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so manch einen Erwachsenen in den Wahnsinn treibt. Pippi hat den Kopf voll mit ungewöhnlichen Ideen, die sie gegen die Widerstände der Umwelt in die Tat umsetzt. Was andere über sie denken, ist für sie absolut zweitrangig. Sie tut eben … was ihr gefällt! Pippi kennt keine Langeweile und hat immer eine Idee, was sie aus ihrem Leben machen kann. „Was ihr machen wollt, weiß ich nicht“, sagte Pippi. „Ich werde jedenfalls nicht auf der faulen Haut liegen. Ich bin nämlich ein Sachensucher, und da hat man niemals eine freie Stunde.“

      Pippi ist souverän und lässt sich nicht unterkriegen. Ihr fallen immer wieder neue Dinge ein. Sie glaubt an sich. Sie geht auf die Welt zu und kann etwas bewirken. Sie ist aktiv und voll dabei, schlagfertig und mutig. Nie ist sie hilflos oder verzweifelt, weil sie ihre Energie in die Entwicklung lebensförderlicher Bewältigungsstrategien statt in sinnlose Grübelei steckt.

      Pippi hat übermenschliche Kräfte, kann Pferde hochheben und ist jedem Erwachsenen im Kampf überlegen. Sie hat einen Koffer voller Gold, ein großes Haus und einen Garten, der jede Menge Möglichkeiten für abenteuerliche Spiele bietet. Sie hat zwei Freunde, mehrere Tiere, ein Pferd und ein Äffchen, den Herrn Nilsson. Pippi hat neben diesen äußeren aber auch jede Menge innere Ressourcen: Ideenreichtum, Lebenslust, Humor, Durchhaltevermögen, Spaß und Kreativität. Und die helfen ihr, mit den Widrigkeiten des Lebens klarzukommen. Denn solche gibt es, bei genauerem Hinsehen, auch im Leben von Pippi mehr als genug. Pippi hat keine Eltern, denn die Mutter ist tot und der Vater auf See. Die Elternrolle musste sie schon früh für sich selbst übernehmen.

      Darüber hinaus hat Pippi auch Feinde: eine Fürsorgerin, die sie immer wieder ins Heim stecken will, und Polizisten, die ihr ständig nachjagen. Aber selbst von denen lässt sie sich nicht kleinkriegen: „Oh“, sagt sie, „ich muss heute wieder einen Glückstag haben. Polizisten sind das Beste, was ich kenne – gleich nach Rhabarbergrütze!“

      Pippi ist das, was man heute mit „resilient“ umschreiben würde. Resilienz meint die psychische Widerstandskraft, die jemand mit ins Leben bringt oder die sich bei ihm im Laufe seines Lebens entwickelt hat. Dieses gutentwickelte seelische Immunsystem hilft, an den Widrigkeiten und Härten des Lebens nicht zu zerbrechen, sondern (eventuell) sogar noch gestärkt daraus hervorzugehen. „Jemand ist hart im Nehmen“, so würden wir vielleicht umgangssprachlich sagen. Oder: „Der/die ist nicht kleinzukriegen. Ein richtiges Stehaufmännchen!“

      Das Wort „Resilienz“ leitet sich von dem lateinischen Wort resilire ab, was so viel bedeutet wie: zurückspringen oder abprallen. Die Geschosse, die das Leben manchmal auf uns abfeuert, dringen bei resilienten Menschen nicht wirklich ein und bewirken auch keine nachhaltigen Verwundungen. Das heißt nun nicht, dass resiliente Menschen eine seelische Teflonschicht um sich haben, aber es gelingt ihnen besser, sich von Verletzungen zu erholen, dazugehörige schmerzhafte Gefühle unter die Füße zu bekommen und sich dem Leben wieder zuzuwenden.

      Diese Resilienz entsteht schon früh. Gut, wem dazugehörige Eigenschaften und Fähigkeiten mitgegeben wurden bzw. in wessen Persönlichkeit sie hineinvererbt und -verankert wurden. Dazu gehören eine zupackende Art, ein fröhliches Temperament, Aufmerksamkeit, Anpassungsfähigkeit, Selbstvertrauen, Neugier, Intelligenz, Bindungsfähigkeit, eine realistische Selbsteinschätzung sowie Einsatzbereitschaft und Fleiß.

      Es gibt inzwischen zahlreiche Studien und Untersuchungen, die das sehr komplexe Wechselspiel zwischen vererbter bzw. in der Persönlichkeit verankerter Widerstandskraft, erlernter Widerstandskraft und den beteiligten Umwelteinflüssen untersucht haben. Ein sehr fundiertes Buch zu diesem Thema ist „Resilienz: Das Geheimnis psychischer Widerstandskraft“ von Christina Berndt (siehe Buchtipps im Anhang).

