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jetzt im Moment braucht, um glücklich(er) zu sein. Und dafür nimmt sie sich dann auch alle Zeit der Welt. Diesen inneren Autopiloten haben auch andere resiliente Menschen. Ihre innere Fragestellung heißt nicht in erster Linie: „Was muss ich jetzt tun?“, oder: „Was wird von mir erwartet?“, oder: „Was muss ich tun, um anerkannter, reicher oder schöner zu sein und um anderen zu gefallen?“, sondern: „Was kann ich tun, damit ich glücklicher und zufriedener sein kann?“ Oder: „Was muss ich in dieser Sache tun, damit es mir gutgeht?“ Was zunächst wie Egoismus klingt, ist aber − zumindest, wenn es gut ausbalanciert ist durch Einsatzbereitschaft und Zielorientierung − eher mit einer guten Selbstfürsorge zu beschreiben. Diese gute Selbstfürsorge schützt resiliente Menschen vor dem „Zuviel“. Zu viel Leistung, zu viel Arbeit, zu viel Anspruch, zu viel „Ich-will-es-richtig-machen“ führen dazu, dass Sie Ihren Akku permanent wieder aufladen. Gerade weil Sie die Spielregeln von Anspannung und Entspannung, von Arbeit und Ausruhen, von Fremd- und Selbstfürsorge, von Ora et labora beachten, sind Sie sehr belastbar. So brechen Sie auch im Dienst für andere Menschen nicht nach einem kurzen, kräftezehrenden Sprint zusammen, sondern schaffen auch einen Marathon. Wie gesagt: Was zunächst wie Egoismus aussieht, erweist sich unterm Strich als das genaue Gegenteil.

      Die körperliche und seelische Widerstandskraft resilienter Menschen wurzelt in einem guten Gespür für die eigenen Grenzen, in dem, was jetzt dran ist, und in der Weigerung, sich selbst und die eigenen Ressourcen permanent auszubeuten. Ihr Motto lautet: Es soll, und es darf auch mir gutgehen! Gute Selbstfürsorge heißt konkret:

       Ich weiß, was mir guttut

      Ich weiß, was mir guttut und was ich brauche, um (wieder) gut versorgt zu sein. Klingt erst einmal sehr simpel, ist dann aber doch gar nicht so leicht. Denn oft wissen wir gar nicht, was uns guttut, geschweige denn, was wir jetzt, in diesem Moment, brauchen. Damit sind wir äußerst anfällig für Fake News, die uns unser innerer Schweinehund schickt. Dem fällt bei dem Thema „gute Selbstfürsorge“ aber nichts anderes ein als: „Ab vor den PC und im Internet herumsurfen!“

      Oder: „Wie wäre es mit shoppen gehen, um die innere Leere zu füllen?“

      Oder doch besser: Couch, Fernseher und Chipstüte/Eis/Tafel Schokolade/die Flasche Wein (am besten in dieser Reihenfolge …)!

      Oder (das ist dann die soziale Variante): „Könntest du dich nicht mal wieder um jemanden kümmern? Der und die brauchen ganz dringend deine Hilfe! Wenn du für andere da bist, fühlst du deine Leere nicht mehr, und das Beste: Das Ganze sieht noch richtig selbstlos aus und sichert dir Anerkennung. Wenn das nicht clever ist!“

      Oder: „Wie wär’s mal wieder mit einer neuen Liebesbeziehung? Du fühlst dich dann wieder begehrt, gewollt, geliebt und wertvoll. Dass es die letzten Male immer in einem Fiasko endete und du dich benutzt und weggeworfen gefühlt hast, braucht dich jetzt nicht zu interessieren. Neues Spiel, neues Glück! Diesmal wird es bestimmt klappen!“

      Diese Vorschläge sind tatsächlich Fake News. Denn sie täuschen uns etwas vor und verdrehen die Wahrheit. Wenn wir ihnen folgen, dann befriedigen wir unsere Sehnsucht nur oberflächlich und sehr vordergründig. In der Regel fühlen wir uns hinterher noch leerer und unzufriedener. Schlimmstenfalls bringen wir an dieser Stelle einen Suchtkreislauf in Gang, weil wir immer häufiger nach unserem Suchtmittel greifen, uns danach immer mieser fühlen, deswegen erneut zulangen und auch immer mehr davon brauchen.

      Um diesen Fake News nicht auf den Leim zu gehen, müssen wir aufhören, vor uns selbst wegzulaufen, und sollten stattdessen den Kontakt zu uns suchen. Heißt konkret: Wenn wir mal wieder das Loch der Bedürftigkeit in uns spüren, dann hilft es, sich für einen Moment zurückzuziehen (den Schweinehund bitten wir, draußen zu bleiben), sich gerade auf einen Stuhl zu setzen und sich selbst und den eigenen Körper überhaupt erst einmal zu spüren. Unsere Füße, die beide fest auf dem Boden stehen, unseren Popo, der den Stuhl berührt und das Gewicht des Oberkörpers trägt, unsere Arme, die locker auf der Lehne liegen oder herabhängen, unsere Schultern, die erst einmal gelockert werden müssen, und unsere Gesichtsmuskulatur, die vielleicht völlig verkrampft ist. Während wir tief ein- und ausatmen, landen wir erst einmal und fahren unsere inneren Triebwerke komplett herunter.

