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Lebensjahren wieder den Löffel abgeben zu müssen ist wahrlich keine rosige Zukunftsaussicht. Wobei das ja alles relativ ist, wie wir ja in der Schule gelernt haben. Zwei Stunden sind bekanntlich nicht zwei Stunden. Zwei Stunden und zwei Stunden können etwas ganz Unterschiedliches sein. Zwei Stunden Wurzelbehandlung kommen einem subjektiv länger vor als zwei Stunden orgiastischer Sex mit seinem Traumpartner. Geben Sie mir recht? Oder müssen Sie jetzt erst einmal überlegen? Fehlen Ihnen da vielleicht die Erfahrungswerte? Na ja, es kann ja sein, dass Sie noch nie in Ihrem »Leben« eine Wurzelbehandlung erleben durften. Aber vielleicht ist dieses Beispiel auch etwas an den Haaren herbeigezogen. Eine Wurzelbehandlung dauert in der Regel keine zwei Stunden, es sei denn, der Zahnarzt führt diese zum ersten Mal in seiner Karriere durch oder er ist schwer betrunken. Und zwei Stunden orgiastischer Sex reduziert sich in der Praxis oft darauf, fünf Minuten gegen das Einschlafen zu kämpfen und dabei fernzusehen. Was nicht heißt, dass es zwei Stunden orgiastischen Sex nicht gibt. Den gibt es sehr wohl – im Internet, zum zuschauen.

      Wir gehen also davon aus, dass der Neandertaler ein kurzes aber dafür ein furchtbar beschwerliches Leben geführt haben muss. Was aber möglicherweise so nicht stimmt. So hat der Neandertaler nur zwei Stunden am Tag für seinen Lebensunterhalt aufringen müssen. Fürs Jagen und Sammeln. Der Rest vom Tag war Freizeit. Die Neandertaler haben den Rest des Tages gegessen, was sie gejagt oder gesammelt haben, haben unter einem Baum geruht, sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, sind schwimmen gegangen, haben die Wolken beobachtet, den Vögeln gelauscht, mit dem Nachwuchs gespielt, stundenlang ins Lagerfeuer gestarrt, sich mit legalen Drogen, wie Fliegenpilzsuppen, weggeschossen, gefickt wie die Karnickel und regelmäßig den Sexualpartner getauscht. Dabei haben sie aber niemals nach dem Sinn gefragt oder ihr Tun in Frage gestellt. Jetzt einmal ehrlich, klingt das nach einem beschwerlichen Leben? Oder kommt Ihnen das gar von irgendwo bekannt vor? Klingt das nicht ein wenig nach Ihrem letzten Cluburlaub? 25 Jahre »Magic Life, All inclusive« sollten eigentlich reichen. Das kann ein durchaus »gutes Leben« sein und dabei nicht wirklich zu kurz.

      Für mich hört sich das auf jeden Fall besser an, als 13 Jahre Angst in der Schule, 45 Jahre beinhartes Berufsleben und dann 20 Jahre von einem Arzt zum anderen laufen zu müssen und zu hoffen, dass das alles bald vorbei ist. Das ist natürlich auch ein Lebenskonzept, meines wäre es nicht. Zwei Stunden täglich für seinen Lebensunterhalt aufringen zu müssen: Wer schafft denn das heute noch? Ich. Sonst fällt mir auf die schnelle keiner ein. Fällt Ihnen jemand ein, Herr Prehsler?

      Konkret nicht, Herr Düringer. Und das mit nur zwei Stunden am Tag hackln glaub ich Ihnen auch nicht so ganz. Aber ich denke, dass eine Gesellschaft mit insgesamt weniger Arbeitsstunden eine gute und auch machbare wäre.

      Was meinst du, lieber Leser, liebe Leserin? Nicht gleich von einem Tag auf den anderen, aber was wäre, wenn wir – also unsere Gesellschaft halt – in 50 Jahren täglich so über den Daumen gepeilt:

      • sieben Stunden schlafen

      • zwei Stunden gut und gesund kochen und in Gesellschaft essen

      • zwei Stunden Bewegung und Köperpflege machen

      • vier Stunden arbeiten, meinetwegen täglich

      • eine Stunde irgendwohin fahren, zum Beispiel fließend in und von der Arbeit

      • zwei Stunden das »Notwendige« machen, also Einkaufen, Zsammräumen, Sex haben und Ähnliches -

      • zwei Stunden nix machen …

      • … dann bleiben doch pro Tag noch immer

      • drei Stunden für Inspiration, welcher Art auch immer, und mit oder ohne Kinder.

      Wie klingt das in deinem Ohr?

