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zu den sog. westlichen Staaten noch weit entfernt.169 Es geht also beim Papstbesuch und überhaupt bei der Kooperation von Christen und Moslems um weit mehr als nur darum, „die Missverständnisse zwischen Muslimen und Christen auszuräumen“, um einen Ausspruch des türkischen Außenministers Abdullah Gül vom November 2006 zitieren.

      Im Mai 2008 beklagte Ishak Alaton, Chef der Alarko-Holding, einer der bekanntesten Geschäftsleute in der Türkei, in einem offenen Brief an die türkische Wirtschaftszeitung ‘Refrans’ „eine wachsende ‘Paranoia’ in der Türkei gegenüber den Minderheiten.“ Dabei übte er auch Kritik an einem Verfassungsgerichtsurteil, „mit dem der Immobilienverkauf an Ausländer gestoppt worden war.“ Diese „ultranationalistischen Entwicklungen“ führen nach Auffassung von Alaton „zu Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“. Dieser Nationalismus richte sich gegen alle, „die nicht sunnitische Muslime sind“. Von einem speziellen Antisemitismus in der Türkei nahm Alaton die Regierung Erdogan und die Regierungspartei AKP jedoch „ausdrücklich“ aus. Träger dieser nationalistischen Fremdenfeindlichkeit seien „vielmehr die Bürokratie und die Medien“, welche mit dem Appell an niedere Instinkte Geschäfte machen.170

      Erschwerend für die christlich-islamischen Beziehungen, auch in der Türkei, kommt in der Gegenwart noch hinzu, dass die von Christen und Moslems praktizierten Wertvorstellungen, auch für die Türkei zutreffend, zunehmend auseinanderdriften. In den christlichen Staaten von Europa und USA geht der Stellenwert der Familie immer mehr zurück. Im Islam ist die Frau das Symbol für den Zusammenhalt der Familie und zuständig für die Aufzucht, Erziehung und Sozialisation der Kinder. Für orthodoxe Moslems ist die von Gott geschaffene Familie nicht vereinbar mit der an westlichen Vorstellungen orientierten Emanzipation. Gläubige Moslems vermissen im westlichen System den Gemeinschafts- und Familienbezug, der für den Islam unverzichtbar ist. Moslems können mit dem westlichen Geist des Individualismus, einem Produkt der europäischen Aufklärung, nichts anfangen. Es fehlen ihnen zum Verständnis der Emanzipation auch die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen. Denn die geistes- und religionsgeschichtliche Entwicklung im Islam ist völlig anders verlaufen.

      Wie für die orthodoxen Juden sind auch die im Westen immer mehr um sich greifenden Formen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, Rumpffamilien allein erziehender Mütter oder Väter und andere vergleichbare reduzierte Lebensformen für den Moslem nicht tragbar. Anders als in den westlichen Staaten, wo die „Würde des Menschen“ zwar noch in den Verfassungen steht, aber nicht wirklich die Gesellschaft prägt, wird im Islam die menschliche Würde, z.B. auch in Gestalt der Gastfreundschaft, respektiert, vorausgesetzt dass man kein Jude ist! Die Gastfreundschaft ist in den islamischen Staaten noch immer sehr ausgeprägt. Das wird auch durch das Islam-Handbuch von Dumont bestätigt: „Einen reisenden Fremdling als Gast aufzunehmen, galt als vornehme Pflicht. Für ihn auch die letzten Nahrungsreserven zu mobilisieren und eventuell das letzte Kamel zu schlachten galt als selbstverständliche Norm.“171 Der Koran verlangt nicht nur wie das Alte Testament eine Respektierung von Witwen und Waisen, sondern auch ein großzügiges Verhalten den Reisenden und Fremden gegenüber. Das hat dann dazu geführt, „dass sich in den islamischen Gesellschaften zahlreiche Einrichtungen entwickelt haben, die zur Unterstützung und Versorgung von Reisenden dienen“. Es wurden sogar „Fromme Stiftungen“ ausschließlich für diesen Zweck gegründet. In diese Stiftungen flossen nicht primär Geld, sondern u.a. „die Erträge aus Landgütern und Gärten, aus der Verpachtung von Ladengeschäften und Mühlen“.172 Allerdings wollen auch die islamischen Gastgeber vom Gast respektiert werden. Muslime achten weitaus mehr als die Christen auf ihre Ehre. Sie steht im islamischen Wertekatalog ganz weit vorne.

