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wusste, wie diese Technik wirklich funktionierte.223 Es gibt aber noch weitere Techniken, welche nicht in das von uns gelernte Schulwissen passen, z.B. der „Mechanismus von Antikythera“. Dieses Gerät, welches man heute als „Mechanismus von Antikythera“ bezeichnet, entdeckten Schwammtaucher Ende des 19. Jahrhunderts in rd. 60 Meter Tiefe vor der kleinen Südägäisinsel Antikythera. Ob das hier gefundene Gerät etwas mit Alexandria, welches auf den östlichen Mittelmeerraum ausstrahlte, zu tun hat, ist nicht erwiesen, aber doch wahrscheinlich. Dieser bisher noch nicht geklärte Apparat, aufbewahrt im Archäologischen Museum von Athen, ähnelt „nach Beschreibungen von Archäologen einer Art Computer der Antike“ und könnte nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen „ein Zeitrechner und Orientierungsgerät für Seefahrer“ gewesen sein. Das Gerät „stammt nach Angaben der Forscher aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert und ist vermutlich auf der Insel Rhodos vom Astronomen Poseidonios konstruiert worden.“224 Das Gerät soll nach dem neuesten Stand der Forschung (Mike Edmunds von der Universität Cardiff in Wales) etwa 150 bis 100 Jahre vor Christus gebaut worden sein. Hier der neueste Stand der Erkenntnisse aus dem Internet:

      „Mit einer überraschend komplizierten astronomischen Rechenmaschine haben die alten Griechen den Lauf der Himmelskörper berechnet. Der Mechanismus von Antikythera, eine im 2. Jahrhundert vor Christus gebaute Zahnradapparatur, ist weit komplexer als alle bekannten technischen Geräte, die in den folgenden tausend Jahren entwickelt wurden. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Journal ‘Nature’ nach einer erneuten Untersuchung der Apparatur.“225

      Diese umwerfende Entdeckung auf dem Meeresgrund könnte nicht nur dazu beitragen, dass neue archäologische Quellen der Antike nicht bloß eine Ergänzung der literarischen Quellen sind, sondern auch dazu führen, unser Bild von der Antike zu revolutionieren.

      Noch schwieriger als für das Römische Reich ist die Quellenlage im Bereich der griechischen Antike. Selbst Ferdinand Gregorovius226 ist höchst verwundert, dass über Athen, die einst die größte und bedeutendste Stadt des antiken Hellas gewesen sein soll, so wenig überliefert ist. Bezeichnenderweise waren, wie Ferdinand Gregorovius feststellen musste, die Originalnamen der Mehrheit der antiken Monumente von Athen vergessen. Von ihnen hatten sich ohnehin meist nur spärliche Ruinen erhalten. Auch die antiken Landschaftsbezeichnungen waren durch moderne Namen ersetzt worden. Man reiste z.B. nicht mehr zum Peloponnes, sondern nach Morea. Auf dem Peloponnes lebten seit dem frühen Mittelalter so gut wie keine Griechen mehr. Diese wurden in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts angeblich durch hellenisierte „jüdische Skythen“ in Kooperation mit den Slawen nach Sizilien verjagt.227 Der gesamte Balkan wurde durch die slawische Expansion besiedelt. Diese „slawische Infiltration“ führte schließlich dazu, dass griechische Sprache und Kultur so gut wie vollständig verdrängt wurden.228 Das gilt auch für die griechischen Namen.

      Nach der Befreiung Griechenlands vom sog. osmanischen Joch musste in der antiken griechischen Überlieferung nach den ursprünglichen Namen gesucht werden bzw. nach den Namen, welche nach Auffassung der antiken Autoren die ursprünglichen gewesen sein sollen. Die Monumente bekamen also die Namen verpasst, welche man in der altgriechischen Literatur gefunden bzw. neu entdeckt hatte. Sehr seltsam, dass die nichtgriechischen ausländischen Forscher über die Denkmäler und historischen Relikte besser Bescheid wussten als die Bewohner von Athen in der Neuzeit. Auch im Athen der Renaissancezeit haben wir ähnliche ‘Verluste’ von wichtigen Quellen zu beklagen wie in Italien. Der Katalog von Inschriften und lokalen Namen von Denkmälern in Athen, welcher in der Mitte des 15. Jahrhunderts eingerichtet worden sein soll, ging bezeichnenderweise vollständig verloren und wurde nie mehr gesichtet.229

