Скачать книгу

des Hekate-Kultes in Lagina war die jährliche Schlüsselprozession (kleidòs pompé), bei der ein Schlüssel und ein der Göttin geweihtes Gewand umhergetragen wurden. Der Schlüssel wurde meistens von Frauen getragen, es sind aber in den Inschriften auch einige Männer als Träger überliefert. Das Symbol des Schlüssels scheint jedoch stets mit der Vorstellung von Schicksal und Gerechtigkeit verbunden gewesen zu sein, denn kein Geringerer als Parmenides spricht von der „Schlüsselhalterin Gerechtigkeit“ (klêidoûchos Díkê), die mit der Ananke, der Notwendigkeit, identisch ist; diese bewacht das Tor, „wo sich die Pfade des Tages und der Nacht scheiden“, also den Ort, wo die Sonne untergeht.45 In der babylonisch-assyrischen Kultur wird jedoch des Öfteren davon gesprochen, dass ein Gott „das Schloss des reinen Himmels öffnet“46, wie es von Ischtar und Šamaš überliefert ist, im Falle von Hekate öffnet der Schlüssel aber sicher vor allem den Weg zur Unterwelt. Außerdem sind durch Inschriften regelmäßige Gastmähler und Geldausteilungen belegt, weißgekleidete Knaben zogen täglich zum Tempel und sangen zu Ehren der Göttin feierliche Hymnen47. „Welchen Platz die Mysterien einnahmen und worin sie bestanden, ist völlig unbekannt. Über die wahre Natur der Göttin gibt das Fest keinen Aufschluss; sie war sicher eine Karierin wie Zeus Panamaros und seine Gemahlin.“48 Eine Verbindung zu den kretischen Kureten und den Korybanten des Dionysos-Kultes stellt Strabon her, der davon berichtet, dass „einige die Kureten für Diener der Hekate und für dieselben mit den Korybanten“ halten (XIV, 3,20).

      In Lagina fand man 198 Inschriften, die die Bedeutung des Kultortes bezeugen. Eine Inschrift stammt von einem Eunuchen, der Priester des Tempels war (Lagina 188/IStraton 544). Dass die Hekate-Priester aber keineswegs alle Eunuchen waren, wird z. B. durch die Inschrift Nr. 193 belegt, in der ein ungenannter Priester bezeugt, dass seine Frau und seine Tochter ebenfalls priesterliche Funktionen wahrnahmen. Die in ionischem Dialekt abgefasste, altertümelnde Inschrift ist schwer zu übersetzen, sie lautet:

      Ein weiteres Hekataion befand sich in Ephesus hinter dem Artemis-Tempel; dort befand sich laut Strabon (XIV, 1,23) eine Hekate-Statue des Thrason, von welcher der ältere Plinius behauptet, die Marmorstatue der Göttin habe einen so blendenden Schein von sich gegeben, dass die Fremdenführer die Besucher aufforderten, die Augen zu schützen (in cuius contemplatione admonent aeditui parcere oculis, tanta marmoris radiatio est, Nat. Hist. XXXVI, 32).

      Eine Inschrift auf einer Asklepios-Säule aus Hassanlar (in Lydien) erwähnt Hekate und Men, den kleinasiatischen Mondgott, und weist darauf hin, dass Hekate auch eine Heilgöttin gewesen sein muss: Als Erfinderin der Gifte kann Hekate mit ihnen auch heilen statt schaden (auf die Dosis kommt es an). Dass Aristaios, der Vater des legendären Götterarztes Paion (Ilias 5, 401 u. 900), in einem Scholion zu Apollonios von Rhodos (3, 467) auch zum Vater der Hekate gemacht wird, bestätigt dies. Auf dem berühmten Pergamon-Fries kämpft Hekate an der Seite der olympischen Götter gegen die Titanen.

      In Thrakien assimilierte Hekate jedenfalls Züge der Jagdgöttin Bendis, während sie in Thessalien mit der Wegegöttin Enodia und der wilden Brimo („die Wutschnaubende“) von Pherai verschmolz. Enodia wird auf Münzen aus Pherai als fackeltragende Reiterin dargestellt, die zur Nachtzeit erscheint und einen Bezug zur Unterwelt hat, da auch das Pferd als Todestier galt und Tote in Thessalien als Reiter dargestellt wurden (s. LIMC II, 1, 687 ff.). Anführerin der „wilden Jagd“ bleibt Hekate dann auch in der Folgezeit. In dieser Hinsicht ähnelt sie der deutschen Holle bzw. Percht.

Скачать книгу