      Die Ergebnisse all dieser Studien haben eines gemein (und das ist eine sehr gute Nachricht!): Resilienz ist erlernbar! Sicher, Menschen, denen Resilienz mit in die Wiege gelegt wurde, haben an dieser Stelle einen deutlichen Vorsprung. Aber niemand muss sagen: „Tja, da hab ich dann ja wohl Pech gehabt!“ Nein, wie auch immer unsere Ausgangsposition in Sachen Resilienz ist: Psychische Widerstandskraft lässt sich wie ein Muskel trainieren und erwerben.

       Lebensmutige Menschen haben irgendwann einmal, bewusst oder unbewusst, den Entschluss gefasst, im Leben nach vorne zu gehen, statt zurückzuweichen, zu wachsen, statt zu stagnieren, und Verantwortung für das Gelingen ihres Lebens zu übernehmen, statt in einer sich selbst bemitleidenden Opferhaltung zu verharren. Auch für sie ist das Leben kein Ponyhof, und in schweren Zeiten, Krisen oder nach erlittenen Schicksalsschlägen erleben sie das gleiche Gefühlsauf und -ab wie andere Menschen. Sie haben aber Ressourcen entwickelt, auf die sie nun zurückgreifen können und die ihnen Stabilität geben. So gelingt es ihnen schneller, ihre Gefühle wieder in lebensförderliche und stabile Bahnen zu lenken. Sie erwarten, dass das Leben sich auch für sie wieder von seiner schönen Seite zeigen wird. Damit diese Erwartung Realität wird, arbeiten sie aktiv mit und sind auch bereit, neue Wege zu gehen, statt stur in alten Verhaltensmustern zu verharren. Lernbereit, flexibel und ausbalanciert dem Leben begegnen – das ist ihr Lebensmotto.

      Was kann uns helfen, unsere Resilienz zu trainieren und damit lebensmutiger zu werden?

      Dem Leben realistisch begegnen

       „Ich gar nicht ein feine weiße Prinzessin bin“, sagte Pippi in gebrochener Taka-Tuka-Sprache. „Ich einfach bin bloß Pippi Langstrumpf, und ich pfeifen auf das Thronsitzen.“

      „Ich bin, die ich bin, und lebe mein Leben. Das reicht, und damit bin ich zufrieden“ – so könnte man es auch formulieren. An meiner Pinnwand hängt eine Karte mit der Aufschrift: „Wir sind hier nicht bei Wünsch dir was, sondern bei So isses!“ So manche Enttäuschung im Leben ist hausgemacht und vorprogrammiert, weil wir völlig unrealistische Erwartungen an uns selbst und das Leben haben, die Latte viel zu hoch hängen und nicht bereit sind, die Realität zu akzeptieren, wie sie nun einmal ist. Auch nicht uns selbst. Aber umso größer die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, umso schlechter unser Lebensgefühl.

      Resilienz zu trainieren bedeutet an dieser Stelle, unseren Realitätssinn zu trainieren. Dieser bezieht sich auf persönliche Eigenarten oder auf Lebensumstände, die wir, egal, wie wir’s drehen und wenden, nicht verändern können. Oder zumindest nicht jetzt oder in absehbarer Zeit ändern können. Wer hier gelernt hat, „Ja“ zu sagen und die Realität zu akzeptieren und anzunehmen, der setzt viel lebensmutige Energien frei.

      Dabei geht es nicht darum, unsere unerfüllbaren Wünsche und Bedürfnisse zu verleugnen oder zu verdrängen. Nein, es geht darum, diese zu formulieren, sie dann aber loszulassen und ganz bewusst anzunehmen, dass sie (zumindest im Moment) nicht in Erfüllung gehen.

       Ja-Sagen konkret

      „Ich hätte so gerne mehr Geld, damit ich häufiger reisen kann. Aber zurzeit ist dieses Geld nicht da, weil ich noch arbeitslos bin (oder weil ich meine Ausbildung erst noch zu Ende bringen muss, weil das Haus noch nicht abbezahlt ist usw.). Das ist jetzt so, und das akzeptiere ich als meine Lebenswirklichkeit!“

      „Was würde ich drum geben, (wieder) in einer Partnerschaft zu leben, aber zurzeit tut sich in dieser Sache gar nichts. Das ist im Moment so, und das nehme ich an!“

      „Wenn ich doch nur mehr Zeit hätte für mich! Aber im Moment sind unsere Kinder noch klein und brauchen mich fast rund um die Uhr. Daran lässt sich aber jetzt nichts ändern, und deswegen akzeptiere ich diese Situation.“

      „Ich wäre so gerne noch so jung und dynamisch wie meine Freundin (und hätte dazu auch noch gerne ihre tolle Figur!), aber ich bin zehn Jahre älter. Das sehe und spüre ich in jeder Faser meines Körpers. Aber das kann ich nicht ändern, und deswegen höre ich auf, ständig damit zu hadern, und sage Ja!“

      „Ich würde so gerne meine Karriere vorantreiben. Aber jetzt sind meine Eltern plötzlich krank geworden und brauchen mich. In diese unerwartete Wendung, die mein Leben genommen hat, willige ich ein und bejahe sie.“

      „Wenn ich doch nur so musikalisch, so redegewandt, so hübsch, so talentiert, so

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