit, haben wir doch!“, sagte Lara und warf ihrer Freundin einen bittenden Blick zu.

      „Ich muss um halb drei den Bus bekommen, sonst warte ich eine halbe Stunde auf den nächsten“, antwortete sie.

      „Okay, dann gehen wir ins Café Pendel und von dort aus kannst du den Bus sehen, wenn er kommt. Du musst doch von dort aus losfahren?“, wollte der Mann wissen.

      Janine nickte, aber sie sah nicht wirklich glücklich aus bei dem Gedanken. Eine Befürchtung, die mehr als das war, kam in ihr auf. Woher wusste der Mann, von wo ihr Bus abfuhr?

      „Los komm, wir bezahlen das Shirt und dann gehen wir sofort los“, rief Lara aufgeregt, und dann an den Mann gewandt: „Bitte warten Sie auf uns, nicht weg gehen!“

      Er hob wie abwehrend beide Hände, ein Lächeln flog über sein Gesicht. „Natürlich warte ich“, sagte er mit Nachdruck. Dann schob er sich die Sonnenbrille wieder vor die Augen, damit er unbeobachtet den beiden Mädchen hinterherschauen konnte. Sein Blick heftete sich auf den Popo von Lara Siemons und ganz automatisch fuhr seine Zunge über die Lippen.

      *

       Bonn, Präsidium

      Staatsanwalt Pavel Retzar lächelte maliziös. „Dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Oliver Hell aus seinem wohlverdienten Urlaub zu holen“, sagte er und konnte ein fieses Grinsen nicht verbergen.

      „Wenn Sie das so sehen, dann überlasse ich Ihnen gerne

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