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der von Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde159 kommt der Kaiser auf den Dschihad, den Heiligen Krieg160, zu sprechen. Dieser wusste sicher, dass in Sure 2,256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg bei den Moslems. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ‘Schriftbesitzern’ und ‘Ungläubigen’ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: ‘Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.’161 Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. ‘Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann’.“162

      Mit den Aussagen seiner oben zitierten Regensburger Vorlesung ging es Papst Benedikt XVI. vor allem darum, zu zeigen, dass die christliche Lehre im Einklang stehe mit den Idealen der griechischen Philosophie und dem daraus abgeleiteten Logos, den er – mit deutlicher Anspielung auf die europäische Aufklärung – mit dem Wort „Vernunft“ wiedergibt. Die Aussagen von Kaiser Manuel II. (und die Argumentation von Papst Benedikt XVI.) erweisen sich jedoch als einseitig, wenn man die militante Praxis vor allem der westlichen Christen (Kreuzzüge) verkennt und die nachfolgende Stellungnahme des Moslems Mudarris, des Gesprächspartners von Kaiser Manuel, unbeachtet lässt. Mudarris ist kein Feind des Christentums, er gibt sogar zu, dass „das Gesetz Christi schön und gut und viel besser ist als das alte Gesetz“ [des Alten Testamentes]. Er lässt aber keinen Zweifel daran, „dass mein Gesetz [des Islam] den beiden anderen überlegen ist.“ Das Gesetz des Mahomet (Mohammed) stellt für ihn einen Mittelweg dar, der „realisierbare Vorschriften“ garantiere. Das islamische Gesetz sei „in allen Punkten gemäßigt und schaltet die anderen Gesetze aus“163, mache sie also überflüssig, da es den Gegebenheiten der menschlichen Natur mehr Rechnung trage als die Gesetze des Alten und Neuen Testamentes. Mudarris erläutert diesen islamischen Mittelweg an konkreten Beispielen, z.B. in einer Stellungnahme zur christlichen Feindesliebe.

      Im Gegensatz zum Islam verwundert die starke Fundierung des von Kaiser Manuel II. vertretenen Christentums auf den Säulen der antiken griechischhellenistischen Philosophie. Weitgehend unerwähnt bleibt sowohl bei ihm als auch bei Benedikt XVI. die alttestamentarisch-jüdische Basis, ein Sachverhalt, der noch zu hinterfragen wäre, hier jedoch sekundär ist. Besonders hervorhebenswert an der Rede von Papst Benedikt XVI. sind für mich die Einseitigkeit der Betrachtungsweise und die Nichtberücksichtigung byzantinischer (und selbst westlicher) Quellen, welche sich positiv zum Islam äußern. In diesem Zusammenhang hätte nicht unterschlagen werden dürfen, dass es in der byzantinischen Kultur des späten Mittelalters eine „byzantinische Polemik gegen den Islam“164 gegeben hat. Es gibt immerhin 26 islamisch-christliche Kontroversen, wobei es problematisch ist, sich auf die Aussagen einer Kontroverse, nämlich der Kontroverse Nr. 7, isoliert von den anderen 25 Kontroversen zu berufen. Die letzte Kontroverse (Nr. 26) gilt übrigens dem Sakrament der Eucharistie.165

