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war der Moment, in dem die „Marygold“ bereits in den Wind gegangen war und mit ihrer auslaufenden Fahrt an der Steuerbordseite des Spaniers vorbeischor. Ihre Segel waren aufgegeit, ihre Rahen längsschiffs gebraßt.

      Die Männer des Enterkommandos warfen Enterhaken hinüber, die beiden Schiffsleiber prallten Bord an Bord gegeneinander, Schreie, Flüche, Schüsse ertönten.

      „Vorwärts!“ brüllte der Kapitän. „Vorwärts, Männer der „Marygold“! Gebt’s den Dons! Auf sie!“

      Der grimmige Carberry setzte wie ein reißender Wolf mit einem Riesensatz auf den Spanier über. Zwischen den Zähnen hatte er ein Messer, in der linken Faust eine Pistole, in der rechten einen krummen Türkensäbel. Mac Pellew, der dürre Koch, folgte ihm mit verzerrtem Gesicht. Er schwang einen Morgenstern – eine fürchterliche Nahkampfwaffe. Wie Katzen kletterten die Männer der „Marygold“ über das Schanzkleid des Spaniers und stürzten sich wild brüllend in das Getümmel. Stahl blitzte, Klingen wurden gekreuzt, Schüsse flammten auf.

      Hasard war unbemerkt aufs Achterkastell der „Marygold“ geentert und blieb abwartend in der Deckung des Besanmastes stehen. Der Kapitän, einen Degen in der Faust, befand sich vier Schritte von ihm entfernt an der Backbordreling und drehte ihm den Rücken zu.

      Pulverqualm wälzte sich hoch und quoll über das Achterdeck. Und in ihm tauchte urplötzlich der „Taubstumme“ auf. Seine Augen waren wie feurige Kohlen.

      Hasard stieß sich ab und fuhr wie ein Blitz zwischen die beiden Männer. Mit der Linken stieß er den Kapitän um, dann glitt er einen Schritt nach rechts, Bruchteile von Sekunden später zuckte sein Fuß hoch und prellte dem Spanier die Pistole, die er bereits auf den Kapitän angeschlagen hatte, aus der Hand. Der Schuß löste sich krachend, die Kugel strich an Hasards Kopf vorbei und stieg in den Himmel. Die Pistole polterte über die Decksplanken.

      Der Spanier stieß einen Wutschrei aus und warf sich auf den Seewolf. Jetzt kämpfte er um sein Leben.

      Hasard duckte sich, unterlief ihn, packte ihn um die Taille, stemmte ihn hoch, legte ihn in der Luft quer und warf ihn über die Heckreling außenbords.

      Dort stand der riesige Ferris Tucker, hob in aller Ruhe eine Muskete, zielte und feuerte. Mit zerschmettertem Kopf versank der Spanier in den Fluten.

      Hasard wirbelte herum – genau im richtigen Augenblick.

      Gordon Brown flog wie ein Geschoß an ihm vorbei, um sich auf den Kapitän zu stürzen, der sich gerade benommen aufgerichtet hatte.

      In der erhobenen Rechten Gordon Browns blitzte das Schlachtermesser.

      Hasards Hände fuhren hoch, krallten sich um das Handgelenk Gordon Browns, rissen es nach unten und drehten es um.

      Gordon Brown schrie auf. Das fürchterliche Messer klirrte an Deck. Wahnsinn flackerte in den Augen des schmierigen Mannes.

      „Du Hund!“ keuchte er. „Du verdammter Hund! Ich mach dich fertig!“

      „Nur zu“, sagte der Seewolf und feuerte ihm die Rechte unter das Kinn.

      Gordon Brown hob sich auf die Fußspitzen, er drehte eine Spirale, torkelte zu Ferris Tucker hinüber und empfing dort einen Faustschlag auf die Schädeldecke, der wie ein Hammer wirkte. Gordon Brown brach ächzend in die Knie und war bereits bewußtlos, als er auf die Planken kippte.

      „Das war also das Schwein“, sagte Ferris Tucker.

      „Er und der ‚Taubstumme‘, der gar nicht taubstumm war“, sagte Hasard und wandte sich zu Francis Drake um. „Verzeihung, Sir, daß ich Sie umgestoßen habe.“ Er grinste den Kapitän an. „Aber als Schießhund darf man nicht zimperlich sein.“

      Der Kapitän, sonst immer eisern beherrscht, hatte einige Mühe, seine Fassung zurückzugewinnen. Er fragte nichts. Seine Sorge galt dem Schiff, dem Kampf.

      „Vorwärts!“ sagte er knapp, schwang sich über die Reling und sprang auf das spanische Schiff hinüber.

