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Bruder. Als später die Geschwisterehe verboten wurde, blieb die tawananna in ihrem Amt als Priesterin und behielt die Macht zur Regelung der Nachfolge.19

      Dieser politischen Veränderung entsprechen Veränderungen im Götterhimmel. Die hattischen Ureinwohner Kleinasiens hatten eine Sonnengöttin Eschtan und einen Sturmgott Taru verehrt. Die hethitischen Einwanderer hingegen verehrten an der Spitze ihres Pantheons einen Sonnengott (Sius, Sawel) und einen Sturm- und Wettergott (dieus, dyew). Die Hethiter verbanden beides miteinander, machten aus der Sonnengöttin einen männlichen Sonnengott namens Ischtanu, der fortan als „Vater“ und „König“ verehrt wurde. Neben ihm wird die Sonnengöttin Arinna als „Königin“ verehrt, die die Tradition der alten Erd- und Sonnengöttin Eschtan fortsetzt. Noch später wird die Göttin Arinna zu Hepat, die dem Sturmgott Tessub (Teššub), der den Sonnengott Tiwat (luwisch) oder Tiyat (palaisch) entthront hat, als Gemahlin beigegeben wird. Der Würzburger Altorientalist Daniel Schwemer fasst das Ergebnis dieses Prozesses wie folgt zusammen:

      Will man sie in ihrem Aspekt als Unterweltsgöttin beschwören, so begibt man sich zu Höhlen oder man gräbt eine Grube, bringt blutige Opfer dar und spricht die Beschwörungen:

      [Frühmorgens] begibt sich der Beschwörungspriester nach Nera-Lala und bringt dort dem Wettergott von Nerik ein Schaf als Blutopfer dar. Drei Schafe bringt er der Ereškigal – der Wurunsemu – und den uralten Göttern als Blutopfer dar. Man schlachtet die Schafe in eine Höhle hinab... Und der Beschwörungspriester ruft dreimal in die Höhle hinunter: ‚Herbei, herbei, Dämon der Erde, Dämon der Erde!’ Und dort spricht er fernerhin eine Beschwörung.

      Wir werden später noch griechische Texte kennen lernen, in denen Hekate in einer Höhle lokalisiert wird, oder in denen das Ausheben einer Grube geschildert wird, in der ihr dann schwarze Schafe geopfert werden. Dass Opfertiere für die Manen und Götter der Unterwelt schwarz sein müssen, erwähnt bereits Homer (Ilias III, 104 - 105; Odyssee X und XI; vgl. auch Arnobius, Adv. Nat. VI, 20); und die vermittelnde Stellung der Hekate wird uns noch in den spätantiken Zaubertexten begegnen.

      In diesem kleinasiatischen Umfeld, zwischen Syrien und Phrygien, müssen wir den Ursprung der Göttin Hekate suchen. Meiner Ansicht nach erklären sich viele rätselhafte Züge der Hekate, ihre Unheimlichkeit, ihre Rolle als Hexengöttin, ihre unabhängige Stellung im griechischen Pantheon aus ihrer ursprünglichen Rolle als machtvolle kleinasiatische Sonnen- und Erdgöttin. Hekate verkörpert einen Rest spezifisch weiblicher Macht und Magie, der sich die ganze Antike hindurch behaupten konnte.

      Beziehungen zwischen Griechenland und Kleinasien bestanden bereits in mykenischer Zeit, wovon sich noch Spuren in den griechischen Sagen finden, nicht zuletzt in der Sage vom trojanischen Krieg. Dass sich hethitische und mykenische Kultur in der Bronzezeit an der Westküste Asiens überschnitten und durchdrangen, lassen die archäologischen Funde (z. B. in der Umgebung von Ephesos) erkennen. An die Griechen vermittelt wurde Hekate jedoch von dem rätselhaften Volk der Karer.

      Als die Griechen im Laufe der ägäischen Völkerwanderung, die um 1250 v. Z. einsetzte, die Karer von ihren ursprünglichen Wohnsitzen in der Ägäis vertrieben, nahmen diese die Landschaft Karien in Besitz und gaben ihr ihren Namen, wobei sie eine ältere Bevölkerung (die Leleger) ins Landesinnere abdrängten:

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