      Und dann kann man in sich hineinspüren: Welche Bedürfnisse melden sich da eigentlich? Z.B.: Ich bin einsam und bräuchte jetzt Gesellschaft.

      Ich bin total erschöpft und müsste mich jetzt erst einmal ausruhen.

      Ich langweile mich oder bin unterfordert und bräuchte eine neue Aufgabe/Herausforderung. Mir fehlen Wertschätzung und Anerkennung, ich bräuchte jetzt …

      Aus diesem Geerdetsein und unter Ausschluss des Schweinehundes (der liegt ja immer noch brav in seinem Körbchen), können wir in aller Ruhe überlegen, was uns denn jetzt wirklich und nachhaltig guttun würde. Statt fernzusehen, könnte dann ein schöner Abendspaziergang auf dem Programm stehen. Statt der Einsamkeit mit ein paar Gläschen Wein Gesellschaft zu leisten, könnte der Anruf bei einer guten Freundin helfen. Uns würde vielleicht ein kleines Schläfchen, das Lesen eines guten, ermutigenden Buches, eine Fahrradtour, der Besuch eines Museums oder eines Konzertes, ein heißes Wannenbad mit duftenden Zusätzen, ein Saunatag, das Kreieren einer neuen Deko, das Streichen eines Möbelstücks, das Malen eines Bildes, Musik machen, die Einladung guter Freunde zum gemeinsamen Kochen oder die Organisation eines Spieleabends einfallen. Erstaunlich, was uns in Sachen Selbstfürsorge für gute, kreative Ideen kommen, wenn wir den Schweinehund und seine Fake News mal zum Schweigen verdonnern!

       Ich lebe ausgewogen

      Gute Selbstfürsorge heißt des Weiteren: Arbeit und Freizeit sind bei mir in guter Ausgewogenheit. Wir leben diesbezüglich mit einer großen Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite haben wir heute in unserem Land mehr Freizeit denn je zuvor, und auch mehr, als es in vielen anderen Ländern dieser Erde der Fall ist. Der Freizeitsektor boomt und ist bei uns längst zu einem nicht mehr wegzudenkenden Wirtschaftsfaktor geworden. Andererseits klagen viele Menschen, dass sie gestresst, völlig überlastet und total ausgepowert sind. Für diesen paradoxen Zustand gibt es eine Menge an Erklärungen, welche auszuführen an dieser Stelle viel zu weit führen würde. In unserem Kontext reicht es hinzuschauen, ob wir denn selbst in guter Ausgewogenheit leben oder uns gegebenenfalls wieder in eine gesunde Balance bringen müssen.

      Das heißt für die Überlasteten und Überforderten: Gibt es eine Möglichkeit, die Anzahl meiner Arbeitsstunden zu reduzieren? Werden Überstunden in irgendeiner Form angemessen abgegolten, oder werde ich hier permanent ausgenutzt? Müsste ich mich langfristig vielleicht nach einem anderen Arbeitsplatz umschauen, der meinen Bedürfnissen, meiner Persönlichkeit und meinen Begabungen mehr entspricht? Muss der hohe Lebensstandard, den ich zurzeit pflege, wirklich sein, und ist er es wirklich wert, dass ich zu seiner Finanzierung körperlich und psychisch auf dem Zahnfleisch gehe? Gestalte ich meine Freizeit als Gegenpol zu meiner anstrengenden Arbeit in guter Weise, oder hat hier der innere Schweinehund mit seinen Fake News das Zepter übernommen?

      Aber es gibt auch das Gegenteil: ein Zuwenig an Herausforderung und erfüllender Arbeit, das uns erkennen lässt, dass wir gebraucht werden, und das unserem Dasein einen Sinn gibt.

      Kann sein, dass wir einer sehr stupiden, für unser Empfinden sinnlosen Tätigkeit nachgehen. Kann sein, dass wir keine Arbeit finden oder uns der Wiedereinstieg in unseren Job nicht gelingt.

      Kann sein, dass wir gesundheitlich angeschlagen sind und deswegen auf dem Arbeitsmarkt als „nicht vermittelbar“ gelten.

      Kann sein, dass wir im Rentenalter, aber noch topfit und voll leistungsfähig sind.

      Kann sein, dass wir aufgrund unserer Familiensituation (kleine Kinder, zu pflegende Angehörige …) gerade keiner bezahlten Arbeit nachgehen können.

      Wenn wir uns in dieser Situation befinden, müssen wir lernen umzudenken: Nur weil wir keiner bezahlten Arbeit nachgehen, arbeiten wir ja dennoch, können sehr herausfordernden Tätigkeiten nachgehen und damit unseren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft leisten.

      Da ich selbst aufgrund unserer vier Kinder sehr lange „nur“ zu Hause war, weiß ich, wie schwer

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