      „Los, Ferris! Paß auf ihn auf“, sagte Hasard. „Ich muß diesen Mistkerl hier fesseln.“

      Ferris Tucker nickte und setzte mit einem riesigen Satz dem Kapitän nach, der sich bereits auf dem Achterkastell des Spaniers mit einem Don duellierte und die Klingen kreuzte.

      Hasard schleppte den bewußtlosen Gordon Brown zum Besanmast, hievte ihn dort hoch und band ihn fest. Dann hob er das Fleischermesser auf, betrachtete es kopfschüttelnd und stieß es über dem Kopf von Gordon Brown in das Holz des Besanmastes. Neben ihm tauchte plötzlich das Bürschchen auf und drückte ihm einen Kurzsäbel in die Hand.

      „Ich hab alles gesehen“, sagte Donegal Daniel O’Flynn. „Du hast es mal wieder allein geschafft. Aber ich hätte dir geholfen, wenn etwas schiefgegangen wäre. Entern wir jetzt den Don?“

      „Wir beide?“

      „Wir beide“, sagte das Bürschchen und umklammerte das Entermesser.

      „Vorwärts“, sagte Hasard, setzte über die Reling und sprang auf das feindliche Achterdeck.

      „Arwenack!“ schrie Donegal Daniel O’Flynn mit gellender Stimme und stürzte hinter dem Seewolf her.

      Der riesige Mann und der Junge aus Falmouth räumten zusammen mit dem Schiffszimmermann das Achterdeck des Spaniers auf. Für den Kapitän blieb kaum etwas zu tun – allenfalls das, die Übergabe des spanischen Captains entgegenzunehmen, der die Waffen streckte, als er nur noch allein auf dem Achterdeck kämpfte.

      Die Galeone hieß „Santa Barbara“ und hatte Gewürze und chinesische Seidenstoffe geladen. Sie hatte Amerika umsegelt, die Kanarischen Inseln umgangen und wollte die Azoren anlaufen.

      Die Männer der „Marygold“ hatten wie Wölfe gewütet. Es gab nur einen Gefangenen, den Captain. Der andere Captain erhielt Gesellschaft.

      Francis Drake befahl seiner Mannschaft, sich auf dem Mitteldeck der „Marygold“ zu versammeln. Er winkte Hasard zu, mir ihm aufs Achterdeck zu kommen.

      Erstaunt sahen die Männer den an den Besanmast gefesselten Gordon Brown, über dessen Kopf ein Fleischermesser im Holz steckte. Gordon Brown war wieder bei Besinnung und blickte sich mit irren Augen um. Er lallte etwas Unverständliches und schüttelte den Kopf mit den schmierigen Haaren.

      Der Kapitän trat an die Zierbalustrade, deutete mit ausgestrecktem Arm auf den gefesselten Mann und sagte: „Seht ihn euch an, Männer der ‚Marygold‘. Er hat das Schändlichste versucht, was ein englischer Seemann tun kann. Er hat versucht, mich, den Kapitän dieses Schiffes, zu ermorden.“

      Ein dumpfes Murren stieg aus den Kehlen der Männer.

      „Ein Mann hat diesen Mordversuch verhindert“, fuhr der Kapitän fort, „jener, den ihr den Seewolf nennt. Ich hatte ihm den Auftrag erteilt, den mysteriösen Dingen, die an Bord der ‚Marygold‘ passiert waren, nachzugehen. Wie es scheint, hat er diesen Auftrag erfüllt. Bitte, Mister Killigrew, äußern Sie sich dazu.“

      Hasard trat an die Balustrade und blickte zu den Männern hinunter, die ihn mit offenen Mündern anstarrten.

      Ruhig erklärte er: „Es ist, wie der Kapitän sagt. Aber es ist nicht alles. Vor sechs Tagen belauschte ich nachts ein Gespräch, das Gordon Brown und ein anderer Mann in der Kombüse führten. Dieser andere Mann war jener, der von euch der ‚Taubstumme‘ genannt wurde. Er war weder taub noch stumm, sondern sehr gesprächig. Er nannte Gordon Brown ‚Amigo‘ ...“

      Der Kapitän fuhr herum. „Ein Spanier?“

      „Jawohl, Sir, ein Spanier. Er hatte von der spanischen Krone den Auftrag, Sie zu ermorden. Gordon Brown wurde von ihm mit Golddublonen bestochen.“

      „Das ist ja ungeheuerlich“, murmelte der Kapitän.

      „Er hatte den Plan“, fuhr Hasard fort, „diesen Mord während eines Enterkampfes zu begehen – so wie er es heute versucht hat. Bei unserer ersten Prise war ihm das mißlungen, weil ein eigentlicher Kampf nicht stattfand.

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