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Er brachte sogar ein zaghaftes Lächeln zustande.

      „Wenn das wirklich geht …“

      „Natürlich geht das. Wir haben ja etliche dunkelhaarige Männer an Bord. Es wird nicht auffallen.“

      Ali betrachtete seine Hände. Erst jetzt fiel ihm auf, daß er keine Manschetten mehr trug.

      „Die haben wir Ihnen abgenommen.“

      „Vielen Dank. Ich war schon so daran gewöhnt, daß ich es anfangs gar nicht bemerkt habe.“

      „Wollen wir nun, oder was ist los?“ fragte Mac Pellew. „Reden können wir nachher immer noch.“

      „Gut, dann fang an“, sagte der Seewolf.

      Will Thorne brachte schweigend ein paar Sachen für Ali. Das alte Zeug nahm er mit und warf es über Bord. Dann erhielt Ali Mustafa ein helles grobes Leinenhemd, ebensolche Hosen und ein paar Stiefel. Auch ein Entermesser steckte Will Thorne ihm in den Gürtel, wie die anderen es trugen.

      Danach erschien Mac Pellew, der an Bord auch für das Haareschneiden zuständig war.

      „Sie werden sich nachher selbst nicht mehr wiedererkennen“, versprach er.

      Darauf schnitt er Ali mit einer Schere den Bart ab, sozusagen als Grobschnitt, dann seifte er ihn gründlich ein und begann hingebungsvoll zu schaben.

      Unter Macs kundigen Händen verwandelte sich Ali erstaunlich rasch, was den Profos zu der Bemerkung veranlaßte, dieser Ali sei jetzt so glatt wie ein Affenbabyarsch.

      Zum Schluß waren die Haare dran, die immer kürzer wurden.

      Während der ganzen Prozedur erfuhren die Seewölfe Alis Geschichte. Sie erfuhren auch von der Korruption, die in Istanbul herrschte, von den Intrigen, die hier gesponnen wurden und von den Kadis, die allesamt Dreck am Stecken hatten und sich auf Kosten anderer bereicherten. Fast das gleiche hatte Aladin ihnen auch schon berichtet.

      Ali sah jetzt aus wie einer von ihnen. Hasard schärfte ihm nur noch ein, daß er die Rolle des Taubstummen perfekt beherrschen müsse, falls die Soldaten erschienen.

      Das versprach Ali. Danach brachte ihm der Kutscher zu essen und zu trinken, und er wurde im Mannschaftslogis einquartiert.

      Als Ali schlief, durchsuchten die Soldaten immer noch den Hafen und knöpften sich ein Schiff nach dem anderen vor.

      Am anderen Morgen war auch die Dubas der Seewölfe an der Reihe. Das Hafengelände war abgesperrt worden, überall wurden die Leute kontrolliert.

      Hasard sah aber auch noch etwas anderes. Die große Galeere hatte an einer Pier vertäut. Offenbar hatte man sie in der Nacht noch notdürftig repariert. Jetzt wurden neue Riemen an Bord genommen und ins Unterdeck gebracht.

      Etwas später erschienen fast vierzig Gefangene, die ebenfalls im Unterdeck des Schiffes verschwanden.

      Hasard warf einen Blick zu Ali, der zusammen mit Bill, Bob Grey, Blacky und Gary Andrews das Deck schrubbte. Die anderen Arwenacks taten auch so, als seien sie beschäftigt.

      „Er fällt wirklich nicht auf“, sagte Don Juan. „Niemand würde glauben, daß er nicht zur Mannschaft gehört.“

      „Ich habe auch keine Befürchtungen, daß man ihn entdecken wird. Sobald hier Ruhe eingekehrt ist, bringen wir ihn unauffällig weg. Aber jetzt sind wir erst einmal dran.“ Hasard deutete dabei auf einen Trupp bewaffneter Türken, die im Gleichschritt über die Pier marschierten und genau auf sie zuhielten.

      Ihr Anführer war offenbar ein Hauptmann, der einen noch größeren sichelförmigen Schnauzbart trug als Ali. Sein Gesicht war böse verkniffen, er hatte noch keine Erfolgsmeldungen bringen können, denn etliche der Gefangenen waren entwischt und spurlos verschwunden. Das hob nicht gerade seine Laune. Zudem war er übernächtigt und seine Soldaten auch.

      Vor der Dubas blieb er stehen.

      „Kapitän?“ fragte er, auf Hasard deutend.

