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Gott«, flüsterte Dr. Kleinschmidt.

      »Ich habe das Klinikum unter Quarantäne gestellt. Eile ist geboten. Wir müssen dringend ein Team nach Tamiga entsenden, dem Dorf der Patienten.«

      »Ist bereits veranlasst, Kollege«, antwortete Dr. Kleinschmidt noch immer fassungslos.

      »Es gibt ein schwerwiegendes Problem, Dr. Kleinschmidt. Der Fahrer, der die Verstorbene in unser Hospital brachte, ein gewisser Tafari Ballo, hat die Klinik vor Stunden verlassen und ist auf dem Flug nach … New York.«

       Kapitel 26: Krieg der nächsten Generation

       Berlin, Rom, Madrid, Marseille, Moskau, New York, 2016

      Um 21:30 Uhr der Mitteleuropäischen Zeit detonierten in den Zentren der Städte Berlin, Rom, Madrid sowie Marseille und zeitgleich in der russischen Hauptstadt Moskau die Bomben. Sämtliche Explosionen erschütterten Hauptverkehrsadern, sodass Fahrzeuge, die im unmittelbaren Umkreis der Selbstmordattentäter standen oder fuhren, in die Luft geschleudert wurden und wuchtig zu Boden prallten. Einige der Wagen erschlugen diejenigen Passanten, die nicht von der direkten Detonation zerrissen wurden. Schreiende Menschen, blutüberströmt, lagen teils auf den mit Glassplittern sowie herausgerissenen Fassadensteinen übersäten Straßen und Gehwegen, teils liefen sie verwirrt umher, ohne ihr eigenes Gekreische noch das der anderen zu hören. Die Explosion verletzte bei etlichen das Trommelfell, was neben unerträglich hellem Pfeifen eine dumpfe Geräuschwahrnehmung verursachte.

      In mehrere Kinos, Cafés und Gaststätten der Großstädte drangen gleichzeitig mit Kalaschnikows und Granaten bewaffnete Personen ein und eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer – zielstrebig eine Vielzahl Unschuldiger in den Tod reißend. Das Letzte, was zahlreiche Todesopfer schreckensstarr erblickten, waren die eiskalten Augen der Terroristen, die unmaskiert ihre Waffen abfeuerten. Zigfach wurde nachgeladen. Tausende von Patronenhülsen klapperten metallisch zu Boden, bis jeder der Angreifer den Splint aus einer Granate zog und diese bis zur Detonation in der Hand behielt.

      In New York nebelte zur gleichen Zeit, exakt um 15:30 Uhr, eine Giftwolke Teile des Fulton Center ein, jener U-Bahn-Station, die neun Subway-Linien verband und dreizehn Jahre nach den Anschlägen des 11. Septembers als neuer Downtown-Manhattan-Verkehrsknotenpunkt eingeweiht worden war. Innerhalb weniger Minuten fielen dem Attentat mehr als 2.500 Fahrgäste zum Opfer.

      Die traurige Bilanz dieses kriegerischen Feldzuges: über 4.800 unschuldige Frauen, Männer und Kinder. Noch am selben Abend verkündete der Papst in einer weltweit ausgestrahlten Ansprache, mit feuchten Augen und sichtlich erschüttert, den seiner Meinung nach ausgebrochenen Dritten Weltkrieg. Dieses Bild der heimtückischen Kriegsführung sollte die nächsten Jahre die Welt verändern; mehr noch, in vielen den Glauben an eine höhere Macht gänzlich zum Versiegen bringen.

       Kapitel 27: Chris sieht Nachrichten

       Washington, D.C., Juli 2016

      Die ersten Tage zu Hause vergingen wie im Flug. Während sich Sandras Mutter Rachel mehr denn je um ihre Enkelin Meira kümmerte, galt Sandras Fürsorge dem neuen Familienzuwachs Chris. Er hatte die Augen seines Vaters; auch wenn sich diese, aufgrund der roten Pigmentierung, unterschieden.

      »Sieh doch nur, Mom, wie er mich anstrahlt.«

      Chris lag auf seiner Krabbeldecke im Wohnzimmer und fixierte Sandra, die neben ihm saß.

      »Ach, Kleines«, lächelte Rachel, »er ist noch zu klein, um alles richtig wahrzunehmen. Das kommt erst mit der Zeit.«

      »Aber sieh doch, er blickt mir direkt in die Augen und hat sichtlich Spaß daran.«

      Tatsächlich, dachte Rachel, während sie Meiras Bauch tätschelte, die ebenfalls auf der Decke neben dem Bruder lag.

