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ist denn da drüben unter dem Lebensbaum los? Das ist interessant! Die Mutter hockt und presst nach unten, beschwört dabei ihre Ahnen und wünscht sich vom Universum, dass sich der unfähige Vater endlich schleicht … und der Vater zieht sich jetzt die Plazenta rein! (Rechtlich gehört übrigens die Plazenta den Eltern. Ich hab’ mich im Uterus schon ein bisschen eingelesen.)

      Der Friede sei mit euch und mit mir die Liebe! Was habt ihr, Bruder Sonne und Schwester Mond, denn so anzubieten für ein neues Erdending?

      Werfen wir einmal einen Blick in diese Karte, aus recyclebarem Umweltpapier von garantiert bei Neumond zu Tode gesungenen Bäumen außerhalb des Amazonas-Urwaldes, produziert von artge recht gehaltenen Orang Utans, geringfügig beschäftigt im Ruhestand.

Vorspeise Dem Morgentau als Gabe dargebracht werdenSchafwollstrampler mit Bio-Obst-FleckenAntiautoritäre Erziehung30 selbst getöpferte Phalli als Lebenssymbole
Hauptspeise Patchwork Family auf dem Vierkanter Bausatz»Mein erstes eigenes Rad aus Bio-Bambus«Mit den Wölfen tanzen oder mit den Schafen blökenAlternativschuleErste Liebe auf dem Komposthaufen
Dessert FahrradboteSelbsterfahrungsgruppe in LemnosArmutsgrenze von unten
Digestiv Hausbesetzung

      Nicht unspannend und wirklich ganz anders … aber doch nicht ganz so meins.

      Ist das der richtige Weg, wie man ein perfektes Kind hochzieht? Hochziehen tut so oder so sicher weh. Aber solange es man nicht an den Ohren macht … das muss man eben positiv sehen.

      Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Prehsler. Sehen wir es positiv .

      Nachdem wir den Ortswechsel der Geburt zwar sicher nicht ohne Schaden aber doch überlebt haben und bevor wir an den Ohren hochgezogen werden, beginnt unser göttliches Dasein. An das wir uns aber leider nicht erinnern können. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit, wann und wo tauchen erste Bilder auf? Meine Erinnerungen beginnen sehr verschwommen, im Alter von drei oder vier Jahren, vielleicht auch etwas früher, ich kann mich leider nicht erinnern.

      Die Zeit davor ist aber ersatzlos gestrichen, sie ist weg und das, obwohl ich da war. Es gibt sehr peinliche Beweisfotos aus dieser Zeit. Offenbar war dies die Zeit, in der unser Gehirn noch anders funktionierte. Es lernte ständig, arbeitete pausenlos, ohne auch nur einen Moment über »das Leben« nachzudenken, ohne auf eine bessere Zukunft zu hoffen, ohne sich über die Vergangenheit zu ärgern und ohne Angst um sein Hab und Gut zu haben. Wir beide lebten einfach nur. Aber bald widerfährt dem kleinen göttlichen Wesen etwas Dramatisches und für die weitere Lebensgeschichte Entscheidendes. Eines Tages beugt sich jemand über den Kinderwagen:

      »Nau wem ham wir denn da? Wer is denn des? Wer schaut denn da? Is des da Kevin, ha? Der Kevin is des, gel? Is er eh brav, der Kevin?«

      Leider doch kein Gott geworden, sondern schlicht und einfach nur Kevin. Was für eine niederschmetternde Erkenntnis.

      Mit seinem Namen, in diesem Fall Kevin, bekommt das kleine Leben sein ICH, damit auch ein MICH und vor allen Dingen ein MEIN. Dieses Mein wird nun in weiterer Folge viel Leid in das eigene aber auch in das »Leben« der anderen bringen. Von nun an ist das Spielzeugauto nicht nur ein Spielzeugauto. Von nun an ist es mein Spielzeugauto. Es ist meine Schokolade. Es ist immer noch meine Entscheidung, jedenfalls ist das meine Meinung. Übrigens ist die steile Braut dort drüben meine Frau, der Betrunkene an der Bar ist leider mein Mann. Das gilt übrigens auch dann, wenn man nicht Kevin heißt. Wie heißen eigentlich Sie? Nehmen Sie einen Stift zur Hand und tragen Sie Ihren Namen an der markierten Stelle ein.

      Dieses Buch gehört:

      Damit auch alle wissen, dass das IHR Buch ist.

      Kapitel 3 – Heranwachsen

      Erfahrung = Erkenntnis

      Mit dem Ende unseres göttlichen Daseins beginnt nun der sogenannte Ernst des Lebens und damit ein langes Warten. Warten darauf, dass es in der Zukunft einmal anders, vielleicht sogar besser wird. Die Zukunft ist die Vorstellung davon, wie sich meine Lebensgeschichte gestalten soll, sie ist ein leerer Rucksack, den das ICH, gleichzeitig mit seinem Namen, für seine Reise umgeschnallt bekommt.