      „Ja, ich bin der Kapitän“, sagte Hasard. „Was kann ich für Sie tun?“

      „Ich muß das Schiff durchsuchen“, erklärte der Hauptmann übellaunig. „Es besteht der Verdacht, daß sich entlaufene Sträflinge bei Ihnen an Bord versteckt haben.“

      „Bei mir?“ Hasard lachte leise. „Das würde ich aber mit Sicherheit wissen.“

      „Ich muß trotzdem das Schiff durchsuchen“, beharrte der Hauptmann. „Wenn Sie ablehnen, muß ich Gewalt anwenden.“

      „Aber bitte, durchsuchen Sie das Schiff. Wir haben nichts zu verbergen. Mein Offizier wird Sie begleiten.“

      Ali schrubbte weiter, kniend auf den Planken, als sei nichts geschehen. Die innere Aufregung und Anspannung sah ihm keiner an, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug. Aber keiner der Soldaten warf ihm auch nur einen Blick zu.

      Ben Brighton begleitete den Trupp und zeigte ihnen alles, was sie sehen wollten. Er verzog nicht einmal das Gesicht, als der Hauptmann in der Pulverkammer darauf bestand, ein paar Fässer zur Seite zu rücken. Zu Bens Erstaunen entdeckte er das winzige Versteck auf Anhieb und begann zu grinsen. Anscheinend glaubte er, fündig zu werden.

      Doch das Grinsen verging ihm, als er in der länglichen Vertiefung lediglich ein paar Luntenstöcke entdeckte.

      Sie nahmen sich jede Kammer sehr gründlich vor und sahen auch in den Schapps und unter den Kojen nach.

      Das alles dauerte fast eine halbe Stunde. Dann erschien der Hauptmann mit seinen Leuten wieder an Deck. Sein Gesicht war noch mürrischer geworden, denn er konnte wieder keinen Erfolg vorweisen.

      „Die Mannschaft soll antreten“, befahl er. „Aber alle, ich will sie mir ansehen.“

      Hasard ließ auch das geduldig über sich ergehen. Er gab sich den Anschein größter Gelassenheit, und doch war ihm reichlich mulmig zumute, als der Hauptmann die Reihen abschritt und jeden einzelnen sehr genau musterte.

      Als er dem Profos ins Gesicht blickte, schluckte er. Ferris war an der Reihe, Matt Davies, bei dem er fast ehrfürchtig auf die Hakenprothese starrte.

      Als er Old O’Flynn mit seinem Holzbein sah, zuckte er erneut zusammen. Dann fiel ihm ein weiterer Mann mit einer Hakenprothese auf, was ihn ziemlich verwirrte.

      Bei Ali Mustafa zogen sich seine Augen zusammen. Dann sprach er ihn unvermittelt auf Türkisch an.

      Ali Mustafa gab sich die größte Mühe, etwas dümmlich zu grinsen, was ihm auch prächtig gelang.

      „Er kann Sie nicht verstehen“, sagte Hasard, „er ist seit seiner Geburt taubstumm und kann sich nur durch Zeichen verständigen.“

      „Türkenblut“, sagte der Hauptmann sehr bestimmt.

      Hasard lächelte milde und nachsichtig.

      „Er ist Engländer und schon acht Jahre bei mir. Er hat als Schiffsjunge angefangen. Ich habe noch mehr Leute, die so ähnlich aussehen. Überzeugen Sie sich selbst.“

      Der Hauptmann starrte wieder auf die Männer mit dem Haken, den alten Mann mit dem Holzbein und den Taubstummen. Einen riesigen Schwarzen hatten sie auch noch. Warum sollten sie da nicht auch einen Taubstummen haben?

      „Eine Frage noch“, sagte Hasard. „Dürfen meine Männer wieder an Land gehen, oder gibt es eine Ausgangssperre?“

      „Sie können an Land gehen, wann Sie wollen“, sagte der Hauptmann verdrossen. „Istanbul ist eine freie Stadt, wo jeder tun kann, was ihm beliebt.“

      Damit drehte er sich um, gab seinen stumm dastehenden Soldaten einen Wink und verschwand übelgelaunt.

      „Das wäre überstanden“, sagte Hasard. Er wirkte erleichtert. „Aber der Kerl hat doch gezweifelt. Irgendwie haben sie für ihre Landsleute einen ganz besonderen Blick.“

      „Die Bewährungsprobe war kurz, aber gründlich“, meinte Dan. „Ich habe fast ein bißchen geschwitzt.“

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