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geschädigt werden, dann wird man nie wieder in seinem Leben Alkohol zu sich nehmen. Erfahrung ist eben gleich Erkenntnis.

      So verhielte es sich wohl, wenn wir noch Neandertaler wären oder Fadenwürmer. Nachdem wir aber die »weisen Menschen« sind, schaltet sich bei uns der Verstand ein und sagt zu uns:

      »Des muaß ge!!!!«

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      Nein, das geht nie. Gift ohne Entgiftung bleibt nichts als ein frommer Wunsch. Obwohl es durchaus Menschen gibt, und davon gar nicht so wenig, die saufen, und es geht ihnen gut damit. Dafür geht es diesen Menschen nicht so gut, wenn sie nicht saufen. Manchmal scheint es mir, als wäre das sogar eine stille Mehrheit, denn der Drogenhandel an Orten mit aber auch ohne Wirtshauskultur blüht nach wie vor. Raucher raus, Säufer rein! Zum Wohle und Schutz der Allgemeinheit. Jetzt unter uns, wie ist das bei Ihnen so? Also ich trinke Alkohol, regelmäßig, wenn ich so nachdenke, fast täglich, aber halte mich dabei an Paracelsus: »Die Dosis macht das Gift.« Ja, ja – Wasser predigen, aber G’spritzte trinken!

      Weil dieses Erfahrungs-Erkenntnisprinzip bei uns nicht mehr so gut funktioniert, hat der moderne Mensch ein Instrument erfunden, das dem Kind die eigenen, oft mühsamen Erfahrungen erspart und ihm das Wissen einer ganzen Zivilisation offenbart oder besser gesagt aufzwingt: die Erziehung.

      Sie ist eine von der Gesellschaft anerkannte, staatlich geförderte Foltermethode, mit der man das eigene Unglück oft nicht bewusst und in böser Absicht, aber doch höchst erfolgreich an die Kinder weitergibt, oftmals eine Falschprogrammierung und damit der erste Schritt, um aus einem glücklichen, göttlichen Leben einen verletzten, verbitterten und zornigen »alten Trottel« zu machen. So früh wie möglich mischt sich in unsere Erziehung auch die Bildung. Staatliche und private Institutionen machen sich bereits im zarten Kindesalter an uns heran, um uns zu bilden, uns in ihrem Sinn zu formen und uns mit Wissen zu überhäufen. Das ist für uns und unsere Kinder Normalität. Die Mehrheit spielt da mit, stimmts, Herr Prehsler?

      Nicht nur, dass man mitspielt, weil man muss, man heißt das auch noch gut. Wir machen auf heile Familie und grinsen uns durch die Nachbarschaft. Alles ist so adrett – so adrett ist alles. Jaja. Nur Schande dürfen uns die Kinder nicht machen. Ja, und dann haben wir auch dieses Phänomen, das seit 17 Generationen in unserer Familie nur Deppen – bei den Kaisern und Königen sind das übrigens die Gütigen – vorgekommen sind und jetzt haben wir wieder alle sooooo gehofft und jetzt ist das Kind wieder genauso blöd wie wir selbst. Familientragödie! Falsche Gene weitergegeben. Pech gehabt.

      Als eines meiner Kinder in die erste Klasse Volksschule ging, war ich einmal bei einem Elternabend (damals einziger Vater unter lauter Müttern). Da sitzt also so eine Misses Sauberfrau und glorreicher Mittelstand und – weil sie das offensichtlich für ihren Selbstwert gebraucht hat – gibt Folgendes zum Besten: »Also wenn meine Tochter von der Schule heimkommt, dann setzen wir uns zusammen in unser Stiegenhaus – weil wir haben ein großes Haus – und dann prüfe ich sie, und bei jeder richtigen Antwort setzen wir uns eine Treppe höher und bei jeder falschen Antwort eine weiter runter!«

      Wie bitte?

      »Ja, manchmal dauert das dann schon so an die drei Stunden.« Da gab es dann noch zwei, drei Muttis, die das für eine gaaaaaaaaaaaanz tolle Idee hielten und »Ich werde das auch ausprobieren!« ausriefen.

      Und mir war ganz schlecht. Und gesagt habe ich auch etwas. Das tut aber hier nichts zur Sache.

      Ein sechs-, siebenjähriges Kind verbringt die Zeit seines Erblühens mit seiner gestörten, neurotisierten Mutter im Stiegenhaus. Und draußen warten die Freunde, die Wiese, der Wald, ein Ball, der Schnee, das Vogelhäuschen – und drinnen wartet dieses wunderschöne Buntpapier und die Schere und die Puppe, und der Bruder möchte Memory spielen und das kuschelige Sofa blinzelt rüber und die Katze schnurrt auch schon dort.

