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sich in der Kirche St. Sulpice in Paris mit seiner Crescentia Mathilde, geb. Mirat, katholisch trauen zu lassen.130 Sie konnte bei ihm ungehindert ihren Glauben praktizieren. Seine Liebe zur katholischen Mathilde war, wie es bei König Salomo heißt, „stark wie der Tod.“ Es gibt also nicht nur eine christliche Toleranz den Juden, sondern auch eine jüdische Toleranz Christen gegenüber. Heinrich Heine und seine Liebe zur katholischen Mathilde ist nur ein Beispiel unter vielen.

      Die in diesem Kapitel dargestellten positiven Beispiele christlicher und jüdischer Toleranz dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Antijudaismus und -semitismus diese positiven Ansätze einer jüdisch-christlichen Symbiose immer wieder und im 19. und 20. Jahrhundert in wachsendem Maße in den Schatten stellten.

       Christen und Moslems –Toleranz der Konfessionen?

      Das vorchristlich-archaisch-orientalische Fundament von Christentum und Islam wird allerdings sehr deutlich in der wohl keltisch geprägten Parzivalsgeschichte des Dichters Wolfram von Eschenbach gelegt. Wolfram, vor 1200 geboren, nach 1217 gestorben und in der Deutschordenspfarrkirche von Wolframs-Eschenbach begraben (durch verschiedene Umbaumaßnahmen seit dem 17. Jahrhundert soll sein Grab verloren gegangen sein), stammt aus einer leider nur bis ins 16. Jahrhundert nachweisbaren Ministerialenfamilie. Die exakten geographischen Beschreibungen französischer Orte in seinen drei Epen Willehalm (blieb ein Fragment), Titurel und Parsifal erwecken den Eindruck, als ob er in den fränkischen Landen, deren Hauptteil ja damals Frankreich ausmachte, viel herumgekommen und dabei auch persönlich mit Moslems in Kontakt gekommen ist. Vielleicht hat der 1190 in Palästina gegründete Deutsche Ritterorden, der durch die Schenkung der Kirche „mit allen Pertinenzien“ durch Graf Boppo II. von Wertheim um 1212/1220 erstmals in Eschenbach Fuß fasste, seine Epen angeregt und sein dichterisches Schaffen unterstützt.131 Natürlich ist auch eine Unterstützung des Dichters durch den Templerorden, welcher in besonderem Maße ein westfränkischer Orden war, nicht auszuschließen. Nachweise dafür haben sich weder für die Deutschordensherren noch für die Templer erhalten.

      Der fränkische Minnesänger schildert in seinem Epos „Willehalm“ auch die Auseinandersetzung zwischen den Franken und anderen Völkern, zu denen auch die iberischen Moslems gehören. Der Kampf zwischen den beiden feindlichen Brüdern Parzival und Feirefiz, der erste ein Christ, der zweite ein Moslem, steht modellhaft für die Rivalität von Christen und Muslimen im Mittelalter. Feirefiz Mutter war eine „schwarze Königin“ in Nordafrika. Parzival und Feirefiz waren die Söhne des Gahmurets von Anjou. Vorfahre von Gahmuret und Stammvater des Hauses Anjou soll ein gewisser Mazaran sein, ein semitischer Name. Noch heute ist Mazaran ein Vorort von Algier, der Hauptstadt von Algerien, Mazar eine größere Stadt in Afghanistan.

       Abb. 5: Fotografie der Altstadt von Wolframs-Eschenbach durch Hermine Kaltenstadler am 12.10.2008, im Hintergrund die Pfarrkirche

      Gahmurets beide Söhne hatten aber verschiedene Mütter und wuchsen nicht gemeinsam auf. Gahmuret stand in den Diensten des moslemischen Kalifen von Bagdad, im Kampf für seinen Freund und Kriegsherrn fand er auch von der Hand eines Sarazenen den Tod.132

      Die erste Begegnung zwischen Parzival und Feirefiz erfolgte im Kampf und war eine feindliche. Dieses Aufeinandertreffen der beiden Halbbrüder kann ebenso wenig wie der Dienst eines christlichen Ritters für einen moslemischen Kriegsherrn ein bloßes Produkt der dichterischen Phantasie sein. Auch wenn die von Wolfram geschilderten Details Ausschmückungen des Dichters sein mögen, deuten diese Episoden darauf hin, dass es auch außerhalb des moslemischen Spaniens nicht nur feindliche Kontakte zwischen Moslems und Christen gegeben hat.133 Die Ehe zwischen dem Christen Willehalm und der hochgebildeten Arabel beweist das.134 Für die Figur des Willehalm bei Wolfram v. Eschenbach hat wohl der heilige Wilhelm, ein Graf von Toulouse (+ 812), Modell gestanden. Wilhelm der Heilige „war ein Verwandter Karls des Großen und eroberte das muslimische Barcelona, das zum Hauptort der spanischen Mark des Frankenreiches wurde.“135 Wilhelm von Aquitanien, wie er offiziell hieß, zog sich 806 in ein Kloster zurück und soll im Jahre 1066 offiziell heiliggesprochen worden sein. Karl der Große wurde dagegen wie viele andere ‘Heilige’, z.B. die „Heiligen Dreikönige“, nie heilig gesprochen.136

