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den Spaniern das erstemal mit Erfolg angewandt wurde, war jene Kriegslist, die ein spanischer Seestratege ausgeheckt hatte, um den freibeuternden Habenichtsen das Handwerk zu legen oder zumindest zu erschweren.

      Die List bestand darin, auch bei einem gekaperten Schiff noch ein Trumpfas im Ärmel zu haben, nämlich ein paar verrückte Draufgänger, die sich an Bord verbergen und später durch einen Handstreich die Führung des Schiffes wieder an sich reißen sollten.

      Genau zu diesem Zweck war auch der Raum im Vorschiff geschaffen und getarnt worden. Er ließ sich nur von innen öffnen. Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, war da mit seinem Mißtrauen schon auf dem richtigen Weg gewesen, aber dann war der Sturm losgebrochen, und er hatte sich nicht mehr um diese ominösen Holzbohlen, die das Vorschiff abschotteten, kümmern können.

      Ein – vielleicht – glücklicher Stern stand über den sechzehn Männern der „Marygold“. Sie wurden nicht kurzerhand über Bord geworfen. Nein, die Order der Casa de Contratacion in Sevilla – jener Behörde, die Handel und Verkehr mit den Kolonien überwachte – lautete: gefangene Engländer ins spanische Mutterland mitzunehmen, damit man ihnen zur Abschreckung den Prozeß machen könne. Je nach Urteilspruch fristeten sie dann ihr Dasein an die Ruder von Galeeren gekettet, siechten in Kerkern dahin oder wurden öffentlich gevierteilt, verbrannt oder schlicht an einem Galgen aufgebaumelt.

      Einmal in der Gewalt der Spanier, konnte die königliche Lissy nichts mehr für ihre räubernden Seewölfe tun. Nie und nimmer durfte sie Spanien gegenüber zugeben, gewissermaßen Mitaktionär ihrer Kapitäne zu sein, und die würden sich eher die Zunge abbeißen, als ihre Königin zu verraten.

      Eingedenk also der Order wurden die sechzehn Mannen nicht den Fischen zum Fraß vorgeworfen, sondern gefesselt in den Frachtraum der „Santa Barbara“ geschleppt, in dem sie zunächst einer dunklen Zukunft entgegenträumten.

      Ihr Aufwachen zwischen Ballen chinesischer Seide und sackweise verpackten Gewürzen des Fernen Ostens verlief je nach der Schwere ihrer Bewußtlosigkeit.

      Immerhin konnte Philip Hasard Killigrew, genannt der Seewolf, ehemaliger „Kapitän“ der „Santa Barbara“, für sich den Erfolg verbuchen, als erster aus dem langen Schlaf aufzutauchen. Eribttert vermerkte er, daß er gefesselt war, daß sein Schädel brummte, daß er in einem einerseits duftenden, andererseits stinkenden, muffigen und feuchten Raum zwischen irgendwelchen Säcken lag und daß er, wie die Dinge standen, nur kurzfristig ein Schiff geführt hatte und von den Dons vierkant in die Pfanne gehauen worden war.

      Letzteres erboste ihn am meisten. Dem Sturm hatte er die Zähne gezeigt, aber von den Spaniern war er nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz gelegt worden.

      Denn das fiel ihm sofort ein: daß ihm Ferris Tucker über das so merkwürdig abgeschottete Vorschiff berichtet hatte. Da also hatten die Burschen gehockt und auf ihre Chance gelauert. Und diese Chance hatte sich ergeben, als der Sturm abgeflaut war, seine Männer aber nicht mehr viel Kraft für eine Decksschlacht aufgebracht hatten.

      Hasard fluchte laut und voller Inbrunst vor sich hin.

      Und es war das Bürschchen, genannt Dan, das als nächster in die rauhe Wirklichkeit zurückkehrte und den fluchenden Seewolf hörte.

      „Mann“, sagte Donegal Daniel O’Flynn, „ich wußte gar nicht, daß ihr Leute von Arwenack auch so gut fluchen könnt wie das Lumpenpack unten in den Hafengassen von Falmouth.“

      „Hallo, Dan“, sagte Hasard, „bist du auch da?“

      „Klar“, sagte das Bürschchen trotzig, „wo du bist, da bin auch ich. Vor der ‚Bloody Mary‘ ging diese ganze verdammte Scheiße ja los, nicht wahr? Erst dreschen sie dich zusammen, und dann muß ich meinen Kopf hinhalten ...“

      „Tut’s weh?“ unterbrach ihn Hasard.

