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auch Moslems persönlich kennen gelernt und daran geglaubt, dass die Unterschiede zwischen Christen und Moslems nicht unüberwindlich waren. Diese Geschichte zeigt aber auch, dass in der Zeit des Dichters das alte vorchristliche Weltbild wohl nicht nur die christliche, sondern auch die islamische Kultur geprägt haben muss, so dass dogmatische Differenzen entweder kaum vorhanden waren oder nicht als unüberwindbar betrachtet wurden. Das verdeutlicht ja auch die Geschichte, dass nach dem Eindringen der Araber in Südspanien zu Beginn des 8. Jahrhunderts die Moschee von Granada mit ausdrücklicher Erlaubnis des Sultans 20 Jahre lang von Moslems und Christen als gemeinsames Gotteshaus genutzt wurde und der Sultan, nachdem dieses für beide Konfessionen zu klein geworden war, den (wohl arianischen) Christen reichlich Kapital und Unterstützung für den Bau einer eigenen christlichen Kirche zur Verfügung stellte.144

      Die beiden einstmals feindlichen Brüder Parsifal und Feirefiz, die sich zum gemeinsamen Wirken die Hände reichen, verkörpern im Epos von Wolfram von Eschenbach im Grunde nicht nur zwei unterschiedliche Religionen, sondern auch den Okzident und den Orient, also die westliche und die östliche Kultur. Diese Verbrüderung der beiden steht für die mögliche Koexistenz in Toleranz, der Krieg zwischen Willehalm und Tybalt für die Konfrontation zwischen Christentum und Islam. Wolfram schildert in seinen beiden Epen „Willehalm“ und „Parsifal“ beide Wege und steht dem Islam erstaunlich positiv gegenüber. Eine solche Einstellung war wohl im 12. Jahrhundert, als Wolfram seine Epen verfasste, schon damals nicht mehr allgemein üblich.

      Es gab also wohl im Hochmittelalter ein religiös-geistiges Klima, welches ein relativ friedliches harmonisches Zusammenleben zwischen Christen, Moslems und Juden – wie am Hofe des staufischen Kaisers Friedrich II. im Königreich Sizilien – möglich gemacht hätte. Die Leitung der katholischen Kirche war allerdings an einer Zusammenarbeit mit den Repräsentanten der Juden und Muslime nicht interessiert. Die Päpste machten den christlichen Herrschern, welche die Kultur der Muslime tolerierten und kriegerische Auseinandersetzungen mit ihnen vermieden, die Hölle weiß. Die freundschaftlichen Beziehungen von Kaiser Friedrich II. zum muslimischen Sultan al-Kamil und seine offen zur Schau getragene Vorliebe für arabisch-orientalische Lebensformen erschienen Papst Gregor IX. (Papst von 1227-1241) als so ungeheuerlich, dass er diesen nicht nur zweimal mit dem Kirchenbann belegte, sondern ihn öffentlich als Antichrist deklarierte.145 Sein Nachfolger Innozenz IV. (Papst 1243-1254) konnte sich rühmen, dass er „den Drachen Friedrich zu Boden streckte“.146 Weder Gregor IX. noch Innozenz IV. orientierte sich an den Prinzipien des Neuen Testamentes.

      Es gab Tendenzen religiöser und geistiger Erstarrung nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch bei den Moslems, welche die zarten Ansätze religiöser Toleranz147, wie sie auf der iberisch-sephardischen Halbinsel für einige Jahrhunderte sichtbar geworden waren, wieder zum Ersticken brachten. Wolframs Welt- und Menschenbild war anders als die Machtpolitik des Hohen Mittelalters auch vom Islam geprägt und reichte weit über das katholische Weltbild hinaus.148 Doch diese große Idee des Mittelalters scheiterte vor allem am unseligen Machtstreben des Papsttums und einiger sog. christlicher Mächte, welche das Christentum für ihre Zwecke einspannten und missbrauchten. Der Fanatismus des römischen Papstes scheute nicht einmal davor zurück, ab 1250 alle (wirklichen und vermeintlichen) arabischen Spiele, auch das Schachspiel, zu verbieten. Dieses wohl nie wirklich durchgesetzte Verbot war vielleicht „eine Reaktion auf den Stauferkaiser Friedrich II., der nur zu interessiert war an arabischer Kunst und Wissenschaft.“149

      Mit dem Antiislamismus und Antijudaismus nach innen, oft mehr Ideologie als Praxis, korrespondierte die Ablehnung der orthodoxen Christen durch die sog. westlichen Christen nach außen. Diese westliche Antiorthodoxie trieb vor allem während der Kreuzzüge besondere Blüten. So führte der 4. Kreuzzug (1202-1204) unter Leitung des venezianischen Dogen Dandolo zur Errichtung des sog. lateinischen Kaisertums im christlichorthodoxen Konstantinopel. Die Kreuzfahrer plünderten dabei die Stadt, vergewaltigten Frauen und verübten noch weitere Gewalttaten gegenüber den orthodoxen Christen. Die massiven Wirtschaftsinteressen der venezianischen Kaufleute und anderer europäischer Machte genossen höhere Priorität als christliche Ideen.