      Die eigene Ehre, welche einst auch in der vorindustriellen feudalistischen Gesellschaft, z.B. im Zunftwesen, der westeuropäischen Staaten eine leitende gesellschaftliche Idee war, hat in den meisten islamischen Staaten oft einen höheren Stellenwert als das fremde Leben. Für viele Moslems wäre ein Leben in Schande schlimmer als der Tod. Dieser ungeschriebene Ehrenkodex wirkt natürlich auch massiv in das Privatleben der Menschen, nicht zuletzt der Mädchen und Frauen, hinein. In diesem Sinne verletzt eine Frau, die sexuelle Kontakte vor der Ehe pflegt, nicht nur ihre eigene, sondern auch die Ehre ihrer Familie und sogar der sozialen Gruppe, der sie angehört. Liebe und Ehe sind bei vielen Muslimen noch immer keine Privatsache. Junge Leute wohnen vor der Eheschließung nicht zusammen und haben auch keine sexuellen Kontakte. Diesen strengen Ehrenkodex behalten viele Moslems auch in ihren europäischen Gastländern bei, dabei kommt es auch zu sog. Ehrenmorden: Der Vater tötet seine Tochter bzw. der Bruder seine Schwester, die sich vor der Ehe sexuell mit einem Nichtmoslem eingelassen hat und mit diesem unter einem Dach lebt, oder eine orthodox-türkische Familie schließt einen Sohn aus dem Familienverband aus, weil er eine christliche Frau geheiratet hat und zum Christentum übergetreten ist. Die Zerstörung des religiösen Bandes ist für gläubige islamische Familien auch ein Zerreißen der sozialen Zusammengehörigkeit. Ernstzunehmende Islamforscher vertreten allerdings die Auffassung, dass Zwangsheiraten, welche mit den Grundsätzen des deutschen Grundgesetzes (wie auch anderer europäischer Verfassungen) unvereinbar sind, und Selbstmordattentate dem Geist und Buchstaben des Korans widersprechen.

      Man kann den Vergleich zwischen dem orientalischen Islam und dem westlichen ‘Christentum’ auf einen knappen Nenner bringen: Hier eine extreme, vielfach überbordende Strapazierung des Individualismus mit der wachsenden Verherrlichung des sog. Single-Daseins und zunehmende Vereinsamung und Entfamilialisierung nicht zuletzt alter Menschen mit steigender Selbstmordrate, dort im Islam weitaus mehr ein Leben in der Gemeinschaft und in Sippschaften und Großfamilien. Der einzelne zählt hier wenig, die Sippe als Großfamilie ist (fast) alles. Die starke gegenseitige soziale Kontrolle wird aber, abweichend von unserer Mentalität, nicht als Verlust, sondern von den meisten Mitgliedern eher als ein Gewinn an persönlicher Freiheit empfunden. Der Islam hat zudem einen anderen Begriff von Freiheit. Diese kommt allerdings den meisten Frauen in den meisten muslimischen Staaten immer noch viel zu wenig zugute.

       Die Glaubwürdigkeit der Quellen der Antike

      Römische Quellen

      Die Forscher waren im Mittelalter und noch weit bis in die Neuzeit hinein völlig auf die Geschichte des oströmischen Byzanz fixiert, aber auch hier nicht real, sondern mehr mythisch wie in der Alexandersage, welche mit den uns überlieferten Quellen nicht übereinstimmt. Dazu passt auch sehr gut die Tatsache, dass das mittelalterliche Europa kaum Kenntnis von der griechischen Sprache und Geschichte hatte. Doch auch in den uns überlieferten Texten des Neuen Testamentes, die ja immerhin in der Zeit der hellenistischen Kultur geschrieben sein sollen, hört man überhaupt nichts über die alten Griechen173 und kaum etwas über die Römer.174 Zahlreiche mittelalterliche Geschichtsschreiber und Chronisten, welche die ihrer Gegenwart vorausgehende Zeit behandeln, berichten nichts von der griechisch-römischen Antike, von der Geschichte Ägyptens und Mesopotamiens ganz zu schweigen. Ein österreichischer Chronist des ausgehenden 14. Jahrhunderts aus dem Kreis um Herzog Albrecht III. – es handelt sich wohl um Gregor Hagen – „bringt die Entstehung Österreichs mit der jüdischen Geschichte des Alten Testamentes“175 in unmittelbare Verbindung. Bei der Beurteilung dieser erstaunlichen Nähe der frühen österreichischen Historiographie und des österreichischen Herrschaftssystems, das ja in Hagens Geschichtswerk seinen Niederschlag findet, zum Alten Testament kommt es nicht auf den Wahrheitsgehalt dieser Verbundenheit an, sondern darauf, dass mittelalterliche Chronisten wie Gregor Hagen ihre Frühgeschichte mit dem Alten Testament beginnen, nicht jedoch mit der uns heute bekannten antiken Geschichte der Ägypter, Mesopotamier, Griechen und Römer. Die auf Hagen folgende „Österreichische Chronik“ des Thomas Ebendorfer (deren Originalhandschrift um 1450 herum nicht mehr erhalten ist) „enthält die Darstellung der heidnischen Vorzeit“ in einer recht nebulosen Form. Die „Zeit von den christlichen Anfängen bis zu den Habsburgern“176 ist dagegen schon plastischer und greifbarer. Die klassische Antike war für ihn jedoch noch ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln und ihm erstaunlicherweise völlig unbekannt! Daraus kann man folgern, dass die klassische Antike selbst in Österreichs Spätmittelalter noch weit davon entfernt war, ein prägender Faktor von Herrschaft und Kultur zu sein.

      Die

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