      Das war damals.

      Heute erzählt mir ein guter Freund, dass er jedes Wochenende mit seinem Sohn lernt. Der Sohn geht in die erste Klasse einer doch besseren, privaten Mittelschule mit Öffentlichkeitsrecht. Mein Freund findet das für die Vater-Sohn-Beziehung total befruchtend und ist darüber hinaus stolz, dass sein Kind das einzige Kind in der Klasse ist, das keine Nachhilfe braucht. Ja, der Leistungsdruck ist schon enorm. Und wird immer mehr.

      Wir schreiben da über Elfjährige.

      Wie werden die sein, wenn die dann die 20 erreicht haben. Oder mit 30 und 40? Na klar! Gut werden sie sein, Topverdiener, Opinionleader, immer auf Vollgas …

      Lieber Leser, liebe Leserin, was sagst du dazu?

      Ahso, ja, der Wettbewerb. Man kann ja nicht anders, wenn die anderen auch nicht können. Ich war gerade in Windsor, die Queen besuchen. Windsor liegt an der Themse, und auf der anderen Seite der Themse liegt Eton. Eine der großen Eliteschmieden für 13-bis 18-Jährige. Schulgeld pro Jahr circa 50.000 Euro, da ist Musik und Sport aber noch nicht dabei. Nach Eton geht es dann nach Oxford, Cambridge oder Harvard. Wir haben viele Araber, Inder und andere Asiaten gesehen. Interessanterweise haben die alle sehr gelöst gewirkt. Kein Wunder, die haben den Wettbewerb ja schon gewonnen. Da wird auch die beste Nachhilfe nicht helfen.

      Ob die Eliteschüler letztendlich wirklich gewonnen haben, Herr Prehsler?

      Den Prolog und die erste Etappe sicher.

      Aber so ein Rennen dauert ja länger, eine kleine Unachtsamkeit und das Rennen ist gelaufen. Danke Herr Prehsler, und wenn Sie das nächste Mal in Windsor sind, dann lassen Sie mir die Queen herzlich grüßen.

      Das mach ich gerne.

      Wer hat nun den heranwachsenden Neandertaler erzogen und gebildet? Möglicherweise niemand, zumindest einmal kein Erziehungsberechtigter oder Lehrer. Aber wenn der Neandertaler nicht gebildet wurde, woher hatte er dann sein Wissen? Er hatte schlichtweg kein Wissen, Wissen wäre für ihn eine Belastung gewesen. Auch wenn Sie mich für weltfremd halten: Die Neandertaler haben nichts gewusst! Aber wie kann man ohne Wissen überleben? Mit Hilfe von Weisheit. Wissen und Weisheit werden oft und gerne verwechselt. Natürlich ist es toll, wenn man viel weiß, das schützt aber nicht vor Dummheit. Es gibt bekanntlich sehr gebildete Menschen, die sprechen sechs Sprachen fließend, sind aber in sechs Sprachen strohdumm. Was nicht heißt, dass jeder, der mehrere Sprachen spricht, dumm ist. Klug und weise zu handeln und sich dabei in vielen Sprachen ausdrücken zu können, das muss schon großartig sein.

      Woher erhielt aber der heranwachsende Neandertaler nun seine Weisheit? Ganz einfach: Er lebte das nach, was ihm die Erwachsenen vorlebten. Das ist ein sehr einfaches Prinzip und funktioniert wunderbar. Wir haben andere Prinzipien. Wir sagen unseren Kindern etwas vor, und das ist bekanntlich oft nicht das, was wir ihnen vorleben. Dazu ein Ausschnitt aus einem Kurzfilm.

      Drehbuch für einen kurzen Kurzfilm

      Personen:

      Der VATER

      Der SOHN

      Ort:

      Elterliches Auto

      Aufblende

      Der VATER sitzt am Steuer, daneben am Beifahrersitz sein zwölfähriger sohn. Der Vater betätigt den Zigarettenanzünder, versucht mit einer Hand eine Zigarette aus der verschlossenen Zigarettenschachtel zu nehmen. Nach einigen misslungenen Versuchen drückt er dem Sohn die Zigarettenschachtel in die Hand.

      VATER

      »Geh, ich hab’ keine Hand frei. Zünd mir du g’schwind einen Tschick an.«

      Der Sohn holt eine Zigarette aus dem Päckchen, steckt sie sich in den Mund, greift nach dem glühenden Zigarettenanzünder und zündet

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