      Eine der wenigen rühmlichen Ausnahmen stellten die Malteserritter auf Rhodos und Malta dar, welche dort den Glauben der orthodoxen Christen, zumindest nachweisbar seit dem 14. Jahrhundert, tolerierten. Der maltesische Großmeister förderte die religiöse Eigenständigkeit der Orthodoxie sogar, „ohne aber eine gewisse Kontrolle aufzugeben.“ So verwundert es nicht, dass die orthodoxen Griechen „den Malteserorden als Protektor ansahen“. Die Toleranz des Ordens ersteckte sich auf Malta und Rhodos auch auf die Gerichtsgebräuche. Die Kreuzfahrer, welche auf der Insel Zypern Fuß fassten, hielten nicht so viel von Toleranz. Zeitweise verboten die Herren von Zypern sogar die orthodoxe Kirche, was immer wieder zu Erhebungen gegen die westlichen Gewaltherrscher führte. Diese westliche Herrschaft scheint als so drückend empfunden worden zu sein, dass die Zyprioten nach der Eroberung von Zypern durch die Osmanen zunächst die osmanische Herrschaft begrüßten, „unter der sie ihre Religion wieder frei ausüben durften.“150 Anders verhielten sich die Rhodier. Diese verließen bei der Invasion der Türken mit ihrem ehemaligen Landesherrn die Insel, „obgleich sich die Eroberer verpflichtet hatten, die Religionsfreiheit zu achten.“151 Die Malteser hatten nämlich dort ein sehr humanes Strafrecht praktiziert. Der Rechtshistoriker Barz weist ausdrücklich auf die „Milde im rhodischen Strafrecht“ und auf die Tatsache hin, dass die in der gerichtlichen Praxis gefällten Urteile übrigens auch in Mitteleuropa milder waren als die in den diversen Strafgesetzen festgelegten Normen. Als Beispiel diene die Gerichtspraxis in Ingelheim am Rhein im Spätmittelalter.152

      Nicht nur den orthodoxen Christen, sondern auch den Moslems gegenüber verhielten sich die Kreuzritter nicht so, wie man es von Christen hätte erwarten können, welche auszogen, um durch die Kreuzzugsidee (angeblich) Gott zu dienen. Es gab allerdings auf ‘westlicher’ Seite wahrhaft fromme Christen, welche der Idee der Kreuzzüge sehr skeptisch gegenüberstanden. Dazu gehörte Gerhoh von Reichersberg, der Propst des Augustinerchorherrenstifts von Reichersberg am Inn. Er machte aus seiner Auffassung, dass der 2. Kreuzzug (1147-1149) – wie auch alle anderen Kreuzzüge – „von der Habsucht eingegeben“ war153, kein Hehl. Die Pervertierung der Kreuzzugsidee hatte beim 2. Kreuzzug noch lange nicht ihren ‘Höhepunkt’ erreicht.

      Mit der aggressiven Politik der europäischen Staaten gegenüber den islamischen Staaten des Vorderen Orients im Rahmen der Kreuzzüge korrespondierte die Politik der spanischen Könige (Kastilien, Aragon etc.) auf der iberischen Halbinsel. Die tieferen Ursachen, die in Spanien zum Rückfall in religiöse Intoleranz gegenüber dem Islam führten, bleiben uns weitestgehend verborgen. Die Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen im Rahmen der Reconquista auf der iberischen Halbinsel war keine Auseinandersetzung zwischen den spanischen Königen und den Arabern, sondern zwischen den spanischen Königen und den nordafrikanischen Stämmen, vor allem den Berbern, wie Peter Altmann in seiner Frankfurter Magisterarbeit nachwies.154

      Die Berber155, welche bei der islamischen Eroberung, Erschließung und Beherrschung von Iberien eine große Rolle spielten156, waren in Nordwestafrika, bevor der Islam kam, bis ins 8. Jahrhundert hinein Christen. Noch gibt es in Marokko nicht nur eine jüdische, sondern auch eine christliche Minderheit. Noch heute treten Muslime in Marokko geheim zum Christentum über. Im Gegensatz zum sephardischen Judentum in Marokko wird aber die „unsichtbare Kirche“ nicht offiziell vom Staat anerkannt, sondern nur toleriert.157 Das spricht nicht gerade dafür, dass der Islam wirklich so attraktiv war, wie er selbst von europäischen Universitätswissenschaftlern, nicht zuletzt für den osmanischen Balkan, gerne dargestellt wird.

      Angesichts der großen Attraktivität des Islams für viele Christen auf dem Balkan, auf welche der französische Historiker Fernand Braudel158 verweist, wundert man sich über die negative Bewertung des Islam in dem Dialog, den der byzantinische Kaiser Manuel II. Paläologos im Jahre 1391 mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam geführt haben soll. Papst Benedikt XVI. hat diesen christlich-islamischen Dialog in seiner berühmten Regensburger Vorlesung im September 2006 erörtert, dabei aber auch die Einseitigkeit des Standpunktes des orthodoxen byzantinischen Kaisers ziemlich unreflektiert im Raum stehen lassen. Diese Vorlesung des Papstes ist von so

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