      In dieser wunderbaren Welt hätten wir dann die 28-Stunden-Arbeitswoche … und übrigens den 23-Stunden-Tag, ich hab’ eine Stunde im Talon belassen. Die Kinder könnten also sogar eine Stunde länger schlafen oder sich aufs Häusl setzen – und vielleicht lesen oder aber auch eine Stunde länger arbeiten, wenn ihnen sonst nix einfällt und fad wird. Dann hätten wir die 35-Stunden-Arbeitswoche.

      Da ist sicher irgendwo ein Denkfehler von mir drinnen, ich hab’ ihn nur nicht gefunden.

      Die Zeit haben die meisten jetzt schon. Wir vergeuden sie nur in einem unfassbaren Ausmaß mit sinnlosen Gesprächen und Handlungen.

      Glaubst du, ginge es unseren Kindern besser mit so einem Tag als dem üblichen heutigen?

      Glaubst du, hätten wir dann eine bessere oder schlechtere Wirtschaft?

      Angesichts der Tatsache, dass die gesamte Gesellschaft auf einem viel höheren Niveau daherkommt?

      Ich bin davon überzeugt, dass im Schnitt 20 Stunden ausreichend sein müssten, um sich ein solches Leben leisten zu können.

      Ich glaub’ fest daran, dass 20 Stunden ausreichen können, damit Menschen ihr Recht auf einen gesunden Körper, einen gesunden Geist und eine gesunde Seele einlösen können.

      Nur sollten wir unter anderem jetzt schon damit anfangen aufzuhören (anfangen aufzuhören … so etwas gefällt mir), auf die 38,5 Stunden noch ein paar Stunden unbezahlt oder pauschaliert draufzusetzen. Vielleicht geht es ja der Wirtschaft gut, aber uns in Summe als Gesellschaft sicher nicht. Und ich halte das übrigens für Arbeitszeitdiebstahl. Nein, nicht – oder nicht nur – vom Unternehmen an dir, sondern von dir an den anderen Arbeitsuchenden.

      Würdest du deinen Kindern oder halt den nächsten Generationen so ein Leben, so eine wunderbare Zeit gönnen? Oder bist du es ihnen neidig?

      Du gönnst es ihnen schon, aber du glaubst nicht daran?

      Nicht, weil die Wirtschaft das nicht zuließe, sondern weil die Menschen selbst mit so viel Zeit nichts anzufangen wüssten? Wahrscheinlich hast du recht.

      Aber ich bin stur: Wenn ich aus einem Zwölfjährigen einen Komasäufer machen kann, dann kann ich aus dem gleichen Zwölfjährigen auch einen interessierten Menschen machen, der offen fürs Leben ist!

      Wenn ich Menschen zu Konsummaschinen machen kann, dann kann ich sie auch zu Denkindividuen konstruieren. Es ist immer nur die Frage, wer was für wen will.

      Ein guter Job, Haus, Auto, keine Zeit, viel Stress, teure Status-Symbole, nervige Kinder, All inclusive-Urlaub …

      … oder vielleicht doch ein gutes Leben? In einer wunderbaren Welt?

      Danke, Herr Prehsler, das hört sich gut an. Es wäre wohl wieder einmal an der Zeit für ein gesellschaftliches Update. Nicht zurück ins Neandertal oder wieder zurück auf die Bäume. Vergessen Sie auch diesen »Früher war alles besser«-Schmarrn, die Mär vom edlen Wilden, darum geht es überhaupt nicht. Was wissen wir schon über den Neandertaler? Letztlich nur, dass das »Leben« des modernen Menschen auch nur eine Updateversion eines Neandertalerlebens ist. Wobei ein Update ja eigentlich eine verbesserte Version sein sollte, außer man ist Windows-User. Die Hardware, das, was das Leben kennzeichnet, ist aber die gleiche geblieben.

      – Geburt

      – Heranwachsen

      – Nahrungsaufnahme

      – Fortpflanzung

      – Krankheit und schließlich der

      – Tod

      Mit diesen sechs elementaren Themen musste sich auch der Neandertaler auseinandersetzen.

      Es sind ewig gültige Lebensthemen und mit diesen werden wir uns im Folgenden im Detail beschäftigen. Womit wollen wir anfangen? Ich würde vorschlagen: der Chronologie wegen mit der Geburt, dem Anfang sozusagen. Wobei die Geburt bei genauerer Betrachtung ja nicht der Anfang ist, sondern lediglich ein Ortswechsel. Wenn Sie morgens außer Haus gehen, bedeutet dies nicht, dass jetzt der Tag anfängt.

      Kapitel 2 – GEBURT

      Sie

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