      Hier stellt sich die Frage: Kann man das angebliche Schweigen der Quellen so interpretieren wie im 19. Jahrhundert der bayerische Fallmerayer, der diese Tatsache damit erklärte, dass die Awaro-Slawen die gesamte Bevölkerung des alten Griechenland niedergemetzelt hätten? Seit dem 7. Jahrhundert A.D. findet man bei den byzantinischen Schriftstellern viel häufiger Namen italienischer als griechischer Städte. Nirgendwo ist jedoch überliefert, dass Athen von Feinden angegriffen oder zerstört worden sei. Nicht einmal die berühmten Monumente der Stadt werden bei dem Schriftsteller Sinesius erwähnt. Viele antike Tempel sollen im Mittelalter in christliche Kirchen umgewandelt worden sein. Es lassen sich auch keine Schulen und Bibliotheken im Mittelalter nachweisen. Höchst glaubwürdig ist die Enttäuschung von Michael Choniates aus Konstantinopel, welcher 1174 zum Bischof von Athen ernannt worden war. Er soll anlässlich seiner ersten Reise nach Athen statt glänzender Marmorbauten nur „zerfallene Mauern und hüttengleiche Häuser zu seiten armseliger Gassen“ zu Gesicht bekommen haben. Er gewann den Eindruck, dass die Bewohner des 12. Jahrhunderts wie „auf Schutthaufen“ hausten.230 Es lebten in Griechenland und auch in Athen fast keine Griechen. Noch im 19. Jahrhundert bezeichneten sich die Bewohner von Griechenland und der griechischen Inseln als Pωμαιοί, als Römer, und wurden auch von den Türken so genannt.231 Nicht einmal die Einwohner Athens sprachen mehrheitlich Griechisch. Die griechische Sprache wurde erst wieder seit der Renaissance, nicht zuletzt auch auf die Initiative des Westens hin, die offizielle Sprache der in Griechenland lebenden Menschen. Voll durchgesetzt hat sich die griechische Sprache in Griechenland aber erst nach der Loslösung vom Osmanischen Reich. Und auch erst dann wurden aus den „Römern“ wieder „Hellenen“ (Έλλενες). Zur Bildung der griechischen Nation und zur Etablierung einer einheitlichen neugriechischen Sprache in Griechenland haben, was heute kaum noch jemand weiß, auch das wittelsbachische Königshaus und das Königreich Bayern einen bedeutenden Beitrag geleistet. Selbst die modernen Olympischen Spiele von 1896 in Athen sind ohne bayerische Initiative und Kapital nicht denkbar.232 Die Erinnerung an die antiken Olympischen Spiele war im modernen Griechenland komplett verloren gegangen.

      Das mittelalterliche Griechenland ist im Grunde, ethnisch betrachtet, kein griechisches Land, es war überwiegend von Slawen bewohnt. Slawisch sind auch die Namen fast aller Orte und Siedlungen gewesen. Davidson schließt nicht aus, dass „slawische Kulturen Träger dieses Griechentums sein könnten“.233

      Erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert A.D. tauchen allmählich wieder griechische Namen in Griechenland auf. Höchst bezeichnend ist die wenigen Historikern bekannte Tatsache, dass Griechenland für das griechisch geprägte Byzantinische Reich234 im Grunde lange Zeit ein Fremdkörper gewesen war und im 8. Jahrhundert u. Z. wie ein feindliches Land erobert werden musste. Im 8. Jahrhundert diente Griechenland sogar nachweislich als Exil für politische Kriminelle. Erst seit dem 15. Jahrhundert taucht Griechenland wieder aus dem angeblichen Dunkel der Vergangenheit auf, und vor allem Athen gewinnt für die Handelsmacht Venedig strategische Bedeutung. Nicht einmal die konservativsten Historiker können leugnen, dass das Bild des klassischen Hellas erst im Rahmen des modernen humanistischen Bildungsideals (Griechisch und Latein als Hauptsprachen an den Gymnasien) entscheidend durch die klassische Restauration des 19. und 20. Jahrhundert geprägt worden ist. Wir dürfen heute davon ausgehen, dass im Rahmen dieser euphorischen Restaurationsideologie manche Schwachstellen der antiken Überlieferung übersehen und auch literarische und sachliche Quellen gefälscht worden sind. Für diese Behauptung liefert Zhabinsky235 gute Argumente, wie sie auch Davidson, Landau und andere Autoren der Hamburger Schule schon vor Jahren gebracht haben. Zhabinsky stellt sogar die Behauptung auf, dass seit dem 18. Jahrhundert A.D. archäologische Expeditionen „purposefully destroyed all the discoveries that contradicted the established views on history. In the best case, they declared them as erroneous.”236

      Es sind also auch für das antike Griechenland gewichtige Bedenken anzumelden. Auch hier bestimmt nicht die historische Realität die öffentliche Meinung, sondern die Forscher suchen nach Dokumenten und Zeugnissen, welche in das Bild der öffentlichen Meinung passen. In diesem Sinne empfiehlt Nicolò Macchiavelli, ein typischer Vertreter der Renaissance, den Fürsten, sich die Geschichte als ein Instrument nutzbar zu machen, mit welchem man die Untergebenen wirkungsvoll regieren kann. Das bedeutet ja wohl, dass sich die Herrschenden genauso wenig an die Objektivität der historischen Aussage halten müssen wie an die Regeln der Moral.237 Für die Machtpolitik der Renaissance wie der sog. westlichen Großmächte gilt: Wenn man die Dokumente, welche die Nachfrager wie Politiker, Medien,

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