      Es ist jener Rucksack, den ICH nun nach und nach mit MEINER Lebensgeschichte befüllen werde, um ihn dann in einer hoffentlich fernen Zukunft wieder gemeinsam mit dem Löffel abzugeben. Das Erste, was für den Rucksack gesammelt werden muss, sind Erfahrungen, denn jedes lebende System, egal ob Einzeller oder Mensch (wobei der Mensch möglicherweise selbst nichts anderes als eine Ansammlung von lustigen Einzellern ist – dazu aber mehr im dritten Buch), kann sich nur durch äußere Erfahrung weiterentwickeln. Es sind äußere Erfahrungen, welche die Verschaltungen in unserem Gehirn bilden und damit wichtige Bausteine unserer Programmierung sind. Das war auch beim Neandertaler so. Das Erste, was er zu lernen hatte, war die direkte Verbindung von Sehen und Handeln:

      »Ui, Säbelzahntiger … laufen, schnell laufen und sofort laufen!« Am besten noch bevor einen der Säbelzahntiger gesehen hat und sein Gehirn ebenfalls eine Verbindung von Sehen und Handeln aufbaut: »Beute – jagen – fressen!« Der direkte Zusammenhang von Sehen und Handeln ist uns heute etwas verloren gegangen. Etwas zu sehen, es zu erkennen, bedeutet nicht zwangsweise zu handeln. Da heißt es zuerst einmal zu überlegen, wie man in solch einer Situation handeln sollte. Oder darüber nachzudenken, ob man jemanden kennt, der einem sagen könnte, ob es gut wäre, so zu handeln, wie man glaubt, dass man nun eigentlich handeln sollte. Oder lieber gar nicht handeln, denn wer nicht handelt, der kann wenigstens nichts falsch machen. Gar nicht so selten heißt etwas zu erkennen aber auch einfach nur, in weiterer Folge trotzdem oder justament falsch zu handeln.

      Aber aus Erfahrungen lernt man ja. Wenn, wie in diesem Fall, schon nicht selbst, dann wenigstens zukünftige Generationen. Und weil wir ständig dazulernen, wird die Welt, in der wir leben, auch immer besser und besser. Einmal Krieg, nie wieder Krieg. Einmal Finanzkrise, nie wieder Finanzkrise. Einmal Tschernobyl, nie wieder Fukushima. Jede Erfahrung bedeutet eine Erkenntnis, das kann man ja wunderbar an sich selbst beobachten. Haben Sie in Ihrer Jugend des Öfteren eine Torheit begangen? Haben Sie etwa fallweise mit Drogen experimentiert? Nein! Nicht einmal mit Alkohol?

      »Na ja, Alkohol ist ja keine Droge in dem Sinn. Alkohol ist lediglich ein Narkotikum, aber keine Droge und außerdem legal. Daher hat das auch nichts mit Drogenkonsum zu tun. Alkohol ist eher so eine Form von Geselligkeit, auch ein Teil unserer Kultur. Wirtshauskultur zum Beispiel. Alkohol ist sozial, denn er bringt uns manchmal näher und er ist gut gegen den Durst. Na ja, und ab und zu so ein leichtes »Damenspitzerl« hat noch niemandem wirklich geschadet.«

      ICH sehe das etwas anders und gestehe hiermit öffentlich: Ja, ich habe in meiner Jugend mit Drogen experimentiert. Meinen ersten Vollrausch, ich war damals 14 oder 15, habe ich mir mit Ribiselwein angetrunken. Wie es einem nach einem Liter »Adabei« geht, brauch’ ich Ihnen wohl nicht zu erzählen. Ich hatte mich regelrecht vernichtet und wollte am WC über der Muschel versterben, musste mir den ganzen Fruchtwein noch einmal in aller Ruhe und ohne dabei gestört zu werden, stundenlang durch den Kopf gehen lassen. Ich bekomme heute noch die Gänsehaut, eine leichte Übelkeit macht sich in mir breit, wenn ich an die Stunden am Gangklo denke. Fertig mit mir und der Welt, dieser scharfe Geruch von Säure, Frucht und Fäulnis, dieses Pochen im Kopf, schubweise Schweißausbrüche, über der Muschel kniend, weil die Beine nicht mehr tragen wollen, alle Schleusen des Körpers weit geöffnet, zum Himmel flehend um Erlösung … schrecklich! Kennen Sie das, sind ähnliche Erinnerungen auch Teil Ihres Erfahrungsschatzes und in Ihrem emotionalen Gedächtnis, also jeder Zelle Ihres Körpers abgespeichert? Ja? Das ist gut, denn wenn man ein einziges Mal diese Erfahrung gemacht hat, erkannt hat, was

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