      „Ich bin ein O’Flynn, Sir“, sagte das Bürschchen prompt und ziemlich empört, „und wir O’Flynns sind ja darauf geeicht, immer zusammen mit den Killigrews von Arwenack Dresche zu beziehen.“

      „He, he“, sagte Hasard, „du hast ja schon wieder mächtig viel Dampf drauf, Dan O’Flynn.“

      „Hab ich auch.“ Das Bürschchen schnaufte erbittert. „Die Mistkerle haben mich gefesselt, dich auch?“

      „Mich auch“, erwiderte Hasard.

      „Mich auch“, ertönte rechts von Hasard der Baß von Ferris Tucker. Er schnüffelte laut und fügte hinzu: „Schätze, wir liegen im Frachtraum der ‚Santa Barbara‘. Den Mief hier kenne ich.“

      „Gute Nase“, sagte Donegal Daniel O’Flynn und nieste. „Ich liege zwischen Pfeffersäcken, verdammt.“

      „Zum Wohlsein. Kleiner“, sagte der Schiffszimmermann.

      „Der Teufel ist dein Kleiner“, fauchte das Bürschchen. „Hättest du diesen abgeschotteten Raum im Vorschiff besser untersucht, brauchten wir jetzt nicht diesen Mief hier zu riechen.“

      „Sei friedlich, Dan O’Flynn“, sagte der Seewolf, bevor der Schiffszimmermann losbullern konnte. Er bäumte sich auf und versuchte über die Seidenballen hinweg seine nähere Umgebung zu erkennen. In den Frachtraum fiel minimales Licht, und das auch nur durch die winzigen Ritzen einer Schottentür links von ihm.

      Aber soviel konnte er flüchtig erkennen: Jeweils in den Seitengängen zwischen Ballen und Säcken lagen gefesselte Männer – seine Männer.

      „Ich glaube“, sagte Hasard laut, „wir alle sind hier versammelt. Ben?“

      „Aye, aye“, sagte der Bootsmann.

      „Kutscher?“

      „Aye, aye.“

      „Smoky?“

      „Alles klar“, sagte Smoky, „aber die haben mir ein Ding auf die Rübe verpaßt, daß ich das Gefühl hab, als sei unter meiner Schädeldecke ein Wespennest im Gange.“

      Hasard grinste still vor sich hin und rief die weiteren Namen auf.

      Sie waren alle da, zwei Männer allerdings ziemlich verletzt. Hasard schob sich in den Mittelgang, der die Mittschiffslinie entsprach, und arbeitete sich zu dem Quergang vor, der von den Ladungen gebildet wurde und in dem der eine der beiden verletzten Männer lag. Er hatte einen Messerstich in der Schulter und viel Blut verloren.

      Hasard tastete ihn ab. Dazu mußte er sich an ihm vorbei entlangschieben – seine Hände waren auf den Rücken gefesselt –, sich seitwärts von ihm aufrichten – auch seine Füße waren gefesselt – und versuchen, die Wunde nur aus dem Tastgefühl heraus zu untersuchen.

      „Schmerzen?“ fragte er.

      „Die auch, aber noch mehr Wut“, erwiderte der Mann, und Hasard hörte, daß der Mann mit zusammengebissenen Zähnen sprach. Er hieß Pete Baillie und war einer der Rudergänger auf der „Marygold“ gewesen. Hasard hatte ihn auch auf der „Santa Barbara“ am Ruder eingesetzt. Pete war ein untersetzter und stämmiger Kerl mit Fäusten vom Umfang einer Ankerklüse. Er sagte: „Die Dons haben uns ganz schön einen übergebraten, was?“

      „Wir leben“, sagte der Seewolf, „und noch sind wir nicht in Spanien.“

      Er spürte Blut zwischen den tastenden Fingern, riß mühsam seitlich aus seinem Hemd einen Fetzen heraus, faltete ihn zusammen und schob ihn auf die Stichwunde. Mehr konnte er im Augenblick nicht tun.

      „Bleib so liegen, Pete“, sagte er, „damit der Stoff nicht verrutscht und die Blutung gestoppt wird.“

      „Aye, aye“, sagte Pete.

      Hasard rutschte zu dem anderen Verletzten, Gary Andrews, der mit zu den Fockmastgasten gehörte. Er war ein dürrer, aber ungemein zäher Mann mit erstaunlichen Kräften in seinem hageren Körper. Gary hatte eine klaffende Schnittwunde quer über die linke Brust bekommen und war dann auch mit einer Spake niedergeschlagen worden.

      Er biß ebenfalls die Zähne zusammen und jammerte nicht, obwohl er ziemliche Schmerzen haben mußte. Die Haut um

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