      In der 7. Kontroverse stellt also Kaiser Manuel II. der Gewaltbereitschaft des Islam166 stillschweigend die auf der griechisch-hellenistischen Logos-Philosophie beruhende christliche Toleranz gegenüber. Auf der einen Seite also die islamische Gewaltanwendung, auf der anderen Seite die auf der göttlichen Vernunft (Gott als die Inkarnation der Vernunft) aufbauende christliche Lehre. Diese überwiegend philosophische Sicht verkennt aber geradezu paradox die historische Entwicklung von Islam und Christentum und die Dimension der praktischen Toleranz im historischen Ablauf. Unerwähnt bleibt, dass auf der einen Seite die islamischen Eroberer in Iberien und auf dem Balkan die Religionsausübung der Christen im praktischen Leben weitestgehend tolerierten167, doch diese steuerlich stärker belasteten als die Moslems, auf der anderen Seite Papst, Bischöfe und führende Christen in unheiliger Kooperation mit den weltlichen Mächten nicht zuletzt seit dem Hohen Mittelalter massive Gewalt anwandten gegen christliche Abweichler wie Waldenser, Albigenser (mit den Katharern identisch), Templer, Hexen etc. und auch vor Zwangsmissionierung (z.B. in Südamerika), Raub, Folter und Verbrennung nicht zurückschreckten. Christliche Intoleranz nahm vor allem seit dem späten Mittelalter immer skurrilere Formen an, nicht zuletzt gegen die Juden. Der historischen Wahrheit zuliebe muss festgehalten werden, dass auch innerhalb des Christentums die Aggressionen der christlichen Staaten massiv zunahmen und die Kriege, welche christliche Staaten, nicht zuletzt seit der Reformation, gegeneinander führten, immer grausamer wurden. Vom griechischen Logos war in der politischen und militärischen Praxis der christlichen europäischen Staaten keine Rede, wohl nicht einmal in den theologischen Vorlesungen der immer zahlreicher werdenden europäischen Universitäten. Toleranz galt den Gläubigen der christlichen Konfessionen sogar als absolut negativ und verwerflich. „Alle Formen von Toleranz und Kompromissbereitschaft galten als Gefährdung des eigenen Seelenheils und als Verrat an der für allein richtig eingestuften Wahrheit. Diese Überzeugung erklärt den oft unbarmherzigen Umgang mit Andersglaubenden ebenso wie die erstaunliche Leidensbereitschaft einzelner oder auch ganzer Gruppen. Dass Pastoren mit ihren Familien oft mehrere Male vertrieben wurden, war keine Seltenheit.“ 168 Christliche Intoleranz gab es nicht nur gegen die Mitglieder anderer christlicher Konfessionen, sondern auch gegenüber Juden und Moslems. Auch die Politik christlicher Staaten gegen orthodoxe und muslimische Staaten war in der Regel nicht von christlichen Grundsätzen getragen.

      In der Balkanpolitik der Habsburger Monarchie basieren die politischen Ziele nicht unbedingt auf christlichem Gedankengut. Aus der Sicht der religiösen Toleranz darf man dabei nicht verkennen, dass die christliche Gegenoffensive auf dem Balkan unter Habsburgs Führung nach der Niederlage der Osmanen vor Wien (1683) nicht Ausdruck einer wahren christlichen Gesinnung, sondern in erster Linie eine Gelegenheit zu einer Expansion der habsburgischen Macht nach dem Osten und Südosten bis in das 19. Jahrhundert hinein war. In diesem Sinne war die habsburgische Balkanpolitik den nichtchristlichen Religionen gegenüber in devotem Opportunismus auf keinen Fall toleranter als die osmanische, wie auch aus dem Roman „Die Brücke über die Drina“ von Ivo Andric hervorgeht.

      Wenn man die Zeichen der Zeit richtig zu deuten weiß, stellt man fest, dass in den letzten Jahrzehnten im Islam und weltweit eine Radikalisierung und Fundamentalisierung – welche an die Konfessionspolitik der christlichen Staaten in der Frühen Neuzeit erinnert – stattgefunden haben. Diese muslimische Radikalisierung und Fundamentalisierung richten sich nicht nur gegen ‘christliche’ Staaten und Christen in den islamischen Staaten, z.B. im Irak und Ägypten, sondern auch gegen andere muslimische Gemeinschaften. Es sei nur an die massiven Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten im Irak erinnert.

      Die religiöse Toleranz der Moslems den Christen gegenüber ist in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen. Selbst in der Türkei werden trotz gegenteiliger Behauptungen immer noch Christen wegen ihres Glaubens ausgegrenzt und schikaniert. Vor allem die nicht als Minderheit anerkannten aramäischen Christen haben in der Türkei einen schweren Stand. Das Kloster Mor Gabriel, „geistliches Zentrum der [aramäischen] Christengemeinschaft“, wird seit Jahren mit einer Prozessflut überzogen. Mit dieser „Einschüchterungskampagne“ soll erreicht werden, dass die „letzten Aramäer“ das laut Verfassung in Religionsfragen angeblich tolerante Land verlassen. Während in den 60er Jahren noch 200.000 aramäische Christen in der Türkei lebten, sind es heute „vielleicht 2000“. Die europäischen Bürokraten belieben solche Menschenrechtsverletzungen in befreundeten Staaten gerne zu übersehen, auch die europäische Presse zeigt wenig Interesse am Schicksal der aramäischen Christen in islamischen Staaten. Auch die deutsche Politik setzt sich nicht für mehr Toleranz gegenüber den aramäischen Christen in den islamischen Staaten

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