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Knobel, unmissverständlich ankündige. Man war ja nicht unempfindlich für die düsteren Geheimnisse der Heimsuchungen, die Gott auch für einen wie Toni bereithielt, sollte er nicht gehorchen. Also ergab sich der Totengräber ins Schicksal und leierte eifrig die Rosenkränze herunter.

      8

      Sorgfältig schiebt Daskind die Vorhaut des Penis nach hinten. Eine winzige rosarote Eichel wird sichtbar. Schiebt mehrmals, dass es den Buben schmerzt. Ist der Wille zur Tat ein Fest, jubelt Daskind, das sich, den Buben mit sich zerrend, am frühen Morgen ins Beinhaus geschlichen, den schweren Riegel vorgeschoben hat, damit keiner es störe. Musste die wild wedelnden Bubenhände außer Gefecht setzen, sie mit einer mitgebrachten Packschnur an den eisernen Ring fesseln. Hat dann den Buben, der anfänglich an ein freudiges Abenteuer glaubte, mit einem soliden Stück Holz geknebelt, das Holz in den ­Bubenmund gestopft und Kari Kenels Taschentuch um den Bubenkopf gebunden. Am Hinterkopf fest verknotet. Die Beine des Buben zucken hilflos unterm Gewicht des Kindes, das sich rittlings auf sein Opfer gesetzt hat. Daskind jetzt kaltblütig. Hat die Bubenhose bis zu den Knien heruntergezerrt, mit den Hosenträgern dem Buben die Beine gefesselt. Hilflos regt sich das kleine Ding, gleitet, sich langsam aufbäumend, der Kerbe zwischen Rumpf und Schenkel entlang über den Bauch, markiert wandernd ein Halbrund in die Luft. Schnellt dann zuckend in die Höhe, ragt auf, ein kleiner Pfahl am Leib des Buben, der sich nicht wehrt. Nicht wehren kann. Gefesselt Gewalt erleiden muss. Mit aufgerissenen Augen Daskind anstarrt.

      Ist zu allem entschlossen, Daskind. Hat eine Rechnung zu begleichen. Vorige Woche sind sie zu dritt übers Kind hergefallen, drüben, in Schättis Stall. Unter der Anleitung des Pensionisten. Haben gewissenhaft zugehört, die drei Buben, haben Daskind mit Knebeln in den Bubenfäusten geschändet, wie er es gemacht haben wollte, Derpensionist. Um euch an die Mannesfreuden zu gewöhnen. Um zu lernen, wie man sich holt, was einem zusteht. Schoss ihnen das Blut in die wachsenden Schwänze. Auch dem Ambachbuben. Ihr kleinen Dreckfinken, drohte lachend Derpensionist, dass ihr mir eure ungewaschenen Mäuler haltet. Sonst fault euch euer Allerliebstes ab, ihr Stinkwichser. Die Buben, in die Welt der Erwachsenen geschleudert, klopften sich stolz auf die schmächtigen Schenkel. Daskind betrachtet angewidert die Hand, die vorher die Vorhaut über die rosige Peniskuppe nach hinten stülpte, sie einen Augenblick festhielt, sie wieder vorrobben ließ. Allein mit sich und dem Angstgeruch des Opfers. Im vorher müde zerschrieenen Zorn ist etwas Unerbittliches. Etwas Kaltes. Ein eisiger Wind.

      Daskind holt aus, lässt die kurze, aus Spülketten gebastelte Peitsche durch die Luft sausen. Hält über dem Buben inne. Entblößt die Zähne, lacht. Holt wieder aus, testet die Kraft im Arm, zieht ihn zurück, holt umso grausamer wieder aus. Aber nur zum vermeintlichen Schlag. Probeweise, aus Spaß an der Angst des Buben. Schlägt endlich zu.

      Auf dem weißen Bubenbauch entsteht ein rotes Muster. Die ovalen Kettenglieder reißen die Haut auf, lecken am Fleisch, streichen mit einem schleifenden Geräusch fast zärtlich über die Schenkel, über den winzigen, schlaffen Pfahl. Der Bub bettelt mit schlierigen Augen, mit Tieraugen, mit Wildaugen, Beuteaugen, Opferaugen um Gnade. Handaufsherzaugen, wenn du von mir lässt, geb ich dir drei Wünsche frei für dein Leben. Aber Jägerkind lässt nicht von ihm. Hat sich seit Langem vom Wünschen getrennt. Schlägt weiter zu. Mit dieser kalten Wut. Sucht mit der Wünschelrute nach dem Lebenssaft des Buben. Will Labung. Endlich. Und mehr.

      Verkotet der Bub den Quaderstein über dem Totenkerker. Fließt über die Steine, der Kot, versickert in den Ritzen, grad so wie die Angst in den Ritzen der Ohnmacht. Aber das kann ein Jägerkind nicht aufhalten, nicht die Hand mit der Kettenpeitsche. Hält des Kindes Peitsche schwarze Hochzeit mit dem roten, aufgerissenen Fleisch des ­Buben. Das Jägergesicht starr jetzt, und die Augen durchsichtig. Das verlotterte Gemüt im Ansturm auf den Haufen Not in seinen Fängen. Der bietet Daskind die Stirn, der Not, der will es die Stirn bieten, bis der Arm erlahmt, mit dem letzten Schlag.

      Lässt den Haufen Not zurück, die um Gnade winselnden Augen. Zurück auf dem Kalksteinquader, der den Eintritt zur Schädelstätte versperrt. DasduduweißtschondasnächsteMalteilichdenTodaus im Blick. Hohnworte im Schritt, beim Hinausschleichen Hohnworte, die über den Buben herfallen, ihm die Ohren zerreißen, bis er nicht mehr unterscheiden kann zwischen Schrei und Schrei, dem stummen Schrei der Jägerin und dem eigenen, durch Tuch und Knebel gehemmten.