      »Wenn du beide vergleichst, dann habe ich das Gefühl, dass Chris ebenso weit ist wie Meira. Schau nur.«

      Lachend schüttelte Rachel den Kopf. »Was du dir wieder einbildest. Meira ist über ein Jahr älter. Und das merkt man ihr auch an.«

      »Wenn du meinst … Dennoch bin ich mir sicher, dass Chris mich erkennt.« Sandra beharrte hartnäckig auf ihrer Meinung.

      Noch während die beiden diskutierten, steuerte Elias mit todernster Miene den Rollstuhl ins Wohnzimmer.

      »Sieh doch mal, wie Chris mich anblickt«, rief Sandra ihrem Bruder zu.

      »Toll«, erwiderte Elias knapp.

      »Ist was, Bruderherz?«

      »Es ist Schreckliches passiert.« Dabei sah er sorgenvoll zuerst seine Mutter, dann Sandra an.

      »Was ist?«, fragte Sandra.

      Elias antwortete nicht, sondern rollte in Richtung Sideboard, auf dem die Fernbedienung des Fernsehers lag. Er schaltete ein. Jeder Sender im Staat hatte das Programm geändert und berichtete in Sonderausstrahlungen von den Anschlägen auf die U-Bahn-Station Fulton Center sowie die zeitgleich verübten Attentate in Europa.

      »Wisst ihr, was das heißt? Es ist Krieg. Ein Scheißkrieg über alle Länder hinweg. Diese Schweine gehen auf die Zivilbevölkerung los, um Angst zu schüren. Die pfeifen auf jegliche ethischen Gesetze oder Regeln der Genfer Konventionen.«

      Schweigend lauschten sie dem Nachrichtensprecher: »Die Situation vor Ort ist verheerend. Behörden gehen derzeit von mindestens 2.000 Toten und ebenso vielen Verletzten aus. Schenkt man den ersten Ermittlungsergebnissen Glauben, handelt es sich um einen Giftgasanschlag, dessen tödliche Substanz durch das Belüftungssystem eingebracht wurde. Sicher ist, dass der Anschlag auf unser Land einen terroristischen Hintergrund hat. Dies untermauern die Umstände, dass zur selben Zeit in den europäischen Großstädten Berlin, Rom, Madrid, Marseille sowie in Moskau Unbekannte Bomben gesprengt und bei regelrechten Hinrichtungen Tausende Unschuldige an öffentlichen Plätzen der Städte gemordet haben. Wir schalten jetzt zu unserem Auslandskorrespondenten …«

      Chris reckte seinen Kopf nach hinten, um die Bilder des Fernsehers sehen zu können. Er verstand, was er sah, und es bereitete ihm ein Gefühl der Angst.

       Kapitel 28: IMMERZEIT

      »Warum hast du das getan?«

      »Ich tue, was ich tun muss. So ist mir geheißen.«

      »Nein, Raphael, die Zeit ist nicht reif und du weißt das.«

      »Hör auf zu jammern, Michail. Ich sollte dich auf der Stelle vernichten, du Abtrünniger.«

      »Vernichten! So wie du Tausende Unschuldige richtest?«

      »Es ist der Wille – die Siegel sind gebrochen.«

      »Wäre der Messias jetzt hier, er würde dir sagen, was gebrochen ist und was nicht. Wir werden uns stellen, hörst du!«

      Raphael lachte laut auf, während er mit Michail in der New Yorker U-Bahn-Station stand, dabei unbemerkt Hunderte Helfer betrachtete, die sich um Tote und Verletzte kümmerten.

      »Willst du damit sagen, Michail, das hier sei nicht passiert? Es ist passiert und weder du noch dein angeblicher Prophet können es rückgängig machen. Wo war er denn, dein verheißungsvoller Heiland? Wo ist seine Macht? Verkrochen hat er sich und weißt du warum? Ich sage es dir. Weil er kein Prophet ist. Nicht gesandt von Thron, neiiiin, ein selbsternannter Messias ist er, ein Scharlatan, wie schon so viele vor ihm. Du solltest umkehren, Michail, und dich deiner vorgesehenen Prophezeiung stellen. Schulter an Schulter, an meiner Seite der Aufgabe gerecht werden, die Thron uns zugeteilt hat. Die Menschen verdienen es! Glaubst du ernsthaft, ich habe das alles veranlasst? Ich sei derjenige, der darauf aus ist, die Menschheit zu strafen? Das erledigen jene dummen Geschöpfe schon ganz von allein. Vertrau mir.« Mit Daumen und Zeigefinger schnippte Raphael an die ausgestopfte Pfote eines kleinen Teddybärs,

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