      Der Wolfram’sche Willehalm, der „christliche Protagonist“, lernte Arabel als Kriegsgefangener in dem Lande „Arabi“ kennen, wo sie bereits mit dem heidnischen König Tybalt (der Name klingt eher germanisch) verheiratet war. Über die Liebe zu Willehalm findet sie den Weg zum Christentum und nimmt in der Taufe den Namen „Gyburc“ an:

      „Willehalm besetzt Tybalts Land in der Provence und gründet dort seine Grafschaft Orange. Tybalt zieht daraufhin mit seinem Schwiegervater und einem riesigen heidnischen Heer gegen Willehalm in den Krieg. Was als Minnefehde um Gyburc beginnt, wächst sich im Verlauf der Handlung zu einem mächtigen Glaubenskrieg aus, in dem sich Gyburc mehrmals standhaft weigert, ihren neuen Glauben aufzugeben, und vehement ihre Religion und ihre Liebe zu Willehalm verteidigt.“137

      Dieser Konflikt zwischen dem Christen Willehalm und dem Muslim Tybalt, dem ersten Ehemann von Arabel, spricht nicht für ein harmonisches Zusammenleben von Christen und Muslimen im frühen Mittelalter. Minnefehde und Glaubenskrieg sind in dieser Auseinandersetzung untrennbar miteinander verbunden. Die leider wenig bekannte „Toleranzrede“ der Arabel/Gyburc vor dem imaginären Fürstenrat macht deutlich, dass die Liebesgeschichte von Willehalm und Arabel entweder eine freie Erfindung des Dichters ist oder von ihm in einer sehr idealisierten die Realität überhöhenden Weise wiedergegeben wird. Historisch ist, zumindest nach Auffassung des Germanisten Werner Greub, dass der fränkische Gaufürst Willehalm zwei Schlachten gegen die Muslime in Südfrankreich mit Erfolg geschlagen hat. Ob allerdings die Arabel die oben schon erwähnte Toleranzrede vor einer Schlacht je gehalten hat und ob ihr Appell an die fränkischen Männer, „im Falle eines Sieges über die Heiden diese gnädig zu behandeln, da auch Heiden Geschöpfe Gottes seien“,138 jemals erfolgte, ist höchst unwahrscheinlich. Gerade diese wohl nicht historische Toleranzrede, in welcher eine konvertierte Christin um Schonung für die Muslime bittet, zeigt aber, dass die Idee der religiösen Toleranz im Mittelalter durchaus existierte, aber in der Zeit der „Reconquista“ und der Kreuzzüge, sowohl auf der christlichen als auch islamischen Seite, im Laufe des hohen Mittelalters immer mehr verloren ging.

      Aus dieser Sicht der Dinge muss man das Happy End der feindlichen Brüder, des christlichen Parsifal und des muslimischen Feirefiz, in Wolframs Epos „Parsifal“ relativieren. Nachdem Parzival seine letzte Prüfung bestanden hatte und Mitglied der Tafelrunde von König Artus geworden war, wählte er seinen moslemischen Bruder zum Lebensgefährten im Dienste des Grals. Wie Arabel kam auch Feirefiz nicht darum herum, sich dem Christentum zuzuwenden. Verbrüderung und Konversion von Feirefiz gingen also Hand in Hand. In welcher Form diese Verbrüderung erfolgte, geht aus dem Epos von Wolfram von Eschenbach nicht hervor. Es wäre aber denkbar, dass der neue Bund zwischen den beiden Brüdern als Blutsverbrüderung geschlossen worden war. Diese Form des Lebensbundes war als prägendes Element der feudalistischen Clan-Gesellschaft ebenso wie die Blutrache auf dem Balkan und den griechischen Inseln noch bis ins 19. Jahrhundert hinein (in abgelegenen Regionen sogar noch heute) praktiziert worden.139 Blutrache und Blutsbruderschaft sind deutlich erkennbar Ausdruck einer archaischen Gesellschaft, in welcher noch heute auf dem Balkan die Ehre einen sehr hohen Stellenwert genießt.

      Wolfram von Eschenbach schildert Feirefiz, den Moslem, als gleich edlen Charakter wie Parzival. „Offenkundig stellt er ihn, den Nichtchristen, ganz bewusst über die Mehrheit der christlichen Ritterschaft“140. Die Wiedervereinigung von Christentum und Islam, welche sich beide auf den Stammvater Abraham141 berufen, wird dann später auf geistig-ideeller Ebene durch den sagenhaften Priester Johannes von Jerusalem vollendet. Wolframs „König der Könige“ vereinigt „in seinem mit dem Paradies vergleichbaren Reich, in dem Christen und Muslime gleichermaßen vertreten sind, sowohl weltliche Macht als auch geistige Autorität und wird damit letztlich zum Symbol für den ‘Weltkönig’.“142

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