      Versteckt Daskind die Peitsche unter dem Kleid, schleicht sich durchs Dorf, das die Jägerin wie immer aussperrt, es als ein Nichts dem Wertlosen zuteilt. Wertlos wie alle andern Kinder, die Daskind auch ist. Kind Ohnenamen. Wie verwilderte Katzen, rachitische Lämmer, streunende Hunde. Schleicht sich Daskind in die Kammer un­term Dach, von einer plötzlichen Verzweiflung erfasst, vergräbt Daskind den Kopf im Kissen, reibt sich am Bettzeug die blutigen Hände sauber.

      Den Buben findet anderntags Jakob Gingg. Seine Wangen flecken fiebrig, als er den Haufen Not im Beinhaus entdeckt. Rasch entledigt er sich des Blumenstraußes, nimmt sich des gemarterten Buben an, streicht ihm mit vorsichtigen Händen tröstend übers Gesicht. Das hat er noch nie gesehen, der Jakob Gingg: ein Bub, an Händen und Füßen gefesselt, mit einem rohen Knebel im Mund und dem Taschentuch um den Kopf, blutverkrustet. Eilig löst der Sigrist die Fesseln, zieht dem Buben die Hose übers Gesäß. Trotz des Bluts. Muss den Ambach benachrichtigen. Der jetzt, bereits in der vierten Gene­ration, den Hof der Mächlerin bewirtschaftet. Dem der Bub gehört. Der einen Tag und eine Nacht nach dem Buben gesucht hat. Der Bub liegt jetzt dem Sigristen im Arm. Einen Irrsinn in den Augen, der nie mehr verschwinden wird.

      Bedächtig faltete der Sigrist das rot-weiß karierte Taschentuch zusammen und steckte es in die Jackentasche seines schwarzen Anzugs. Er wusste, aus welchem Haushalt der währschafte Stoff stammte, der den Buben am Schreien gehindert hatte.

      Der Bub wird immer seltsamer, sagten später die Leute im Dorf, und dass man die Bestie finden werde, wenn nicht heute, dann morgen. Der entgehe der Gerechtigkeit nicht, der Unhold, der den jüngsten Ambachbuben so übel zugerichtet habe. Den werde man lehren, unschuldige Buben zugrunde zu richten. Der Sigrist wusste Bescheid. Doch er schwieg trotz der Gewissensqualen, die ihn zerfraßen. Die wollte er dem Kari später antun, diese Schmach, in aller Leute Mund zu sein. Dem Kari und der Frieda, den beiden Eisheiligen. Sind noch nicht genug geschlagen, mit dem stummen Kind. Haben ihn verdient, den Wechselbalg, den kein Gebet aus dem Weg schafft, keine fromme Inbrunst aus der Dorfgemeinschaft entfernt.

      Fühlt sich zu Höherem berufen, Jakob Gingg. Weiß als Einziger um die Herkunft des Kindes. Will sich als rächender Arm Gottes, wenn die Zeit reif ist, des Kindes annehmen, mit dem das Dorf seine Not hat. Ein für alle Mal Ordnung schaffen. Fühlt einen kleinen Kitzel beim Gedanken an Kari Kenels Taschentuch. Dem wird er’s heimzahlen, dem Kari, mit dem Taschentuch winken, wenn die Zeit reif ist. Kann ein niederträchtiges Lächeln nicht unterdrücken. Hat alles Handeln seine Zeit. Hat den Irrsinn des Buben zum Verbündeten. Ambachs Jüngster, der seit jenem Tag nur noch lallen kann. Der immer seltsamer wird. Den die Angst im Würgegriff hält.

      Dem Ambach traute bald keiner mehr über den Weg. Ein Zorn schien an ihm zu fressen, ein wildes Tier, das jeden anfallen konnte. Ambach verdächtigte alle im Dorf, sich an seinem Sohn vergangen zu haben. Sosehr ihn die Nachbarn zu beschwichtigen suchten, Ambachs Blick in ihre Gesichter, sein ohnmächtiger Zorn errichteten eine Mauer um den Unglücklichen, den man, den irren Sohn an der Hand, oft einsam über die Felder gehen sah. Das Mitleid wich bald unfreund­licheren Betrachtungen. Da die Suche nach dem Kinderschänder erfolglos blieb, musste eine böse Macht mit im Spiel sein. Mit langen Blicken betrachtete das Dorf den abgelegenen Hof, wo die Mächlerin noch immer ihr Unwesen zu treiben schien. Die musste es gewesen sein. Weshalb sonst wurden weder Dörfler noch Polizisten fündig. Der Hof hatte seinen schwarzen Geist zurück, fortan hatte man auf der Hut zu sein, hatte man genau hinzuschauen, wie’s dort oben zuging.

      Im Herbst jenes Jahres wurde der Ambach das Vieh nicht los. Finster strichen die Bauern um seine kraftstrotzenden Kühe. Misstrauisch beäugten sie den prächtigen, schwarz glänzenden Stier. Solch gut genährtes, ungewöhnlich schönes Vieh konnte ebenso gut das Werk der Mächlerin sein wie der Frevel am Buben. Es war ratsam, sich dieses Vieh nicht in den Stall zu holen, wollte man die Mächlerin nicht noch mehr erzürnen. Das könne man sich nicht leisten, einen verfluchten Stall, man werde sich das Unglück nicht übermütig ins Haus holen,

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